Deserteurs-Gedenken spaltet Ort

Das Gedenken an von den Nazis ermordete Wehrmachts-Deserteure spaltet die 2.500-Einwohner-Gemeinde Goldegg (Pongau). Das zeigte eine Bürgerversammlung am Dienstag. Denn viele sehen eine Schuld auch bei den Deserteuren.

Mehr als 1.000 SS-Soldaten und Gestapo-Beamte stürmten am 2. Juli 1944 die Gegend rund um den Böndlsee bei Goldegg: Sie suchten und fanden sechs Kriegsdienstverweigerer. Bei dieser Menschenjagd gab es aber noch andere, unbeteiligte Opfer. Insgesamt wurden 14 Goldeggerinnen und Goldegger entweder gleich von den Nazis ermordet oder starben später im KZ. Brigitte Höfert, Tochter des Deserteurs-Anführers Karl Rupitsch, kämpft seit Jahren für eine Gedenktafel - nicht am vier Kilometer außerhalb des Orts gelegenen Böndlsee, sondern im Zentrum von Goldegg, idealerweise im Schlosshof.

Die Gemeinde als Eigentümerin des Schlosses Goldegg lehnte diese Tafel im Hof aber ab. Auch der Kulturverein des Ortes will zuerst einen Dialogprozess, bei dem entschieden werden soll, wo und in welcher Form der Toten gedacht werden soll. Dieser Dialogprozess startete Dienstagabend mit der Bürgerversammlung.

Karl Rupitsch, Anführer der Wehrmachts-Deserteure in Goldegg, der 1944 im KZ Mauthausen ermordet wurde

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Karl Rupitsch war der Anführer der Deserteure in Goldegg

Gedenktafel-Initiatorin nicht bei Bürgerversammlung

Die Tochter des Deserteurs-Anführers, Brigitte Höfert, nahm daran aber nicht teil: „Ich habe zu hören bekommen, welcher Sumpf über mich und meinen Vater in Goldegg ausgeleert wird“, sagte Höfert. „Und das möchte ich meinen Nerven jetzt nicht mehr antun.“

„Ich glaube nicht, dass der Widerstand in der Bevölkerung groß ist, sondern dass der Widerstand bei einigen Verantwortlichen groß ist und dass die Entscheidungsfähigkeit hier nicht gegeben ist“, ergänzte der Historiker Michael Mooslechner: „Man redet sich auf die Bevölkerung aus. Die Goldegger sind vernünftige Leute - die wissen, dass man Leuten, die im Krieg zu Grunde gegangen sind, eine symbolische Erinnerung schaffen muss. Das wird alles - glaube ich - hochgespielt.“

Gräben im Ort auch nach 70 Jahren tief

Doch die Gräben zwischen den Angehörigen der Kriegsdienstverweigerer, Zeitzeugen und jenen, die ihre Angehörigen als Opfer der Deserteure sehen, sind tief. Das zeigte sich bei der Versammlung: „Die Sache ist nicht in Ordnung gewesen. Das sind sehr wohl Deserteure gewesen“, betonte die Goldeggerin Leni Haslinger. „Die wollten ihr eigenes Leben retten und haben das Leben von anderen auch noch auf’s Spiel gesetzt“.

„Es gibt in Österreich seit 2009 ein Gesetz, das die Rehabilitation der Kriegsdienstverweigerer für das ganze Bundesgebiet vorsieht“, hielt der Goldegger Bernhard Klettner dagegen: „Das heißt: Eigentlich müssten wir uns als Staatsbürger darum kümmern, dass das in irgendeiner Form Eingang in unseren Alltag finden. Wir in Goldegg haben das bisher nicht beschließen können.“

Bürgerversammlung zum Denkmal für Deserteure in Goldegg

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Bei der Bürgerversammlung am Dienstag prallten die Meinungen aufeinander

„Haben viel Leid in Kauf genommen“

„Was uns bewegt, ist eigentlich die Tatsache, dass sie (die Deserteure - Anm.) durch ihr provokantes Auftreten so viel Leuten Leid zugefügt haben und in Kauf genommen haben, dass ein ganzer Ort, die ganze Bevölkerung deportiert hätte werden sollen“, argumentierte die Goldeggerin Karola Schellhorn.

„Es gibt die Betroffenen da, die Betroffenen dort - das bringt nichts. Im Grund genommen sind sowohl die 14 (Ermordeten - Anm.) als auch die, die angeblich das Vaterland irgendwo verteidigt haben, wo sie hingehen mussten, Opfer des Weltkrieges“, ergänzte wiederum der Goldegger Harald Hofmann. „Darüber kann man nicht hinweg. Und warum sollte man 14 vergessen und die anderen feiern? Das sind Opfer des Weltkrieges aus einer unglückseligen Zeit heraus. Und es nützt nichts, das alles einschlafen zu lassen - es soll ja eine Mahnung an die Jugend sein.“

Private Gedenktafel kommt zum SGKK-Zentrum

Jetzt beginnt die Debatte in Goldegg von Neuem: Eine Tafel für wen? Wohin mit der Tafel? Diese Fragen soll der Dialogprozess klären: „Da gibt es halt sehr viel Schmerz noch bei den Angehörigen“, weiß der Obmann des Kulturvereins Goldegg, der grüne Landtagsklubobmann Cyriak Schwaighofer. „Und wenn es jetzt darum geht, ein dauerhaftes Denkmal zu setzen, dann muss man diesen Schmerz der Angehörigen mit behandeln und mit besprechen.“

Die von der Tochter des Anführers der Deserteure, Brigitte Höfert, in Auftrag gegebene Gedenktafel lässt sich nicht ganz verdrängen: Sie wird jetzt an der Ortseinfahrt aufgestellt, auf dem Gelände des Rehabilitationszentrums der Salzburger Gebietskrankenkasse (SGKK).

Historikerin gegen Einteilung in „gute"/"böse“ Opfer

Für den Goldegger Bürgermeister Johann Fleißner (ÖVP) ist die lange Diskussion um das Denkmal „sicher kein politisches Trauerspiel, sondern die politische Findung eines würdigen Platzes dieser Gedenkstätte. Und das braucht eben einmal Zeit. Man darf nicht einfach diesen Ort des Geschehens in Goldegg (den Böndlsee - Anm.) außer Acht lassen und als minderwertig, ‚hinten drüben‘ oder ‚irgendwo im Wald‘ beschreiben. Das ist es nicht. Es ist ein würdiger Platz - und meiner Meinung nach muss viel mehr geprüft werden, wie passend dieser Platz wäre.“

Die Zeithistorikerin Helga Embacher von der Universität Salzburg sieht an der Diskussion in Goldegg „was ganz Spezifisches, weil es so viele und so unterschiedliche Opfer in diesem Ort gegeben hat. Was mir an dieser Diskussion aufgefallen ist, ist, dass zwischen ‚guten‘ und ‚bösen‘ Deserteuren unterschieden wird. Die Guten sind die, die sich ruhig verhalten haben, und die Bösen sind die, die angeblich Vieh gestohlen und andere gefährdet haben. Und hier muss man einfach sagen: Nicht alle Opfer sind sympathisch. Opfer sind ganz unterschiedlich und können oft auch sehr unsympathisch sein. Und dennoch hat das System nicht das Recht, diese Menschen zu ermorden. Und bei mir war der Eindruck schon, dass das bei vielen Wortmeldungen sehr verwischt wurde. Hier gibt es diese moralische Wertung, die in diesem Verfahren nicht gut ist.“

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Katharina Garzuly berichtete in „Salzburg heute“ über die Debatte in Goldegg

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