Die Sklaven der Nazis im Pinzgau

Die Geschichte von Zwangsarbeitern, die im Nationalsozialismus in den Salzburger Pinzgau deportiert wurden, kann man im neuen Buch des Historikers Alois Nußbaumer nachlesen. 7.000 Männer und Frauen - vorwiegend aus Osteuropa - mussten 1944 im Bezirk arbeiten.

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Edition Tandem

Zwangsarbeiter im Pinzgau bei Holzarbeiten: Bild auf dem Cover des neuen Buches.

Die meisten Arbeitssklaven und Sklavinnen der Nazis stammten aus der Ukraine und aus Polen.

Sie waren von „Wehrmacht“ und SS ins „Deutsche Reich“ und dessen „Ostmark“ Österreich als - im Jargon des Regimes so genannte - „Fremdarbeiter“ deportiert worden. Hier mussten sie die Arbeit der zum Angriffskrieg Hitlers eingerückten und zwangsrekrutierten Bauern und Knechte verrichten. Von diesen kamen viele um.

Bisher wenig erforscht

Der junge Salzburger Historiker Alois Nußbaumer aus Maishofen (Pinzgau) hat über Jahre viel Pionierarbeit auf diesem Fachgebiet geleistet und Spuren gesichert. Die meisten Zeitzeugen sind mittlerweile verstorben oder hochbetagt. Es gibt auch Dokumente in verschiedenen Archiven.

Vielerorts in den Ostalpen:
Auch in anderen Bezirken Salzburgs und Österreichs waren viele Zwangsarbeiter aus Osteuropa - Männer und Frauen - auf Bauernhöfen eingesetzt.

Einer war der Pole Alois Kuchta aus der Region Zakopane, der 1945 in Bischofshofen (Pongau) von amerikanischen Truppen befreit wurde.

Alois Kuchta, ehemaliger Zwangsarbeiter der Nazis in Salzburg

Gerald Lehner / imschatten.org

Letztlich mit ein Sieger über Hitler: Der betagte Alois Kuchta auf einem Schießplatz in den USA, wo er 2005 eine neue Winchester testete. Er lebte dann bis zu seinem Tod im Bundesstaat Alaska. Die Erinnerungen des Goldsuchers und Lachsfischers flogen von dort viel schneller nach Salzburg als eine Boeing: „Gibt es diese schöne Alm im Tennengebirge noch?“, fragte er beim Besuch eines ORF-Reporters in den USA.

NS-Morde in Innsbruck
Nach Salzburg hatte man einst auch ihn zur Zwangsarbeit verschleppt. Kuchta wurde in Bischofshofen von der katholischen Bergbauernfamilie Rettenegger gut aufgenommen und beschützt. Einige Kollegen auf anderen Höfen wurden verhaftet und in einem Innsbrucker Lager der SS ermordet - wegen eines Unfalles, der als Sabotage ausgelegt wurde.

Im zeithistorischen Reiseführer „Im Schatten der Mozartkugel“ (Czernin Verlag) ist Kuchta ein Kapitel gewidmet: „Von der Tatra nach Salzburg und Alaska“ ...

Während die Geschichte der Zwangsarbeiter beim Kraftwerksbau in Kaprun mittlerweile vergleichsweise gut dokumentiert ist, war über jene Menschen, die den Pinzgauer Bauernhöfen zwangsweise zugeteilt waren, bislang wenig bekannt.

Auch im Pinzgau haben viele Zeitzeugen und ihre Nachkommen das Thema verdrängt, sagt Alois Nußbaumer. Er hat für sein Buch rund 30 Interviews mit Betroffenen geführt: „Ein einheimischer Interviewpartner hat mir gesagt, die Leute seien als Zwangsarbeiter oft gar nicht so wahrgenommen worden. Er sagte: `Die haben die gleiche Arbeit machen müssen wie wir Bauernsöhne. Und auch heute werden Zwangsarbeiter von vielen noch immer als Knechte und Mägde wahrgenommen.“

Christen halfen - trotz Verbotes

Überlebenschancen hatten vor allem jene, die gesund, körperlich und psychisch stark sowie arbeitswillig waren. Einzelne Zwangsarbeiter fügten sich besonders gut ein und blieben auch nach dem Krieg im Pinzgau.

Mancherorts wurden Arbeitskräfte von christlich motivierten Bergbauernfamilien nämlich gut behandelt; in Ausnahmefällen sogar wie Freunde oder Stiefkinder. Diese Familien bekamen dann selbst oft Probleme mit Behörden und Rädelsführern der Nationalsozialisten, die in ihrem Rassenwahn keinerlei „Verbrüderungen“ duldeten.

Standardwerk von Slupetzky/Dohle

Die Historiker Oskar Dohle - Leiter des Landesarchivs - und Nicole Slupetzky haben zum Thema Zwangsarbeiter in Salzburg ein Standardwerk verfasst, das auch für Nußbaumers Recherchen über den Pinzgau eine wissenschaftliche Grundlage bildet: „Arbeiter für den Endsieg. Zwangsarbeit im Reichsgau Salzburg 1939-1945“.

Menschen aus Galizien oder Teilen der Sowjetunion konnten nach Kriegsende zum Beispiel gar nicht mehr in ihre alte Heimat zurück, sagt Nußbaumer: „Es sind einige im Pinzgau geblieben. Sie waren auch gezwungen, dass sie sich nach dem Krieg irgendwie integrieren - auch mit den alten Nazis. Nach dem Krieg war es oft so, man wollte einfach vergessen, was sich zuvor abgespielt hat.“

„Displaced Persons“ neben KZ-Opfern

Viele „Fremdarbeiter“ der Alpenregion im Nationalsozialismus zählten nach 1945 auch zu Flüchtlingsgruppen der „Displaced Persons“ (DP), die sich nach den Kriegswirren im westlichen Ausland eine neue Heimat suchen mussten. Dazu zählten neben ehemaligen Zwangsarbeitern auch Überlebende der Konzentrations- und Vernichtungslager. Einige wanderten nach Israel, Kanada und die USA aus. Die Salzburger Historikerin Susanne Rolinek hat darüber ebenfalls ein Buch geschrieben.

Bibliografie

  • Nußbaumer, Alois: „Fremdarbeiter“ im Pinzgau. Edition Tandem. 190 Seiten. 17 Euro. ISBN-10: 3902606746. ISBN-13: 978-3902606747.
  • Slupetzky, Nicole - Dohle, Oskar: Arbeiter für den Endsieg. Zwangsarbeit im Reichsgau Salzburg 1939-1945. Verlag Böhlau.
  • Rolinek, Susanne: Jüdische Lebenswelten 1945 – 1955. Flüchtlinge in der amerikanischen Zone Österreichs. Studienverlag Innsbruck.

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