Bürgerinitiativen ein „wichtiges Korrektiv“
Bürgerinitiativen gibt es in Salzburg nicht nur im Zentralraum um die Landeshauptstadt: In Großarl (Pongau) kam es vor fast 20 Jahren zu einem großen Bürgerprotest. Der Streit um einen Steinbruch, der mit Müll aufgefüllt werden sollte, veränderte die Gemeinde nachhaltig. Denn in den 1990er-Jahren glaubte zunächst niemand an einen Bürgerprotest ausgerechnet in Großarl - ein Irrtum, wie sich rasch herausstellen sollte. Die Menschen stiegen auf die Barrikaden - daheim und in der Stadt Salzburg bei der Landesregierung.

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Der Protest gegen ein Mülllager in Großarl erreichte auch die Landeshauptstadt
Der Protest prägte den Ort über Jahre, sagt heute Bürgermeister Johann Rohrmoser (ÖVP): „Ich glaube, dass sich die Initiative eigentlich zum Positivsten gewendet hat. Wir haben der Projekt damals Gott sei Dank abfangen können - und in der Bevölkerung spürt man heute gar nichts mehr. Die Wogen sind geglättet und die Bevölkerung ist mehr zusammengeschweißt als vorher.“
Protest war Politikern lange nicht geheuer
Die 1990er-Jahre waren auch eine Zeit, in der die Politik mit Bürgerprotesten noch nicht wirklich umgehen konnte. Aufgebrachte Bürger, noch dazu am herrschaftlichen Sitz der Landesregierung, waren den Oberen nicht geheuer. Das Gewerbegebiet Brennhoflehen in Kuchl (Tennengau) trieb 1996 die Gegner in den Chiemseehof - um von dort wieder heimgeschickt zu werden: „In diesem Sinne: Gehen Sie mit einer klaren Antwort, die ich Ihnen aus Verantwortung geben muss, bitte wieder zurück in Ihre Dörfer“, sagte der damalige Landeshauptmann Hans Katschthaler (ÖVP).

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1996 schickte Landeshauptmann Hans Katschthaler Demonstranten „zurück in Ihre Dörfer“
Aktuell Kampf etwa gegen Freileitung
Aber es gibt auch aktuell genug Themen für Bürgerinitiativen in Salzburg: So ist im aktuellen Streit um die geplante 380-kV-Freileitung von Elixhausen (Flachgau) nach Kaprun (Pinzgau) keine Lösung in Sicht. Sie soll sich durch fast 40 Gemeinden ziehen: „Die wollen uns aushungern in dem Sinne: Jetzt halten wir sie so lange hin, weil irgendwann geben die ohnehin auf. Tun wir aber nicht“, betont Franz Köck aus Adnet (Tennengau) von der IG Erdkabel.
Der Kampf gegen die Verbauung von Salzburg-Freisaal ist gewissermaßen die Urmutter der Salzburger Bürgerbewegungen. Aus ihm entstand die Grünland-Deklaration, die Bürgerliste, das Paket „Direkte Demokratie und Bürgermitbestimmung“. „Ich bin ja auch angewiesen auf das, was von den Bürgern kommt - und was ich an Meinung zurückgemeldet bekomme“, sagt Salzburgs Bürgermeister Heinz Schaden (SPÖ). Allerdings: Der Bürgerinitiative gegen den Ausbau der Mönchsberggarage in der Stadt Salzburg zeigte Schaden bisher die kalte Schulter.

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Auch 2014 gibt es noch genug Themen für Bürgerinitiativen
Bürgerprotest Start für so manche Polit-Karriere
Proteste gegen Fluglärm gibt es in Salzburg seit vielen Jahren. Immer dabei war Astrid Rössler. Heute sitzt die Grüne als Landeshauptmann-Stellvertreterin in der Landesregierung: „Ich seh’s als große Chance, meine Umweltanliegen jetzt als Regierungsmitglied strenger zu überwachen oder mitzuwirken, dass ein umweltverträglicher Flugbetrieb mit Anrainerinteressen besser vereinbar ist.“
Politik hat Taktik geändert
Früher ging die Politik mit aufgebrachten Bürgern jedenfalls gerne auch auf Konfrontation. Heute sind Einbinden und Aussitzen die bevorzugten Reaktionen auf Bürgerprotest. „Zumindest die Versuche, einzubinden, sind deutlich sichtbar“, sagt der Salzburger Politikwissenschafter Herbert Dachs. „Das hat begonnen mit der Errichtung der Landesumweltanwaltschaft 1985/87. Und das Aussitzen: Auch eine Bürgerinitiative muss sich gefallen lassen, dass diejenige Institution, die sie angreift, versucht, dahinter zu kommen, ob das nur fünf bis zehn Aktivisten sind oder ob da mehrere tausend hinter dieser Meinung stehen.“
Warum gerade in Salzburg ein so starke Bürgerbewegung entstand, erklärt Dachs so: „Salzburg und seine Umgebung sind schön, ein Gesamtkunstwerk, wenn man so will. Und in den 1970ern war es so, dass eine ganze Reihe von ‚Anschlägen‘ - so haben es die Initiativen genannt - dagegen geplant waren. Etwa einen Generalverkehrsplan, eine Schnellautobahn um die Stadt herum, eine Verbauung von Freisaal durch eine riesengroß dimensionierte Universität mit einem Sportzentrum, Wohnbauten links und rechts der Hellbrunner Allee. Und ein wichtiger Faktor: Es gab damals eine relativ durchlässige, berichtsfreudige Medien-Situation, die die Botschaft der Bürgerinitiativen zum Teil quasi mit ‚heiligem Zorn‘ aufgenommen und verbreitet hat.“
Mittel gegen Schwächen der Demokratie
Für die repräsentative Demokratie mit ihren „vielen, vielen Schwächen“, seien die Bürgerproteste wichtig, betont der Politikwissenschafter: „Wenn es nicht die Möglichkeit eines plebiszitären Korrektivs gäbe, dann wäre das demokratiepolitisch eine Katastrophe. Man könnte abgekürzt sagen: Wenn es Bürgerinitiativen noch nicht gäbe, dann müsste man sie aus demokratiepolitischen Gründen erfinden.“
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Karl Kern berichtet über die Bürgerinitiativen in Salzburg