Tourismus: Bergretter vermissen Lawinen-Infos

Bergretter kritisieren, in Österreichs Tourismuswerbung gebe es zu wenig fundierte Information über alpine Gefahren, Lawinen und Notfallausrüstung. Mehr Engagement würde helfen, weniger Verletzte und Tote zu haben, sagt Estolf Müller, Chef der Salzburger Bergrettung.

Estolf Müller Bergretter Landesleiter der Bergrettung in Salzburg

Österreichischer Bergrettungsdienst

Estolf Müller

„Leider scheint die Tourismuswirtschaft daran nicht interessiert zu sein. Man glaubt, damit zahlende Gäste abzuschrecken. Aber gerade dieses Wochenende mit so vielen Einsätzen unserer ehrenamtlichen Bergretter beweist einmal mehr, dass man das Problem auch im ökonomischen Bereich nicht totschweigen kann“, sagt Müller.

Übersetzungen in viele Sprachen

Er schlägt neben erlebnispädagogischen Strategien für Kinder, Jugendliche und Erwachsene beispielsweise auch vor, Info-Blätter in Ski-Verleih-Geschäften, Hotels und Lift-Kassen nicht nur aufzulegen, sondern den Leuten in die Hand zu drücken.

Recherche im Netz - (Stand: 19. Februar 2012, 22.00 Uhr):

Auf der Website der Salzburger Land Tourismus Gesellschaft (SLT) - salzburgerland.com - waren auf den großflächigen Surf-Bereichen fast nur Tiefschnee-Szenen zu sehen. Ein eigener Bereich über Notfallausrüstung und Training für Abfahrten abseits gesicherter Pisten fand sich nirgendwo. Es gab keine Hinweise auf nicht-kommerzielle Programme für junge Freerider, die seit Jahren praktiziert werden - zum Beispiel von der Alpenvereinsjugend („risk & fun“).

Selbst beim Link „Skitouren“ wurde nur ein Führerbüchlein propagiert - keinerlei Infos sonst. Und beim Link „Freeriding“ kam der Surfer zu Angeboten eines kommerziellen „Package“-Anbieters. Links zu fachlich kompetenten Partnern wie staatlich geprüften Berg- und Skiführern, staatlich geprüften Ski- und Snowboardlehrern, Alpenverein oder Naturfreunden fehlten ebenso. Nur über die Website-Suchfunktion der SLT und den Begriff „Bergrettung“ kam man zu „Notdiensten“, wo neben Feuerwehr, anderen Einsatzkräften und Spitälern die Salzburger Bergrettung verlinkt ist. Über die Sitemap gelangte man nicht zu diesem Bereich.

Ähnliches ist auch auf Websites anderer Bundesländer-Werber und bei der Österreich Werbung zu beobachten.

Via iPods könne ebenso informiert werden wie mit ansprechenden Videos über Lawinen und Lawinenwarnstufen. Müller sieht sogar eine Marktlücke, weil spannende Angebote sehr wohl auch ein interessiertes Publikum finden würden, das sich mit Naturgefahren, Schnee, Wind und Wetter gern auseinandersetze.

Auch Seilbahngondeln seien für Audio-Informationen über Gefahren und Reize in den Bergen geeignet, so der Bergretter: „Informationen müssten natürlich in alle relevanten Sprachen übersetzt werden, sonst erreicht man viele in den Bergen besonders unerfahrene Gäste nicht. Aber allein die Übersetzungen übersteigen die Finanzkraft der ausschließlich aus Freiwilligen bestehenden Bergrettung.“

Vernachlässigt Tourismus eine Pflicht?

Müller betont, auch aufzuklären sei eine Pflicht des Tourismus: „Uns geht es nicht um Angstmache, wie Vertreter der Tourismuswirtschaft immer wieder sagen. Im Gegenteil, Aufklärung gibt den Urlaubern das Gefühl, dass man sich um ihre Sicherheit kümmert. Die unvermeidbaren Negativschlagzeilen über Lawinenopfer sind für mich jedenfalls viel schlimmer,“ so der Salzburger Bergretter.

Er erneuert die Bereitschaft der ehrenamtlichen Bergrettung, gemeinsam mit dem Tourismus Aufklärungs- und Informations-Kampagnen sowie Trainingsprogramme für Freerider und Variantenfahrer zu erarbeiten.

Besonders der Verband der staatlich geprüften Berg- und Skiführer und Ski- sowie Snowboardlehrer seien auch wichtige Partner, bei diesem Thema professionell einzusteigen, betont der ÖBRD-Landesleiter in Salzburg.

Sichtweise von SLT-Chef Bauernberger

Auf ähnliche Kritik hat Leo Bauernberger, Chef der Salzburger Land Tourismus Gesellschaft, schon vor einigen Tagen gegenüber den „Salzburger Nachrichten“ so reagiert:

„Ich kann das nicht nachvollziehen. Wenn ich mir anschaue, was wir in puncto Aufklärung alles tun, da kann man als Gast gar nicht daran vorbei.“ Allein im Image-Folder „Winterzeit im Salzburger Land“, der in einer Auflage von zwei Millionen Stück erscheint und an Gäste und auf Messen verteilt werde, sei den „Regeln für mehr Sicherheit“ ein ganzer Artikel gewidmet. Dazu kämen laufend Aktionstage für mehr Sicherheit in den Skigebieten, Skitourenlehrpfade oder neue Infostationen für Freerider, „die auf die aktuelle Situation und jede Gefahr abseits der Pisten aufmerksam machen“, sagt Bauernberger.

Touristiker und Hoteliers seien sehr wohl daran interessiert, dass der Gast wieder gesund nach Hause fahre. „Unfälle sind keine Werbung“, betont der SLT-Chef.

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