Höhlen-Drama: Kritik an Web-Postings

Heftige Kritik an menschenverachtenden Web-Postings im Internet übt der Einsatzleiter der Salzburger Höhlenrettung. Es geht um das Drama des Schwerverletzten Höhlenforschers aus Deutschland, um dessen Leben ein internationales Rettungsteam nun kämpft.

Norbert Rosenberger Höhlenrettung

ORF

Rosenberger

Norbert Rosenberger von der Salzburger Höhlenrettung sagte dem ORF am Mittwochabend, er wolle zynische Postings in sozialen Netzwerken im Internet eigentlich nicht kommentieren, wonach die internationalen Einsatzkräfte den deutschen Schwerverletzten im Untersberg seinem Schicksal überlassen sollten - nach dem sozialdarwinistischen Motto: Wäre er nicht hinuntergestiegen, wäre er nicht verunglückt. Und man solle ihn liegenlassen; Aussagen, mit denen auch der ehrenamtliche Bergrettungsdienst immer wieder konfrontiert ist.

„Verachtung“ für Web-Schreiber

Einsatzleiter Rosenberger von der Höhlenrettung sagt, für Leute mit solchen Meinungen habe er keinerlei Gefühle: „Verachtung ist dabei das richtige Wort. Wenn ich nun sage, was ich wirklich über solche Menschen denke, dann müssten Sie die TV-Sendung abbrechen.“

Der verunglückte Höhlenforscher aus Deutschland war - wie mehrfach berichtet - am Pfingstwochenende in der Höhle durch Steinschlag am Kopf verletzt worden und wartet seither auf seine Rettung. Die Bedingungen für ihn und die Einsatzkräfte sind äußerst schwierig.

Untersberg Südwände

Gerald Lehner

Flugbild: Untersberg-Massiv in Salzburg und dem Berchtesgadener Land von Süden: Der Höhleneingang befindet sich im linken (bayerischen) Teil des gemeinsamen Hochplateaus

Schwerverletzter transportfähig

Donnerstagfrüh wurde von den Einsatzkräften mitgeteilt, der Schwerverletzte sei mittlerweile transportfähig und damit fertig für die Rettung an die Erdoberfläche - mehr dazu in ORF.at

Was bisher geschah

Der niederösterreichische Mediziner war seit Dienstagmittag auf dem Weg zu dem Verletzten in der Höhle in rund 1.000 Meter Tiefe: „Der Arzt ist abgestiegen. Er hat eine Ruhepause in einem Biwak eingelegt, weil’s extrem schwierig und anstrengend ist“, schilderte Stefan Schneider von der Bergwacht in Bayern am Mittwochvormittag. Diese Pause dauerte länger als geplant - so anstrengend war der Abstieg. Die Höhle sei extrem schwierig. „Für mich ist das die absolute Ausnahme, wenn da einer runterkommt“, sagte Schneider. Ähnlich sieht das der Landesleiter der niederösterreichischen Höhlenrettung: „Die Leute geben 300 Prozent“, sagt er - mehr dazu in noe.ORF.at.

Höhlenretter beim Abstieg in die Riesending-Schachthöhle im Untersberg bei Berchtesgaden

BRK BGL

Der Abstieg in die Höhle ist schwierig und kräfteraubend

Ein weiteres sechsköpfiges Team stieg zu dem Arzt ins Biwak drei ab. Gemeinsam setzten sie dann den Weg fort. Die Höhle ist sehr schwierig zu begehen - zum Teil sind Canyons ohne ersichtlichen Boden zu durchklettern bzw. abzuseilen. Bereits im Einstiegsbereich stürzt das Gelände über frei hängende und steinschlaggefährdete Abseilpassagen rund 350 Meter senkrecht in die Tiefe. Die Stollen setzen sich dann kilometerweit durch Schächte, unterirdische Bäche, Engstellen und Siphons fort.

