Fünf Monate im Finanzskandal

Seit Dezember sorgt er für Schlagzeilen, für Misstrauen und immer mehr Politfrust in Salzburg: der Landesfinanzskandal. Er ist auch der Grund für die vorgezogene Landtagswahl am Sonntag.

Salzburg als die Postkartenstadt an der Salzach - stolz, erfolgreich, schön: Diese Zeiten scheinen vorbei. Nun gilt Salzburg als gefallene Hochburg der Millionenspekulanten. Am Anfang standen ein paar Blätter Papier, eine Vollmacht, ausgestellt vor zehn Jahren. Sie erlaubte drei Landesbeamten, riskante Finanzgeschäfte zu tätigen. Ausgestellt hatte die erste Vollmacht der damalige Finanzreferent Wolfgang Eisl (ÖVP) im Februar 2001. Sie wurde immer wieder verlängert, erst von Ex-Finanzlandesrat Othmar Raus (SPÖ), dann auch vom „roten Kronprinzen“ David Brenner (SPÖ).

Monika Rathgeber ein Finanzgenie?

Das bedeutete Freiheit für die Finanzexpertin und Referatsleiterin in der Landesfinanzabteilung, Monika Rathgeber. Sie investierte Steuergeld und machte jahrelang Gewinne, finanzielle Zuckerln für die Politik - mehr dazu in Weitreichende Rechte von Monika Rathgeber (salzburg.ORF.at; 8.1.2013). „Man hat ihr vertraut, weil sie hoch kompetent war und ihre Arbeit sehr gut gemacht hat“, meinte der Leiter der Finanzabteilung und Finanzhofrat Eduard Paulus.

Monika Rathgeber, Ex-Budgetreferatsleiterin des Landes Salzburg

ORF

Rathgeber bei ihrem ersten öffentlichen Auftritt im Jänner

Jedoch spätestens in der Finanzkrise 2008 erlitt Rathgeber Verluste in Millionenhöhe. Sie sagte nichts, wollte allein alles wiedergutmachen. Im Sommer 2012 war das Spiel schließlich endgültig vorbei. Rathgeber widersetzte sich Weisungen, fälschte Unterschriften, wurde beurlaubt und später entlassen - mehr dazu in Gericht: Rathgeber zu Recht entlassen (salzburg.ORF.at; 5.4.2013).

Rathgebers Nachfolger heißt Harald Kutschera, er kam von der Deutschen Bank, einem wichtigen Geschäftspartner des Landes. Nach dem Seitenwechsel entdeckte er rasch 250 Geschäfte in den Büchern, von denen bis dahin niemand etwas gewusst hatte. Kutschera löste alles auf.

Brenner schob Schuld auf Rathgeber

Doch es entstanden immer neue Vorwürfe, und der 6. Dezember 2012 wurde schließlich zum Schicksalstag. Finanzreferent Brenner berichtete von einem möglichen Verlust über 340 Millionen Euro und beschuldigte Rathgeber - mehr dazu in Spekulation: 340 Mio. Landesgeld in Gefahr (salzburg.ORF.at; 6.12.2012).

„Sie hat dazu nach unserem Wissensstand auch Protokolle des Finanzbeirats gefälscht und diese Protokolle in der abgeänderten Form an den Rechnungshof weitergegeben, aber damit natürlich auch den Landtag und mich als Ressortchef getäuscht und in die Irre geführt. Aber damit nicht genug, wir müssen derzeit auch davon ausgehen, dass sie Unterschriften gefälscht hat, um das Vieraugenprinzip - das für solche Geschäfte vorgesehen ist - zu umgehen“, sagte Brenner bei einer ersten Pressekonferenz im Dezember 2012.

David Brenner Landtag Finanzskandal

Barbara Gindl

Brenner im Landtag

Ab dann verging fast kein Tag ohne neue Enthüllungen. In der Politik begann eine Schlammschlacht, die ersten Köpfe rollten, Brenner trat zurück, Paulus wurde suspendiert. Der Bescheid gegen Paulus wurde jedoch nach kurzer Zeit wieder aufgehoben, derzeit läuft ein zweites Verfahren - mehr dazu in Suspendierung von Paulus aufgehoben (salzburg.ORF.at; 14.2.2013).

Neuwahl beschlossen

Die ÖVP verlangte nach Bekanntwerden des Skandals bereits nach wenigen Tagen Neuwahlen. „Es kann nicht sein, dass diese Regierung Burgstaller, die das Vertrauen nicht nur ihres Koalitionspartners verloren hat, sondern auch das der Bevölkerung, weiter im Amt bleibt“, so ÖVP-Chef Wilfried Haslauer - mehr dazu in ÖVP stellt Neuwahlantrag im Jänner (salzburg.ORF.at; 10.12.2012).

Landeshauptfrau Gabi Burgstaller (SPÖ) versuchte hingegen nach wie vor die Wogen zu glätten. Mit einem emotionalen Auftritt vor dem Landtag entschuldigte sie sich bei der Bevölkerung, wollte Neuwahlen um jeden Preis verhindern. Doch die ÖVP sollte bekommen, was sie wollte - mehr dazu in Politische Erdbeben nach Finanzskandal (salzburg.ORF.at; 21.1.2013).

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Burgstallers emotionale Rede am 12. Dezember im Salzburger Landtag.

