Haus der Natur: Nazi-Raubgut dokumentiert

Das Haus der Natur (HDN) hat nun - fast 70 Jahre nach Kriegsende - erstmals einen Überblick, wie viele seiner 900.000 Exponate ein Raubgut der Nazis sind. Das Material ist unter dem früheren Direktor, SS-Offizier und „Ahnenerbe“-Funktionär Eduard Paul Tratz ins Museum gekommen.

Eduard Paul Tratz SS Obersturmbannführer Direktor und Gründer im Haus der Natur Himmlers Darling

Vom Auto aus. Bergland Buch 1931

Eduard Paul Tratz, Himmlers Vertrauter in Salzburg, Gründer des Hauses der Natur und dessen erster Direktor. Der SS-Obersturmbannführer saß als „wissenschaftlicher“ Berater im persönlichen Stab des Reichsführers SS und erschien oft in Uniform in seinem Naturkundemuseum. Er hetzte gegen Behinderte und Minderheiten, richtete eine „Rassenschau“ ein, die in Teilen bis vor einigen Jahren noch zu sehen war. Dazu kam u. a. die Tibet-Schau, mit geschaffen von dem SS-Kriegsverbrecher Bruno Beger. In den 1980er Jahren wurde noch eine Forschungsstation an der Großglocknerstraße nach Tratz benannt und nach Protesten wieder umbenannt.

Es brauchte mit Norbert Winding einen neuen Direktor, damit Bewegung in die Aufarbeitung der dunklen Geschichte des Hauses kommt. Konkret geht es um etwa 1.000 Bücher und Hunderte Tierpräparate und Jagdtrophäen. Über die Rückgabe wird nun mit Nachkommen, Erben bzw. Rechtsnachfolgern von Besitzern im In- und Ausland verhandelt. Der Salzburger Historiker Robert Hofmann wurde vor einigen Jahren vom früheren HDN-Kuratoriumschef und Ex-LHstv. Gerhard Buchleitner (SPÖ) beauftragt, die Geschichte des Hauses der Natur in der Ära des früheren Direktors Tratz zu beleuchten. Dieser verstarb 1977.

Verstrickungen schon lange bekannt

Die üble Rolle des langjährigen Direktors, hohen SS-Offiziers und engen Mitarbeiters von Heinrich Himmler während der NS-Zeit ist - nicht zuletzt durch Recherchen des Salzburger Historikers Gert Kerschbaumer und des ORF-Redakteurs Gerald Lehner - seit Mitte der 1990er Jahre bekannt.

Die grüne Bürgerliste hatte daraufhin bereits vor 15 Jahren die Aberkennung der Ehrenbürgerwürde der Stadt Salzburg im Fall von Tratz verlangt, erinnert nun Historiker Robert Hofmann: „Es wäre aus heutiger Perspektive schon damals angebracht gewesen, eine historisch-wissenschaftliche Aufarbeitung in die Wege zu leiten. 1939 integrierte Tratz das Haus der Natur in die SS-Wissenschaftsorganisation ,Ahnenerbe‘.“

In früheren Publikationen von Stadt und Land Salzburg werden die Rollen von Tratz bei SS und anderen Organisationen im Nationalsozialismus über Jahrzehnte mit keinem Wort erwähnt. Zur Frage der Ehrenbürgerschaft heißt es bei der Stadt Salzburg auch aktuell noch, die Aberkennung sei rechtlich nicht möglich.

Eduard Paul Tratz mit Raubgut für das Haus der Natur SS Obersturmbannführer

Haus der Natur

Tratz begutachtet naturkundliche Gegenstände

Ausstellung soll kommen

Die Klärung der Herkunft der Objekte ist der erste Teil dieser historischen Aufarbeitung, eine Ausstellung zur Geschichte des heuer 90-jährigen Hauses ist zu Ostern geplant.

Es sind vor allem völkerkundliche Objekte, Tierpräparate, Jagdtrophäen und Bücher, die Tratz bei seinen Raubzügen durch halb Europa einstreifte und nach Salzburg brachte. Bis vor wenigen Jahren stand dennoch eine Ehrenbüste für den früheren Direktor im Naturkundemuseum Haus der Natur. Sammlungsleiter Robert Lindner nennt drei Gruppen von Gegenständen, die Tratz besonders angezogen hätten: „Es geht um Beschlagnahmungen aus kirchlichem Besitz, es geht um Teilnahme von Tratz bei Raubzügen in besetzten Gebieten, und es geht darum, dass Tratz bei Arisierungen ein Profiteur war.“

In Salzburg waren besonders das Borromäum, die Missionsschwestern von Maria Sorg und der katholische Universitätsverein von Raubzügen des Hauses der Natur betroffen. Teile des Materials mussten unmittelbar nach dem Krieg - auch auf Druck der amerikanischen Befreier - zurückgegeben werden. Über einige hundert Exponate wird nun - auch mit den Institutionen in Polen - verhandelt. Tratz und seine Leute stahlen auch in den besetzten Teilen der Sowjetunion und der Ukraine zahlreiche Gegenstände.