Heimkinder: Kritik an fehlender Akteneinsicht

Auch beim Thema Misshandlung von Heimkindern soll sich die Politik nicht mehr hinter dem Amtsgeheimnis verstecken. Das fordert Jugendanwältin Andrea Holz-Dahrenstaedt von der Landesregierung. Andere Bundesländer agieren offener.

Andrea Holz-Dahrenstaedt - Kinder- und Jugendanwältin in Salzburg

Kinder- und Jugendanwaltschaft Salzburg

Kinder- und Jugendanwältin Holz-Dahrenstaedt

Beim Thema Jugendwohlfahrt werde die neuerdings von der Politik postulierte Transparenz noch immer nicht praktiziert, sagen unabhängige Fachleute. Ehemalige Heimkinder bekommen in Salzburg noch immer keine Einsicht in ihre Akten bei Jugendämtern. Oft geht es um tragische Schicksale aus Kinder- und Jugendtagen.

51-Jähriger gequält und missbraucht

In etwa fünf verschiedenen Kinderheimen im In- und Ausland hat die Salzburger „Fürsorge“ bzw. Jugendwohlfahrt einen heute 51-jährigen Salzburger untergebracht. Er ist nach eigenen Angaben mehrfach Opfer von brutalen Strafen, Fesselungen und sexuellem Missbrauch geworden. Seit längerer Zeit versucht der Mann, nun Einsicht in seinen Akt beim Jugendamt zu bekommen.

Er will auch herausfinden, wer seine Eltern waren - ohne Erfolg: „Es ist sehr deprimierend, dass beim Amt blockiert wird die ganze Zeit.“

Aktueller Stand, Reaktion beim Land

Der zuständige Abteilungsleiter war Freitag für eine Stellungnahme nicht erreichbar. Dafür aber der noch zuständige LHstv. und Sozialreferent Walter Steidl (SPÖ). Er sagte am Telefon am Freitag, er habe nun die Beamten beauftragt, Akteneinsicht zu erlauben. Allerdings nur in Anwesenheit eines Psychologen, weil die Informationen sehr belastend sein könnten. Warum im geschilderten Fall des 51-Jährigen noch nichts passiert ist, konnte Steidl nicht beantworten. Er ist derzeit verreist.

Angst vor Schmerzensgeld-Klagen?

Das Land Salzburg berief sich bisher zwar nicht auf das Amtsgeheimnis. Man wies stattdessen darauf hin, dass die Jugendwohlfahrt nicht als Behörde tätig sei sondern „privatrechtlich“. Es gebe ein jahrzehntealtes Urteil des Verfassungsgerichtshofs, wonach deshalb die Jugendwohlfahrt keine Akteneinsicht gewähren müsse.

Der Verfassungsrechtler Bernd-Christian Funk betonte dagegen, niemand hindere das Land Salzburg an mehr Transparenz - auch der Spruch des Höchstgerichtes nicht. Dieser betreffe nur eine Pflicht zur Veröffentlichung. Und die Salzburger Kinder- und Jugend-Anwältin Andrea Holz-Dahrenstaedt spricht von klaren Verstößen gegen Menschenrechte, wenn behördlich gemauert wird: „Das ist unhaltbar aus der Sicht des Rechtsstaats und der Menschenrechte.“

Tatsächlich bestätigt ein Landesbediensteter, der namentlich nicht genannt werden will: Die ehemaligen Heimkinder bekommen zwar Informationen über Akteninhalte - aber keinen Einblick in den gesamten Akt und keine Kopien. Denn dann könnten sie Argumente finden, das Land Salzburg auf Schmerzensgeld zu klagen.

Bisher kein Interview von Steidl

Durch Klagen auf Schmerzensgeld hätte das Land finanzielle Nachteile zu befürchten. Dieser finanzielle Aspekt sei der Grund, warum der zuständige LHstv. und Sozialreferent Walter Steidl (SPÖ) zwar im April angekündigt hat, dass die ehemaligen Heimkinder doch Akteneinsicht bekommen sollen. Dieser Ankündigung ließ Steidl bis Freitag aber keine Taten folgen. Salzburg ist politisch heftig im Umbruch, die SPÖ künftig wohl nicht mehr in der Landesregierung. Steidl wollte bis Freitag zu dem Thema auch kein Interview geben.

Die Stadt Wien hingegen gewährt Ex-Heimkindern schon seit drei Jahren Akteneinsicht, wenn nötig werden Akten-Kopien sogar per Post zugeschickt. Und aus den anderen Bundesländern heißt es: Wenn es noch brauchbare Akten gibt, dann werde Akteneinsicht gewährt.

Salzburger will auf jeden Fall klagen

Der in Salzburg mehrfach abgewiesene 51-Jährige ist mittlerweile so verärgert über die Vorgangsweise der Salzburger Politik, dass es das Land auf jeden Fall klagen will.

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