Experten rechnen mit Aus für Bettelverbot

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Bettler in Salzburg
In Salzburg ist nicht nur „aggressives Sammeln von Almosen“ - wie es im Amtsdeutsch heißt - untersagt wie in anderen Bundesländern. Denn jede Art von Betteln ist in Stadt und Land Salzburg derzeit verboten. Der Verfassungsgerichtshof will nun bis zum Herbst über eine Beschwerde entscheiden.
Das Bettelverbot müsse jedenfalls aufgehoben werden, hat Donnerstag der „Runde Tisch für Menschenrechte“ gefordert, ein Gremium von Experten der Stadt.
Lokalaugenschein in der Linzergasse

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Abgestellt und aus der Welt geschafft ist das Betteln in Salzburg jedenfalls durch das Verbot nicht, wie ein Lokalaugenschein des ORF Donnerstagmittag in der Linzergasse bei dieser betagten Frau zeigte.
Möglicher Verstoß gegen Grund- und Freiheitsrechte
Reinhard Klaushofer, Mitglied des „Runden Tisches für Menschenrechte“ ist Professor für Verfassungsrecht an der Universität Salzburg.

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Reinhard Klaushofer, Universitätsprofessor, Jurist und Menschenrechtler
Der Fachmann hat eine klare Prognose für die Entscheidung des Verfassungsgerichts über das Salzburger Gesetz:
„Das Salzburger Bettelverbot ist ein absolutes Verbot. Wenn man sich das aus grundrechtlicher Betrachtung ansieht, dann ist mit großer Wahrscheinlichkeit davon auszugehen, dass es verfassungsrechtlich nicht standhalten wird.“
Klaushofer sieht grundlegende Freiheitsrechte vom Bettelverbot betroffen.
Aufdringliches Betteln, Freiheitsrechte?
ORF-Redakteur Michael Mair stellt Klaushofer die Frage, ob nicht auch Frauen ihre Freiheitsrechte beeinträchtigt sehen könnten, wenn Bettler aufdringlich auf Geld aus seien?
Der Universitätsprofessor sagt, das könne durchaus vorkommen: „Aber wenn in Freiheitsrechte anderer Menschen eingegriffen wird, dafür gibt es strafrechtliche Bestimmungen. Da gibt es das Sicherheitspolizeigesetz. Es gibt also schon Regelungen, die auf solche Dinge Bedacht nehmen. Ein Bettelverbot brauchen wir nicht.“
Was tun gegen Banden?
ORF-Redakteur Mair: „Man weiß, dass es auch Bettelbanden gibt, in denen Zustände herrschen, die auch gegen Menschenrechte verstoßen. Die Menschen werden gezwungen, das Geld abzuliefern. Und niemand weiß, wo das Geld landet. Teilweise wird auch Gewalt angewendet.“

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Runder Tisch für Menschenrechte in der Stadt Salzburg
Verteidigt Klaushofer da nicht etwas, was man als Menschenrechtler auch nicht verteidigen sollte?
Der Experte antwortet, das sei keineswegs eine Verteidigung solcher Zustände:
„Für diese Missstände gibt es strafrechtliche Bestimmungen über Menschenhandel und organisierte Kriminalität, wo die Kriminalpolizei direkt darauf zugreifen kann. Dazu trägt das Bettelverbot gar nichts bei. Das heißt, das würde hier gar nichts ändern.“
Bettelverbot: Auch andere Juristen rechnen mit Aus
Auch Spitzenjuristen des Landes Salzburg nehmen eher an, dass die strenge Salzburger Regelung fallen wird. Die ÖVP in der Stadt Salzburg fordert jedoch, das Totalverbot müsse in Kraft bleiben.
Links:
- Verletzungen der Menschenrechte im Visier (salzburg.ORF.at; 22.03.2012)
- „Wirkungslose Bettelverbote abschaffen“ (salzburg.ORF.at; 03.03.2012)
- Verletzungen der Menschenrechte im Visier (salzburg.ORF.at; 22.03.2012)
- Betteln: Internationale Konkurrenz für Arme (salzburg.ORF.at; 01.03.2012)