Vorratsdaten: Bald böses Erwachen der Bürger?

Noch regt sie in Österreich kaum jemanden auf: Das könnte sich ändern, wenn im April die EU-Richtlinie zur Vorratsdatenspeicherung umgesetzt wird. Kritiker sprechen von möglichen Verstößen gegen Menschenrechte durch den Staat.

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Mischt „Big Brother“ im Sinn von George Orwell künftig noch verstärkt mit?

Die Richtlinie soll offiziell den Terrorismus und die organisierte Kriminalität bekämpfen.

Doch sie schieße weit über solche Ziele hinaus, kritisiert der Salzburger Rechtswissenschafter Reinhard Klaushofer von der Universität, der auch in der zuständigen Kommission des Menschenrechtsbeirates sitzt. Andere Gegner der neuen Regelung befürchten sogar rechtlich einen neuen „Persilschein für Schnüffler“ in Amtsstuben - ohne Kontrolle durch Gerichte, die bisher bei allen Überwachungen von Bürgern und Ausländern vorgeschrieben war.

Offizielle Darstellungen

Man kann es sich vorstellen wie bei einem Brief. Was drin steht, das bleibe geheim, sagt man beim Staat bzw. seinen Überwachungsbehörden (offiziell). Was auf dem Kuvert drauf steht, das bleibe nicht geheim. Wer, wann, mit wem, wie lang telefoniert oder über E-Mail geschrieben hat: Das wurde bisher für versteckte Augen und Ohren nur kurze Zeit gespeichert. Jetzt sind diese Daten gleich ein halbes Jahr für diverse staatliche Einrichtungen lang verfügbar.

Vermutungen, Verdächtigungen, Gerüchte?

Aus diesen Daten lasse sich viel herauslesen oder (auch grundlos) hineininterpretieren, kritisiert Reinhard Klaushofer von der Universität Salzburg. Er sitzt auch in der Kommission des Menschrechtsbeirats: „Man stelle sich vor, dass man häufig mit einer Homosexuellen-Initiative telefoniert oder über E-Mail häufig Kontakt zu den Anonymen Alkoholikern hat - sei es rein beruflich oder privat. Solche Verkehrsdaten geben sehr stark Aufschluss über scheinbar persönliche Lebensbereiche.“

Überwachung in Österreich noch verschärft

Staatsanwälte und Polizisten können künftig auf Telefon- und Internet-Daten unbeschränkt und beliebig zugreifen, „wenn eine Person eine schwere Straftat begangen hat“.

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Wer kontrolliert künftig zum Beispiel einen Polizisten, der die Handy-Daten seiner Frau, Freundin studiert? Oder im privaten Auftrag völlig Unverdächtige auskundschaftet, die jemandem nicht zu Gesicht stehen?

So liest man es in der EU-Richtlinie zur Vorratsdaternspeicherung. Eine Kontrolle bzw. Freigabe solcher „Recherchen“ durch unabhängige Richter ist nicht mehr vorgesehen.

Persilschein für private Schnüffelei?

In Österreich geht man noch einen Schritt weiter: Da ist der Zugriff auch dann erlaubt, wenn eine Person „im Verdacht steht, in Zukunft ein schwere Straftat zu begehen“. Zur „Gefahrenabwehr“ lautet die Sprachregelung der Behörden.

Reinhard Klaushofer hält das für sehr problemtisch, vor allem wegen der Gefahr von falschen Verdächtigungen: „Wir kennen die Unschuldsvermutung. Sie wird nun umgedreht, wenn anlasslos die Daten aller Bürger gespeichert werden - ohne, dass es irgendeinen Vorwurf oder Verdacht einer Straftat gibt. Da wird das Kind mit dem Bad ausgeschüttet und letzendlich auch unsere Demokratie gefährdet.“

Bisher wehren sich wenige

Ein halbes Jahr Speicherung aller Daten - wie in der Richtlinie als Mindestmaß vorgesehen - sei außerdem zu lang, sagt Klaushofer.

Aber warum regt sich in der Bevölkerung eigentlich kaum Widerstand gegen die Vorratsdatenspeicherung? Klaushofer erklärt sich manche Sorglosigkeit so: „Man merkt es halt nicht, die Datenspeicherung tut nicht direkt weh.“

Österreich ist nun eines der letzten EU Länder, in denen die Richtlinie umgesetzt wird.