Peter Handke
APA/Georg Hochmuth
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Kultur

Poet Peter Handke ist heute 80

Acht Jahre hat Österreichs Literatur-Nobelpreisträger Peter Handke auf dem Mönchsberg in der Stadt Salzburg gewohnt – von 1979 bis 1987. Heute feiert der Romancier, Dichter, Poet und Übersetzer seinen 80. Geburtstag. Er lebt nun schon mehr als drei Jahrzehnte in Frankreich – bei Paris und in der Picardie.

Handkes Jahre in Salzburg waren auch die Schulzeit seiner Tochter Amina, die damals das Akademische Gymnasium besuchte. Nach deren Matura verließ Handke die Stadt wieder und zog drei Jahre durch die Welt.

Handke in Radio Salzburg über seinen Abschied

Das Fortgehen vom Haus auf dem Mönchsberg im Jahr beschrieb der Literatur-Star im Jahr 1987 in ORF Radio Salzburg so: „Ich weiß es selbst nicht, was es ist. Ein Abschied kann es ja nicht sein. Weil ich mich ja doch in die Landschaft eingeschrieben habe – oder einerzählt habe. Aber ein Weggehen und ein Aufbruch ist es auch. Das muss es sein. Es hat sich vieles in mir erschöpft und ist in diesem Land nicht weitergekommen.“

Eigenes Buch aus Salzburger Tagebüchern

Trotz seiner mittlerweile langen Lebenszeit in Frankreich hat der Schriftsteller noch viele persönliche Verbindungen zu Salzburg. Hier lebt auch Jochen Jung, der etliche Handke-Bücher als Lektor und als Verleger betreut hat: „Er bedeutet mir sehr viel – und auch als Leser sehr viel. Und auch im vollständigen Sinn, als jemand, der Texte nicht nur kontrollierend zur Kenntnis nimmt und da und dort ein Komma hineinsetzt, weil es fehlt. Sondern weil mich diese Literatur auch anspricht und mich persönlich meint.“

In Salzburg hat Peter Handke unter anderem Journale geschrieben – seine Tagebuchaufzeichnungen, von denen ausgewählte unter dem Titel „Am Felsfester morgens“ im Residenz Verlag erschienen sind.

Was sollten junge Einsteiger lesen?

Ein Salzburger Literaturwissenschafter gibt Lese-Tipps und analysiert Handkes Literatur zu dessen 65. Geburtstag (2007) – und er verteidigt ihn gegen politische und mediale Kritiker:

Steile Karriere seit den 1960ern

Peter Handke wurde am 6. Dezember 1942 in Griffen geboren, einem Kärntner Bergdorf, dem er bis heute verbunden ist. Dass der aus Berlin stammende Ehemann seiner slowenischsprachigen Mutter in Wahrheit sein Stiefvater war und ein verheirateter deutscher Sparkassenangestellter, der um vieles älter war als die Mutter, sein leiblicher Vater – das erfuhr Handke erst im Alter von 18 Jahren.

Hans Widrich
ORF/Franz Grießner
Der Salzburger Hans Widrich beherbergte seinen Freund Handke in diesem Haus auf dem Mönchsberg acht Jahre lang

Wegbereiter der österreichischen Moderne

Nach Besuch des katholischen Internats in Tanzenberg und des Gymnasiums in Klagenfurt studierte er ab 1961 in Graz Rechtswissenschaften. Während dieser Zeit fand er Anschluss an die Schriftsteller des „Forum Stadtpark“.

Erste Publikationen in der Zeitschrift „manuskripte“ und erste Lesungen im Radio waren ein hoffnungsvoller Beginn. 1965 gelang es Freunden wie Alfred Kolleritsch, für Handkes Debütroman „Die Hornissen“ den renommierten Suhrkamp Verlag zu interessieren, wo das Buch im Frühjahr 1966 erschien. Handke brach sein Jusstudium ab und lebte fortan als freier Schriftsteller. Sein Stern im Literaturbetrieb ging kometengleich auf, als der nahezu unbekannte Jungautor im April 1966 der Gruppe 47 bei einer Tagung in Princeton in einer erregten Schmährede „Beschreibungsimpotenz“ vorwarf. Seinen plötzlichen Ruhm festigte die Uraufführung der „Publikumsbeschimpfung“ wenige Monate später durch Claus Peymann in Frankfurt.

