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ORF.at/Dominique Hammer
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Chronik

Prozess um riesigen Online-Betrug vertagt

Beim Salzburger Landesgericht wird seit Donnerstagvormittag ein riesiger Online-Betrug aufgearbeitet. Es gibt laut Anklage 4.500 Opfer weltweit. Der Schaden könnte bis zu 200 Mio. Euro erreichen. Angeklagt sind Männer aus Bulgarien bzw. Israel. Der Prozess wurde Donnerstagabend auf Ende April vertagt.

Alle vier Angeklagten bekannten sich am Donnerstag nicht schuldig. Auf dem Programm der Verhandlung dieses Tages stand der Vortrag eines Oberstaatsanwaltes der WKStA aus Wien und die Gegenäußerungen der Verteidiger. Der Prozess wurde anschließend auf 25. und 27. April vertagt.

Scheinfirmen und Scheinrechnungen

Der Hauptbeschuldigte in dem Prozess ist ein 43-jähriger Israeli. Er soll eine Manipulationssoftware für den Cybertradingbetrug entwickelt und verwaltet haben. Der Zweitangeklagte, ein 46-jähriger Israeli, sei seine rechte Hand gewesen, heißt es in der Anklage. Die Drittangeklagte, eine 39-jährige Bulgarin, soll die Verantwortliche für die Finanzen gewesen sein und das erschwindelte Geld über Scheinfirmen mit Scheinrechnungen den Tätern überwiesen haben.

Harte Vorwürfe der Anklage

Diesen drei Beschuldigten, die derzeit als Konsulter beziehungsweise Manager tätig sind, wird gewerbsmäßig schwerer Betrug und Geldwäscherei angelastet. Der Viertangeklagte, ein 51-jähriger Bulgare, soll sich an dem Betrug beteiligt haben, in dem er unter anderem Mitarbeiter für die Manipulationssoftware geschult habe. Geldwäscherei wird ihm nicht vorgeworfen. Die Angeklagten hätten mit dem Geld der Opfer „hervorragend verdient“, erklärte der Oberstaatsanwalt.

„Geld war von Anfang an verloren“

Den Anlegern wurden laut WKStA mit Investitionen etwa in Aktien, Bitcoins, binäre Optionen oder in Rohstoffe wie Gold sehr hohe Renditen versprochen. „In Wahrheit war alles Täuschung, Lug und Betrug. Das Geld war von Anfang an verloren.“ Mittäter, die sich als Broker mit Sitz in London ausgaben, saßen tatsächlich in Callcentern am Balkan in Osteuropa.

Die Broker hätten mit der speziellen Software jeden Trade beliebig manipulieren können, sagte der Staatsanwalt. Forderten die Kunden eine Auszahlung ihres fiktiven Guthabens an, sei ihnen mitgeteilt worden, dass sie einen Totalverlust erlitten hätten. Die betrügerischen Machenschaften sollen über Jahre bis 2019 gelaufen sein.

„Opfer über Fake-Websites angelockt“

Gelockt wurden die Opfer laut Anklage über echt aussehende „Fake-Webseiten“ im Internet. Prominente Persönlichkeiten verrieten darin, „wie man schnell reich werden kann“, schilderte der Staatsanwalt. „Diese Fake-Werbung stammt von dem internationalen Betrügernetzwerk.“ Mit einem Klick sei das potenzielle Opfer auf die betrügerische Webseite geleitet worden. „Die Falle war zugeschnappt.“

Die Anleger seien auf großteils nicht lizenzierten Online-Anlageplattformen, sogenannten „Brands“, zur Registrierung und zur Zahlung eines Startbetrages von „nur“ 250 Euro animiert worden. Danach erhielten sie einen Anruf von einem Broker. Diese Agenten, die in den Callcenter saßen, sprachen sehr gutes Deutsch. Sie verleiteten die Kunden zu immer größeren Investitionen und täuschten über die ausgeklügelte Manipulationssoftware einen tatsächlichen Handel vor, so der Vorwurf. Das investierte Gelder der Opfer soll aber in Wirklichkeit auf Konten von Scheinfirmen gelandet sein.

Verteidiger: „Beschuldigte nicht involviert“

Der Verteidiger des Hauptbeschuldigten, der Wiener Rechtsanwalt Oliver Scherbaum, erklärte, die Software „Tradologic“ habe seit 2010 existiert und sei bei internationalen Messen ausgezeichnet worden. Es habe mehr als 50 Vertragspartner gegeben, davon seien nur wenige mit Betrugsvorwürfen konfrontiert worden. Die Software habe mit den betrügerischen Anrufen nichts zu tun. Welche binären Optionen angeboten wurden, habe der „Brand“ bestimmt und nicht die Software. Die Software habe nichts mit betrügerischen Handlungen zu tun.

Zudem hätten die Angeklagten zu den Endkunden keinen Kontakt gehabt, sondern nur die Personen im Callcenter, sagte der Verteidiger. Die Beschuldigten „haben Dienstleistungen für Brands erbracht. Sie waren nicht in das operative Geschäft von Brands involviert“. Der Erstangeklagte sei zudem weder Betreiber noch Mitbetreiber von Brands gewesen.

Einige Broker sind bereits in Deutschland und Österreich verurteilt worden, erklärte der Oberstaatsanwalt. Ebenfalls bereits verurteilt wurde der Betreiber einer Online-Plattform. Der Prozess gegen den in Trading-Kreisen als „Wolf aus Sofia“ bekannten Gal B. hat im Herbst 2020 am Wiener Landesgericht mit einem rechtskräftigen Urteil von vier Jahren unbedingter Haft geendet. Schwerer gewerbsmäßiger Betrug mit manipulierten Handelsplattformen sowie Geldwäsche lauteten die Vorwürfe, die sich gegen den „Wolf von Sofia“ ergaben.

Es soll noch weitere Hintermänner geben

Bei dem umfangreichen Ermittlungsverfahren unter der Aufsicht der WKStA kristallisierten sich weitere Hintermänner heraus. So ist auch der Gründer der manipulierbaren Software „Tradologic“ in den Fokus der Ermittlungen geraten. Die Software soll auf den Online-Betrugsplattformen mit den Namen Option888, Optionstars oder SpearTrader zum Einsatz gekommen sein. Das Bundeskriminalamt sieht in dem Mann den Schöpfer eines „digitalen Ökosystems“ bestehend aus Trading-Software, professionell wirkende Broker-Webseiten, Callcentern, Zahlungsdienstleistern samt Geldwäschenetzwerk.