LH: „ÖVP war früher informiert“

Die ÖVP will wegen des Finanzskandals im Jänner Neuwahlen beantragen. Das gab ÖVP-Chef Wilfried Haslauer Montagabend bekannt. LH Gabi Burgstaller (SPÖ) ist erstaunt über die Entscheidung. Sie erhob im ORF-Interview schwere Vorwürfe gegen die ÖVP.

ORF: Die ÖVP will die Koalition aufkündigen und am 16. Jänner einen Neuwahlantrag stellen. Was sagen Sie dazu?

Gabi Burgstaller: Ich bin mehr als erstaunt. Die ÖVP hat an einem Tag offenbar dreimal ihre Meinung geändert. Noch am Vormittag bei der Regierungssitzung haben wir gemeinsam beschlossen, dass bis 14. Jänner zu klären ist, ob diese finanziellen Machenschaften überhaupt eine Auswirkung auf das Budget haben. Die Einschätzung der Experten bei der Regierungssitzung war eher positiv - also keine Auswirkungen. Zweitens hat die ÖVP heute einen Antrag auf einen Untersuchungsausschuss eingebracht, den wir auch unterstützen, weil klarerweise ist so etwas zu untersuchen. Aber es gebe dann keine Untersuchung, sondern es gebe dann nur Wahlkampf, und das ist in der jetzigen Situation eigentlich eine Zumutung.

ORF: Die ÖVP sagt, es wird einen Neuwahlantrag und einen Untersuchungsausschuss geben. Das wäre die erste Amtshandlung nach der Neuwahl.

Burgstaller: Das wäre dann also irgendwann im Mai - das schaue ich mir an, was bis dorthin alles verdunkelt ist. Es gibt auch viele Indizien dafür, dass die ÖVP besser informiert war als die SPÖ. Es ist mittlerweile auch festgestellt, dass die ÖVP eine Woche früher über das Verhalten der Mitarbeiterin informiert war, als Finanzreferent David Brenner. Also da frage ich mich schon, ob es nicht doch etwas zu verbergen gibt.

ORF: Hier steht offenbar Aussage gegen Aussage. Die ÖVP fühlt sich belogen von Brenner, und Sie hätten eine Woche gebraucht, um über die tatsächliche Lage aufzuklären. Wann haben Sie den Koalitionspartner informiert?

Burgstaller: Wir haben zum erstmöglichen Zeitpunkt informiert. Ich habe dem Kollegen Brenner geraten, sofort einen schriftlichen Bericht von der Finanzabteilung zu verlangen, das hat er auch getan. Erst da wurde dann nachgewiesen, dass es Unterschriftenfälschungen und gefälschte Protokolle gibt. Das war bis dahin alles nicht bekannt, und erst dann ist einiges ins Rollen gekommen. Dann war auch klar, dass wir den Koalitionspartner informieren, dass wir die Staatsanwaltschaft einschalten, dass Strafanzeige gemacht wird, und da war auch klar, dass die Mitarbeiterin zu entlassen ist.

ORF: Jetzt ist aus Ihrer Aussage und auch aus den Aussagen der ÖVP deutlich zu hören, dass es ein klares Misstrauen in der Koalition gibt. Ist die Regierung aus Ihrer Sicht noch handlungsfähig?

Burgstaller: Also wenn der Wille da ist, im Interesse des Landes zu arbeiten, dann selbstverständlich. Wenn die Parteiinteressen im Vordergrund stehen - und das ist bei diesem Neuwahlantrag der Fall -, dann wird es schwierig in der gemeinsamen Regierung. Aber wer immer meint, sich da nun aus der Verantwortung des Aufarbeitens schleichen zu können, der wird sich täuschen.

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