Ausreden, Vorwürfe, Zweifel

Schon bald spielte jeder gegen jeden. Ein Stimmengewitter zog auf, man hörte Vorwürfe, Selbstzweifel und vor allem Ausreden. „Das kann ein Rechnungshof nicht sehen, das kann der Landtag nicht sehen, das kann aber auch ein ressortverantwortlicher Politiker nicht sehen. Das wird die Staatsanwaltschaft zu klären haben“, meinte Brenner damals.

Landeshauptfrau Gabi Burgstaller und ihr Stellvertreter Wilfried Haslauer

www.neumayr.cc/MMV

Burgstaller und Haslauer

Rathgeber entgegnete: „Das ist einfach die unterschiedliche Sicht der Dinge, und ich hoffe, dass die Wahrheit am Ende siegt.“ Sie sieht sich als Opfer von Intrigen - mehr dazu in Rathgeber-Prozess: Aussage gegen Aussage (salzburg.ORF.at; 31.1.2013). „Er hat mich nicht informiert - in keiner Weise“, behauptete Haslauer damals über Paulus. Dieser sagte dazu: „Diese Aussage ist an Scheinheiligkeit und an Niedertracht nicht zu überbieten.“ Burgstaller sagte beim Wahlkampfauftakt der SPÖ Anfang April: „Wir haben genauso viel gewusst wie die ÖVP über das, was sich neben unserem Budget in einer unglaublichen Art und Weise aufgetürmt hat“ - mehr dazu in SPÖ geht mit harten Worten in „heiße Phase“ (salzburg.ORF.at; 5.4.2013).

Opposition sieht rot-schwarzes System

„Es ist offensichtlich ein Sich-gegenseitig-aufeinander-Verlassen gewesen, ohne nachzufragen. Und das Ergebnis haben wir ja jetzt“, kommentierte Grünen-Sprecher Cyriak Schwaighofer die Finanzaffäre. „Ich glaube, dass die Oppositionsparteien wirklich von diesen Geschäften nie Bescheid gewusst haben“, so FPÖ-Chef Karl Schnell. Die grüne Untersuchungsausschuss-Vorsitzende Astrid Rössler sagte dazu: „Es war immer wieder eine rot-schwarze Regierung und ein rot-schwarzes System, das das so wollte und auch so vorangetrieben hat.“

Rössler im U-Ausschuss Untersuchungsausschuss Grüne Politik

Franz Neumayr

Astrid Rössler als Vorsitzende im Untersuchungsausschuss

28 Zeugen im U-Ausschuss

In einem Untersuchungsausschuss wurde der Skandal aufgearbeitet. 28 Zeugen traten auf, das Finanzgeflecht ließ sich nur mühsam entwirren - mehr dazu in Finanzskandal: 28 Zeugen geladen (salzburg.ORF.at; 18.2.2013) und in U-Ausschuss: Schuldzuweisungen in Endbericht (salzburg.ORF.at; 24.4.2013).

Ein riesiges Systemversagen trat ans Licht. Klar ist: Die Politik selbst hatte die Kontrolle ausgeschaltet, weder Landesbuchhaltung noch Revision durften die Budgetabteilung kontrollieren. Spekuliert wurde sogar mit dem Geld eines Sozialfonds - mehr dazu in Wohnbaufonds: „Auftrag“ zu Spekulation (salzburg.ORF.at; 28.3.2013).

Eduard Paulus im Finanzskandal-Untersuchungsausschuss

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Eduard Paulus (l.) bei seiner ersten Befragung im Untersuchungsausschuss

Experten staunten über Konstrukt

Da staunten selbst die Experten. „Insgesamt stellt sich das Portfolio des Landes so dar wie bei einem Hedgefonds. Der wird aber üblicherweise von einer Bank gemanagt, und das Kapital kommt von Kapitalgebern und wird nicht fremdfinanziert“, so Finanzexperte Meinhard Lukas. Er forderte eine genaue Aufarbeitung des gesamten Skandals - mehr dazu in Geldflüsse: „Genaue Aufarbeitung notwendig“ (salzburg.ORF.at; 18.4.2013). Außerdem hätten die Spekulationsgeschäfte bereits viel früher begonnen als zuerst angenommen - mehr dazu in Spekulation: Eisl weist Vorwürfe zurück (salzburg.ORF.at; 24.4.2013).

1,8 Mrd. Euro mehr Schulden als gedacht

Mittlerweile liegen belastbare Zahlen auf dem Tisch. Das Land hat 1,8 Milliarden Euro mehr Schulden als gedacht. Die Geschäfte werden nach und nach aufgelöst, der Ausgang ist ungewiss. Der Landtag beschloss ein strenges Spekulationsverbot, Salzburg will auf eine nachvollziehbare Buchhaltung umsteigen - mehr dazu in Landesregierung beschließt Spekulationsverbot (salzburg.ORF.at; 18.3.2013). Aber richtig düster sieht es auf einer anderen Ebene aus: Viele Salzburger haben das Vertrauen in Verwaltung und Regierung verloren. Welche Konsequenzen das für die bisherige Politik in Salzburg hat, wird sich am Sonntag bei der Landtagswahl zeigen.

Carina Schwab, ORF Salzburg
Tobias Pötzelsberger, ORF Salzburg

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