Opfer muss mithelfen

Der Zustand des 52-jährigen Höhlenforschers aus Stuttgart sei unverändert, sagte Schneider, er sei bei Bewusstsein und könne mit Hilfe stehen. „Er hat ein Schädel-Hirn-Trauma, aber keine Zusatzverletzungen“, sagte Roland Ampenberger von der Bergwacht Bayern. Der Verletzte könne Körperbewegungen teils selbstständig ausführen, was bei der Bergung aus dem stellenweise sehr engen Schachtsystem wichtig sei.

Für den Aufstieg ist es nötig, dass der Höhlenforscher selbst mithelfen kann. Es gibt zum Beispiel eine Engstelle, die nur passierbar ist, wenn man den Kopf schräg legt und den Bauch einzieht. Unter anderem mit Hilfe von Flaschenzügen könnte der Verletzte über senkrechte Stellen gebracht werden. Ob das sitzend oder in einem Bergesack möglich sein wird, ist offen. Ebenso unklar ist, wie er geborgen werden soll, falls er nicht aus eigener Kraft etwas tun kann. Die Entscheidung, wann der erste Schritt zum Abtransport des Höhlenforschers falle, liegt bei den Ärzten. Die Bergung werde in einigen Abschnitten, wo das Gangsystem nicht zu eng ist, mit einer speziellen, flachen Trage erfolgen.

Grafik zeigt stilisierte Höhle in Bayern

APA/ORF.at

Ein dritter Mediziner ist in Bereitschaft. Insgesamt stehen nur diese drei Ärzte für den Einsatz in 1.000 Meter Tiefe bereit - mehr hätten sich in ganz Europa nicht gemeldet, heißt es von der Einsatzleitung.

Gewitter angekündigt: Retter gerüstet

Für die Retter wird der Einsatz ein Wettlauf gegen die Zeit, da für den Rest der Woche im Salzburger Becken Regenfälle und Gewitter vorhergesagt sind und dadurch Teile der Höhle volllaufen könnten. Für die Retter bestehe aber keine Gefahr, versicherte Stefan Schneider von der Bergwacht: „Es ist bekannt, wo Wasser kommt, wo Wasser ist, wenn es regnet. Es gibt trockene Rückzugsräume.“

Basislager der Einsatzkräfte beim Eingang der Riesending Schachthöhle im Untersberg

BRK BGL

Über das Basislager der Retter beim Höhleneingang läuft die Kommunikation

Die Einsatzkräfte richteten mehrere Biwaks mit Trinkwasser, Verpflegung und Schlafsäcken ein, sicherten die bestehenden Seileinbauten der Höhlenforscher zusätzlich mit neuen Bohrhaken und Seilen redundant ab, erneuerten alte Seile und betreiben eine Versorgungskette mit Personal und Material in den Berg.

Die Verantwortlichen der Einsatzleitung bei der Pressekonferenz

ORF/Michael Hufnagel

Am Donnerstagvormittag informierten die Verantwortlichen über den letzten Stand

Zudem wurde eine Telefonleitung bis in 400 Meter Tiefe gelegt, und über das Langwellenfunksystem Cavelink können Textnachrichten zwischen Unfallstelle und Höhleneingang gesendet werden.

Österreichische Höhlenretter einsatzbereit

Mittlerweile halten sich nicht nur Höhlenretter aus Salzburg, sondern aus ganz Österreich einsatzbereit. Das wurde bei einer Einsatzbesprechung der Salzburger Höhlenrettung mit dem Bundesverband am Dienstagabend beschlossen. „Das Ergebnis war der Zusammenschluss aller österreichischen Höhlenrettungskräfte. Sie gehen in den Einsatz, sobald sie von der Einsatzstelle in Berchtesgaden angefordert werden“, sagte Norbert Rosenberger von der Salzburger Höhlenrettung. Bereits in der Nacht auf Montag stiegen Salzburger Höhlenretter in die rund 1.000 Meter tiefe Höhle ein und beteiligten sich an der Vorbereitung der Rettungsmaßnahmen.

Video von Mittwochabend:

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