Neues Buch: Lange Abschiede bei Alzheimer

Die Salzburger Kamerafrau Ulli Halmschlager hat ein neues Buch über Alzheimer und Demenz herausgebracht - mit dem gleichen Titel, den ihr Film von 2010 trägt: „Ilse, wo bist Du? Unsere Mutter hat Alzheimer“. Es wurde nun in Leipzig auf der Buchmesse vorgestellt.

Ulli Halmschlager Buch Ilse, wo bist du Leipzig

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Halmschlager bei ihrer Lesung auf der Leipziger Buchmesse

Ulli Halmschlager hat ein Tabuthema sensibel ins Gespräch gebracht - mit ihrem Film „Ilse wo bist Du? Unsere Mutter hat Alzheimer“ hat sie ein international vielbeachtetes Dokument über die Alzheimer-Erkrankung ihrer Mutter gedreht - auch der lange und auch schmerzvolle Abschied der Angehörigen wird darin thematisiert.

Film in Cannes preisgekrönt

2010 kam dieser Film heraus, der 2011 auch beim Filmfestival in Cannes ausgezeichnet wurde. Nun gibt es auch das gleichnamige Buch dazu. Ulli Halmschlager arbeitet seit vielen Jahren für den ORF - unter anderem auch für unsere regionale TV-Sendung „Salzburg heute“.

„Bravsein ist größte Behinderung im Leben“

Nicht wegzuschauen bei diesem Tabuthema: Das ist der Autorin, Kamerafrau und Filmemacherin ein tiefes Anliegen beim Umgang mit Alzheimer-Patienten:

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Ilse Halmschlager, Mutter der Autorin, bei einem Sonnenbad im Frühling. Die Frau war an Alzheimer erkrankt und verstarb daran. Ihre Tochter, ORF-Kamerafrau und Absolventin der Filmhochschule, begleitete den langen Abschied über Monate und Jahre mit der eigenen Filmkamera. Das Foto ist auch Titelbild des neuen Buches

„Du darfst Deine Brille tragen. Wir können unseren Blick verändern.“ Das ist ein Zitat aus ihrem in der bayerischen Edition Lichtland erschienen neuen Buch. Alzheimer solle man nicht nur als Problem oder als Belästigung sehen - sondern auch als eine Möglichkeit der Auseinandersetzung mit sich selbst.

Davon ist ist Ulrike Halmschlager überzeugt: „Wir verdrängen die eigene Wahrnehmung permanent, weil wir immer funktionieren und brav sein wollen. So hat die Entwicklung der eigenen Persönlichkeit nichts mit Egoismus zu tun sondern mit der Entwicklung von Wahrnehmung. Und das Bravsein ist die größte Behinderung im Leben.“

Sehr positives Echo in Leipzig

In der Kinobar „Prager Frühling“ in Leipzig wurde das Buch in Kombination mit dem Film „Ilse, wo bist Du? Unsere Mutter hat Alzheimer“ präsentiert. Halmschlager: „Alzheimer bedeutet Verdrängung und Ablenkung. Und es ist ein Phänomen unserer Zeit. Wir erfüllen im Alltag perfekte Rollen. Abweichungen sind in Lebensplänen moderner Menschen nicht vorgesehen. Veränderungen wie Alzheimer werden dadurch zum Störfall.“

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Lesung in Leipzig

Im Publikum von Leipzig saßen auch Menschen, die sich beruflich mit Alzheimer beschäftigen.

In Deutschland haben 1,3 Millionen Menschen diese Krankheit, sagt Kirsten Löser, Logopädin in Leipzig: „Auch im Film ist das sehr gut dargestellt - das Handauflegen, das Streicheln, das Beieinandersein. Auch das stimmliche Kommunizieren. Das sind ganz wichtige Wege.“

„Alzheimer lehrt uns das Fühlen“

Ulli Halmschlagers Erfahrungen mit Alzheimer: Patienten lehren uns das Fühlen; nicht nur das Mitfühlen. Auch bei der Lesung in der Halle 3 auf der Leipziger Buchmesse kam diese Botschaft an - auch bei Frauen, die sehr viel mit Büchern zu tun haben.

Irmgard Clausen von der Buchhandlung Riemann in Coburg (Franken, Bayern) ist beeindruckt von der Arbeit der Salzburgerin: „Es ist sehr unmittelbar gewesen. Auch der Film hat mich berührt. Ich bin sehr neugierig auf das Buch, und ich möchte, dass ganz viele Leute von diesem Buch erfahren. Sie erzählt darin etwas so Wahres, und es ist direkt in mein Herz geschrieben.“

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Ilse Halmschlager

Film- und Buch-Portrait einer Österreicherin

Durch die vielen Fotos ist das neue Buch „Ilse, wo bist Du?“ auch ein Zeitdokument einer Frau und Österreicherin im 20. Jahrhundert. Es ist aber auch eine Liebeserklärung an eine Mutter, wie Ulli Halmschlager bei der Lesung in Leipzig vermittelte:

„Ich hatte das Gefühl, dass meine Mutter noch bis zum Tod ihre Momente hatte, wo sie wahrgenommen hat - wo sie uns wahrgenommen hat. Sie hat unsere Stimmen erkannt, auch wenn sie es vielleicht nicht mehr ausdrücken konnte.“

Bibliografie des neuen Buches

Halmschlager, Ulrike: Ilse, wo bist du? Edition Lichtland. Freyung 2011. ISBN: 978-3-942509-13-8.

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