Wer entfernt die Nazi-Schmierereien?

Polizei, Bürger und Politiker sind ratlos, wer die Beseitigung der vielen Nazi-Schmierereien in der Stadt Salzburg bezahlen soll. Das NS-Verbotsgesetz verbietet nationalsozialistische Propaganda im öffentlichen Raum, greift aber laut Experten zu kurz.

Es gibt Hunderte Tatorte in der Stadt Salzburg. Und niemand kann gezwungen werden, solche Nazi-Sprüche von seinem Haus zu entfernen. Manche Liegenschaftsbesitzer finanzieren die Sanierung freiwillig, andere haben dafür zu wenig Geld. Das kann auch - je nach Art der Fassade oder des Bauwerks - kostspielig und technisch schwierig werden. Insgesamt herrscht eher Ratlosigkeit. Während keine gesetzliche Regelung existiert, sehen Experten auch ein Dilemma des Rechtsstaates.

NS Schmiererei Magazinstraße NS statt US

privat

An der Ecke eines Wohnblocks in Salzburg-Gnigl

Denn nationalsozialistische Wiederbetätigung und Propaganda im öffentlichen Raum sind laut Verfassung definitiv verboten. Deshalb müssen die Schmierereien auch aus dieser Sicht unbedingt verschwinden. Doch wer das bezahlen muss, ist unklar.

Sehr viele Sachbeschädigungen

Allein der Spruch „NS statt US“ ist laut Polizei von mutmaßlichen Rechtsradikalen insgesamt mehr als 160-mal auf öffentliche und private Gebäude sowie Verteilerkästen in der Stadt Salzburg gesprüht worden. Dazu kommen weitere Sprüche, Teile davon, Symbole und andere Sachbeschädigungen mit Spraydosen, die sich der rechten Szene zuordnen lassen.

Einige Sprayer sind laut Polizei identisch mit Verdächtigen, die in den letzten Monaten Salzburger „Stolpersteine“ beschmiert haben sollen, die zur Erinnerung an Opfer des Holocaust dienen. Täter könnten bei Verurteilungen sehr wohl auch zu Schadenersatz herangezogen werden, sagen Ermittler. Aber diese Personen könnten wohl nicht für teure Gebäudesanierungen aufkommen.

„Überzogen wie mit einer Seuche“

„Die Stadt war überzogen von NS-Sprüchen wie mit einer Seuche“, sagt Hermann Rechberger, Leiter des Landesamtes für Verfassungsschutz und Terrorismusbekämpfung bei der Salzburger Polizei, auf Anfrage des ORF: „Einiges wurde von Hausbesitzern schon entfernt. Wir haben nun fast alles bis ins Detail ermittelt, aber das Grundproblem bleibt. Die Polizei kann es aus rechtlicher Sicht nicht lösen: Wer sorgt für die nötige Säuberung des Stadtbildes?“

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Tobias Pötzelsberger

167-mal auf öffentlichen und privaten Gebäuden: der Spruch „NS statt US“

Dass die Zahl der Tatorte so groß ist und war, wird vielen Passanten erst nach und nach bewusst. Einer davon ist der Medienexperte Sigi Kämmerer: „Mich ärgert das mittlerweile fast jeden Tag, wenn ich diese Schmierereien auf dem Weg zur Arbeit sehe.“ Touristen und Gästen fallen sie auch auf. Immer wieder gebe es Beschwerden, weil zum Beispiel im Stadtteil Mülln viele Strom- und Oberleitungsmasten von ÖBB und Salzburg AG beschmiert seien, erzählt ein Hotelier dem ORF.

„Polizei kann nicht alles alleine lösen“

Die Salzburger Polizei war sehr hartnäckig und hat in den vergangenen Wochen und Monaten enorme Recherchearbeit geleistet. Nahezu alle Tatorte sind fotografiert und für die Staatsanwaltschaft dokumentiert worden - von Beamten unter der Leitung des Verfassungsschützers Rechberger. Zwei mutmaßliche Haupttäter sitzen in Untersuchungshaft, es gibt insgesamt fünf beschuldigte Frauen und Männer. Einigen weiteren möglichen Trittbrettfahrern sei man noch auf der Spur, heißt es.

Chefermittler Rechberger betont, seit den Festnahmen seien nur noch wenige Schmierereien dazugekommen. Allerdings wurden diesen Samstag schon wieder Teile der jüdischen Synagoge in der Stadt Salzburg beschädigt - augenscheinlich laut Ermittlern wieder klar antisemitische Straftaten. Dieser Tage geht ihr erster Gesamtbericht an die Staatsanwaltschaft.

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Tobias Pötzelsberger

Sprüche wie dieser sind im gesamten Stadtgebiet verteilt

Wer bezahlt die Beseitigung?

Gerichtliche Strafen gegen Täter sind die eine Seite, die optischen, moralischen und wirtschaftlichen Folgen für Bürger, Bevölkerung, Gäste und die Stadt eine andere. „Bei Hausbesitzern greift da kein Paragraf“, sagt Rechberger.

Und: „Niemand kann zur Entfernung gezwungen werden. Hausbesitzer sind ja auch Geschädigte. Und es wäre hart, würde man sie zur Sanierung zwingen. Und wir als Polizei liefern der Staatsanwaltschaft und dem Gericht die bestmöglichen Fakten und Daten gegen mutmaßliche Täter. Das ist - neben der Verhinderung solcher Straftaten durch Patrouillen und Kontrollen - unsere Aufgabe, mehr nicht.“

NS-Propaganda muss weg

Weil Nazi-Propaganda im öffentlichen Raum laut Verfassungsgesetz verboten ist, sieht Rechberger vorerst nur diese Lösung: Es werde wohl wenig übrigbleiben, als dass Stadt Salzburg, Salzburg AG, ÖBB und andere Liegenschaftsbesitzer eine Art freiwillige „Ho-ruck-Aktion“ starten - für die rasche Beseitigung der meisten Schandflecke: „Privat als Bürger ärgern mich diese Taten auch sehr. Es ist ein großes Dilemma, wie man das nun möglichst schnell wegbringt“, so der Verfassungsschützer der Polizei. Ähnlich sieht das der Verfassungsrechtler Walter Berka von der Universität Salzburg. Auch er ortet - im Hinblick auf das NS-Verbotsgesetz - eine gesellschaftspolitisch-ethische Verpflichtung von öffentlichen Körperschaften wie der Stadt Salzburg.

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Bei der Salzburg AG, deren Verteilerkästen und Oberleitungsmasten in vielen Fällen betroffen sind, machen sich Experten schon Gedanken. Man könne - dem inoffiziellen Vernehmen nach - eventuell eine Putzaktion starten, wenn es draußen wieder dauerhaft wärmer wird. So lange winterliche Kälte vorherrscht, lasse sich Schmiererei nur sehr schlecht entfernen, sagte dazu ein Techniker der Salzburg AG gegenüber ORF.at.

Romy Seidl und Gerald Lehner, ORF Radio Salzburg und „Salzburg heute“

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