Kritik an Abschiebung von Kindern

Die Kinder- und Jugendanwaltschaft übt massive Kritik an heimischer Politik auf Bundes- und Länderebenen. Es sei unerträglich, verstoße gegen Menschenrechte und die Verfassung, wenn immer wieder Kinder abgeschoben und gute integrierte Familien auseinandergerissen würden, heißt es.

Ein in Salzburg gut integrierter Schüler aus Armenien lebt derzeit als U-Boot in Österreich, weil ihm wegen eines negativen Asylbescheids die Abschiebung droht. Seine Mutter und sein achtjähriger Bruder wurden im August ausgewiesen.

Der 17-Jährige schloss heuer die 6. Klasse des BORG Nonntal mit gutem Erfolg ab. „Er wollte in zwei Jahren maturieren und träumt von einer Zukunft in Österreich“, schilderte Schülervertreterin Hanna Mosler am Freitag bei einer Pressekonferenz.

„Längst ratifizierte Kinderrechte missachtet“

Die Kinder- und Jugendanwaltschaft (kija) Salzburg und die Plattform für Menschenrechte kritisierten, dass die Behörden die Kinderrechte viel zu wenig berücksichtigen würden.

Den „Weltkindertag“ nahmen die kija und die Menschenrechtsplattform zum Anlass, auf Missstände aufzuzeigen. „Die Rechtslage ist zum Teil kompliziert und unüberschaubar“, sagte Philip Czech vom Österreichischen Institut für Menschenrechte. Sowohl aus Artikel 1 des Bundesverfassungsgesetzes über die Rechte von Kindern als auch aus Artikel 8 der Europäischen Menschenrechtskonvention ergebe sich die Verpflichtung, die Interessen der von einer Ausweisung betroffenen Kinder vorrangig zu berücksichtigen.

„Kindeswohl bleibt auf der Strecke“

Angesichts von aktuellen Fällen gewinne er stark den Eindruck, dass bei den Behörden das Bewusstsein über Kinderrechte „noch nicht angekommen ist“. Die Behörde müsste sich vor Augen führen, wie sich ihre Entscheidung konkret auf das Kindeswohl auswirkt, betonte Czech.

Ursula Liebing von der Salzburger Plattform für Menschenrechte bemerkt eine „Zuspitzung von Problemfällen“ seit der Bleiberechtsregelung von 2009.

Paradoxe Widersprüche

Menschen, die schon jahrelang in Österreich leben, deren Asylverfahren aber mit einem negativen Bescheid abgeschlossen wurden, können selbst einen Antrag auf Bleiberecht stellen: „Sie leben dann aber in einer paradoxen Situation: Sie sind aufgrund der Entscheidung im Asylverfahren illegal da. Aber um einen Bleiberechtsantrag zu stellen, müssen sie bleiben, ansonsten wird das Verfahren eingestellt.“

Die Grundrechtsfragen würden oft gar nicht zur Kenntnis genommen. „Die behördliche Praxis führt auch zu einem anderen Problem. Der Anspruch auf Grundversorgung erlischt, die Betroffenen sind auf private Spenden und Almosen angewiesen. Sie verlieren ihre Gewerbeberechtigung und ihre Wohnung, weil sie zu wenig Geld haben, und es droht eine Verwaltungsstrafe bis zu 1.000 Euro“, zeigte Liebing auf.

Hoffnungslosigkeit und Reformbedarf

Im Fall des 17-jährigen Schülers Geworg H. wäre seitens der Behörden „mehr Spielraum da, den die Politik aber nicht nutzt“, kritisierte Andrea Holz-Dahrenstaedt von der kija. Sie ortet bezüglich Bleiberecht und Kindeswohl dringenden Handlungsbedarf: „Es handelt sich um eine der größten kinderrechtlichen Baustellen, auch im Bundesland Salzburg“.

Für Schülervertreterin Mosler (17) und Geworgs Klassenkamerad Ludwig Sandtner (16) ist es unverständlich, dass ihr Mitschüler jetzt nicht mehr in die Schule gehen kann. „Er fühlt sich unerwünscht und merkt, es ist hoffnungslos. Er weiß nicht, was er mit seiner Zeit anfangen soll“, schilderte Mosler. Geworg kam mit seiner Familie 2006 nach Österreich.

Katastrophale Folgen für abgeschobene Jugend

Einer UNICEF-Studie über zwangsweise Abschiebungen von Kindern zufolge würden 70 Prozent der Kinder in keine Schule mehr gehen, Depressionen erleiden und von Armut betroffen sein, sagte Dahrenstaedt und wies daraufhin, dass Österreich auch Zuzug benötige." Sie verwies auf US-Präsident Barack Obama, der durchgesetzt habe, dass Immigranten ohne Papiere, die als Kinder in die USA kamen, nicht abgeschoben werden dürfen.

„Alte Fälle der Bürokratie legalisieren“

Dahrenstaedt forderte eine Legalisierung der Altfälle, „nach zwei oder drei Jahren, wenn sie sich nichts zu Schulden kommen haben lassen“. Für all jene, die länger als fünf Jahre im Land sind, sollte eine generelle Bleiberechtslösung gefunden werden. Man könne aber auch darüber streiten, ob mann mit drei Jahren das Auslangen findet, erklärte Czech: „Das Innenministerium muss die harte Linie aufweichen.“