Vor ein paar Tagen ist im Gasteiner Nassfeld (Sportgastein) vom 3.122 Meter hohen Schareck eine riesige Staublawine abgegangen. Ihre Schnee- und Luftmassen überspülten die gesamte Ostflanke des Massivs, wo sonst Skibergsteiger oder Freerider unterwegs sind, die vom Gletscher-Skizirkus „Mölltaler Gletscher“ auf die Gasteiner Seite herunterfahren. Auf dem Talboden erreichte der Lawinenschnee noch einige Schleifen der Langlaufloipe.
Das ganze Hochtal von Sportgastein und die Zufahrt über die Gasteiner Alpenstraße von Böckstein her waren schon seit Freitag vorsorglich gesperrt worden. Es gab keine Personen- und keine Sachschäden. Mittlerweile ist das Gebiet wieder normal für alle Wintertouristen, Skifahrer und Spaziergänger geöffnet und die Gefahr gebannt.
Staublawine: Luft-Schnee-Orkan mit 300 km/h
„Staublawinen sind die Ferraris unter den Lawinen“, sagt der Salzburger Landesgeologe Gerald Valentin, der im Nebenberuf auch staatlich geprüfter Berg- und Skiführer ist: „Sie können Geschwindigkeiten von 300 km/h erreichen. Dabei reiben sich nicht die Schneekristalle aneinander wie beim klassischen Schneebrett. Die Kristalle vermischen sich mit Luft. Und dadurch verringert sich die Reibung extrem. Staublawinen sind die Folge von wirklich starken Schneefällen in kurzer Zeit und erzeugen gefährliche Druckwellen.“
Ostflanke des Scharecks am Dienstagmorgen:
Drei Kilometer lang, 1.500 Meter Absturzhöhe
Was auf den Fotos nach dem Abgang in Sportgastein noch relativ „harmlos“ aussieht, deute dennoch auf eine Größe hin, die manche als Monsterlawine bezeichnen, sagt der Experte Valentin.
Ein Großteil der Energie kann sich in einem solchen Schnee-Luft-Gemisch in Bewegungsenergie bzw. Geschwindigkeit umwandeln und eine starke Druckwelle erzeugen: „So legen Staublawinen in kürzester Zeit auch lange Strecken zurück, können großflächig und sehr zerstörerisch für Menschen, Gebäude und Wälder sein.“ Die Länge dieser Lawine vom Schareck betrage ca. drei Kilometer: „Dabei überwanden die Schneemassen etwa 1.500 Höhenmeter vom Gipfelbereich herunter. Bei dieser Geschwindigkeit ist der ganze Prozess schon nach knapp einer Minute vorbei."
Ganze Dörfer ausgelöscht
Im schlimmsten Fall würde dann schnell Totenruhe herrschen. Wer von einer Staublawine getroffen wird, kann auch durch die Druckwelle weit davongeschleudert und getötet werden – neben der Verschüttungsgefahr und Höhen des Lawinenkegels von mehreren Metern – zu sehen beispielsweise bei der Katastrophe von Galtür. Im Gasteiner Kötschachtal wurde 1951 ein Bauernhof samt Bewohnern und Vieh durch eine Staublawine ausgelöscht.
Bei dieser vor ein paar Tagen gab es keine Schäden:
Amateurvideo: Staublawine bei Rauris vor ein paar Tagen
Schneebretter sind träger, entstehen anders
Im Gegensatz zur Staublawine auf dem Gasteiner Schareck gehe es bei der großen Lawine auf dem Dachstein auf der oberösterreichischen Seite des Hauptgipfels derzeit um andere Zusammenhänge, schildert Gerald Valentin:
„An der mehrere Meter hohen und scharfen Anrisskante erkennt man auch die Entstehung dieses Mega-Schneebrettes. Bei den starken Niederschlägen der letzten Tagen und Wochen wurden von Nordwesten her die Schneemassen über den Gipfel in dieses windarme Kar am obersten Rand des Hallstätter Gletschers geblasen und abgelagert.“
Dachstein, aktuelle Fotos:
Valentin verweist auf den meterhohen, so genannten Triebschnee, der hier im Spiel sei: „Der hat sich bei der Ablagerung zu einer blockartigen Masse verbunden und dann durch Überbelastung schlagartig die Stabilität verloren. Er ist dann an einer markanten Gleitschicht abgeglitten. Das sind ältere Schichten, die dann wie eine schiefe Ebene wirken.“
Wind ist Baumeister der Schneebretter
Im Vergleich zur Staublawine sei ein Schneebrett viel träger: „Es fehlt die Leichtigkeit. Bei dieser Lawine auf dem Dachstein waren rund 300.000 Kubikmeter Schnee in Bewegung. Die sind dann relativ schnell im flacheren Teil des Gletschers zum Stillstand gekommen.“
Was harmloser klingt, sei in der Praxis ebenso lebensgefährlich: „Es reicht im Grunde eine Badewanne voll Schnee, um einen Menschen zu töten, wenn er sich nicht mehr selbst befreien kann. Ein riesiges Schneebrett wie auf dem Dachstein könnte viele töten. Gottseidank war an diesem Tag hier niemand unterwegs.“
Weitere aktuelle Eindrücke aus der Region:
Immer wieder vorsorgliche Suchaktionen
Dienstagnachmittag hat es einen weiteren Lawineneinsatz der Salzburger Bergrettung gegeben – dieses Mal in Wagrain (Pongau). Man suchte auch hier wieder vorsorglich – wie zuvor schon im Lungau und an anderen Orten. Das Großaufgebot der Einsatzkräfte konnte gegen Abend nach Hause zurückkehren.
Es gab keine Verschütteten. Die Lawine in Wagrain war ein klassisches Schneebrett, das im freien Gelände in der Nähe der gesicherten Pisten abging:
Dieses Brett war in Vergleich zu dem Exemplar auf dem Dachstein sehr „klein“, wäre aber dennoch sehr gefährlich gewesen – wenn Snowboarder oder Skifahrer verschüttet worden wären. Zuerst deutete einiges darauf hin. Deshalb wurden auch die ehrenamtlichen und hauptberuflichen Helfer alarmiert – von Bergrettung, Alpin- und Flugpolizei und privaten Betreibern von Rettungshubschraubern.