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Wirtschaft

Energiepreise: Wettbewerbs-Prüfung gefordert

Die noch immer extremen Preise für Gas und Strom sollten endlich von Wettbewerbshütern überprüft werden. Das fordert der Ex-Leiter der Bundeswettbewerbsbehörde (BWB), der Salzburger Theo Thanner. Großhandelspreise seien in den letzten Monaten stark gesunken, die Konzerne hätten darauf nicht reagiert.

Die Großhandelspreise für Gas und Strom liegen derzeit wieder auf dem Niveau vor dem Ukraine-Krieg. Die Konsumenten merken davon aber nichts – im Gegenteil: Die Stromversorger haben mit Jahreswechsel ihre Strompreise deutlich erhöht. Die Salzburg AG – die mit großer Mehrheit der Stadt und dem Land Salzburg gehört – verlangt ab heuer etwa rund 32 Cent pro Kilowattstunde statt wie davor 13 Cent.

Landesversorger bleibt bei mehr als doppeltem Preis

In Deutschland prüft das Bundeskartellamt jetzt schon, ob die Preiserhöhungen der Energieversorger gerechtfertigt sind, oder ob die Energieversorger im Schatten des staatlichen Strompreisdeckels mit überzogenen Preissprüngen Kasse machen. Auch in Österreich sollte es eine solche Prüfung geben, sagt Thanner: „Das ist sicher ein sehr guter Gedanke, was die deutschen Kollegen hier machen. Ich denke, hier ist Europa und hier sind die nationalen Institutionen gefordert, sich hier dieses Verhältnis und die allfälligen Auswirkungen auf den Preis genau anzusehen.“

Großhandelspreise im Sinkflug

Denn die Energiepreise an den Großhandelsmärkten sind zuletzt deutlich gesunken. Wegen der aktuell milden Temperaturen ist der Gasverbrauch vergleichsweise niedrig, die Gasspeicher sind zu über 80 Prozent gefüllt. Die Megawattstunde Gas kostet daher an den Energiebörsen in den Niederlanden etwa wieder soviel wie im Februar des Vorjahres vor dem russischen Überfall auf die Ukraine.

Ähnlich ist das Bild beim Strompreis an der Leipziger Strombörse. Hier war zuletzt mehr Strom aus Windkraft, aber auch aus den französischen Atomkraftwerken auf dem Markt, wodurch der Großhandelspreis gesunken ist.

Senkungen kommen erst nach Monaten an

Bei den Verbrauchern werden die sinkenden Preise aber laut Experten erst in ein paar Monaten ankommen. Denn die derzeitig hohen Preise seien der Beschaffung der Energieunternehmen in den vergangenen Monaten geschuldet.

Aktuell erfolgt die Strompreisbildung ja nach dem sogenannten Merit-Order-Prinzip. Das bedeutet, dass das letzte und damit teuerste Strom-Kraftwerk – also meist eines, das mit Gas betrieben wird – den Strompreis festlegt: „Offensichtlich gibt es keine Rechtsgrundlage für Merit Order. Ich habe mir die europäischen Rechtsgrundlagen im Energiesektor angesehen. Da gibt es nicht einmal den Begriff ‚Merit Order‘. Und auch national ist hier nichts zu finden. Das bedeutet, dass es hier offensichtlich um Vereinbarungen zwischen Unternehmen geht. Und das kann wettbewerblich von Relevanz sein.“ Daher gibt es auch bereits mehrere Klagen gegen diverse Energieunternehmen aufgrund der Preisbildung.

„Rockets and Feathers“-Effekt bei Preisen

Laut dem ehemaligen Leiter der Bundeswettbewerbsbehörde könnte bei den aktuellen Energiepreise aber noch etwas anderes mitschwingen: „Solche Phänomene hat es schon in der Vergangenheit gegeben. Als Beispiel will ich die Spritpreise anführen, wo es auch börsenotierte Preise sind, nach denen sich die Tankstellen gerichtet haben“, sagt Thanner. "Da war es so, dass Preissteigerungen innerhalb von drei Tagen an die Konsumenten weitergegeben wurden. Bei Preissenkungen hat’s aber über einen Monat gedauert, bis die beim Konsumenten angekommen sind. Das ist ein Phänomen, das in der Fachwelt als „Rockets and Feathers"-System beschrieben wird: Die Preise steigen wie die Raketen für den Konsumenten und sinken dann ganz langsam wie eine Feder wieder herunter.“