Wie der Poet Jim Morrison ein Aufrührer

Handke war in jungen Jahren ein „Popstar“, ein Enfant terrible, ein Aufrührer. Seine experimentellen Stücke sorgten für erregte Debatten, Titel wie „Die Angst des Tormanns beim Elfmeter“ (1969) oder „Wunschloses Unglück“ (1972) wurden zur Kultlektüre einer oder zweier Schüler- und Studentengenerationen.

Libgart Schwarz und Sophie Semin

Nach Handkes Heirat mit Schauspielerin Libgart Schwarz (1967) war der Autor zeitweise Alleinerzieher der 1969 geborenen Tochter Amina. Paris wurde für einige Jahre ständiger Wohnsitz, danach – 1979 bis 1987 – Salzburg.

Seit 1990 ist die französische Schauspielerin Sophie Semin die Lebensgefährtin des vielfach Ausgezeichneten und mehrfachen Ehrendoktors (u.a. der Unis Klagenfurt und Salzburg), ihre gemeinsame Tochter Leocadie wurde 1991 geboren.

Peter Handke
APA/Barbara Gindl

„Es lebe das Zwecklose“

Seit mehr als drei Jahrzehnten lebt Peter Handke nun in Frankreich, wo er zu seinem Domizil im Pariser Vorort Chaville vor einigen Jahren auch ein einsames Haus in der Picardie erworben hat. Die Reise von hier nach dort ist in seinem Roman „Die Obstdiebin“ (dessen Manuskript jüngst die Österreichische Nationalbibliothek erworben hat) nachzulesen, der mit einem geradezu idyllischen Familienfest samt Festrede des an sich eigenbrötlerischen Vaters schließt. „Es lebe das Zwecklose – es muß nur praktiziert werden. Unsinniges machen und sehen, was dabei herauskommt.“ Zu den über 11.400 Seiten der vom Suhrkamp Verlag herausgegebenen „Handke Bibliothek“ kommt jedes Jahr einiges dazu, etwa „Das zweite Schwert. Eine Maigeschichte“ (2020), „Mein Tag im anderen Land – Eine Dämonengeschichte“ (2021), der Journalband „Innere Dialoge an den Rändern. 2016-2021“, „Die Zeit und die Räume. Notizbuch. 24. April – 26. August 1978“ und „Zwiegespräch“ (alle 2022).

Nestroy-Preis für sein Lebenswerk

Neben der Prosa, seiner vielfältigen Übersetzertätigkeit und vier eigenen Filmen (u.a. „Die linkshändige Frau“ und „Die Abwesenheit“) ist es vor allem das Theater, das Handke stets begleitet hat. Dort verfolgte man seinen Weg von der Sprachlosigkeit („Kaspar“, 1968) zurück in die Sprachlosigkeit („Die Stunde da wir nichts voneinander wußten“, 1992) und weiter zu den Versuchen, seine Kritiker sprachlos zu machen („Die Fahrt im Einbaum“, 1999) stets mit Interesse. Für „Immer noch Sturm“ erhielt Handke den Mülheimer Dramatikerpreis 2012. 2018 wurde er mit dem Nestroy-Preis für sein Lebenswerk geehrt.

Interview über das Schreiben

und seine neue Heimat Frankreich:

Wie herausfordernd weiterhin Handkes Stücke sind, bewies seine szenische Erinnerung an „Zdenek Adamec“, jenen 18-jährigen Tschechen, der sich 2003 auf dem Prager Wenzelsplatz verbrannte: Ein Jahr nach der braven Uraufführung durch Friederike Heller bei den Salzburger Festspielen rockte Altstar Frank Castorf mit dem Stück das Burgtheater. Peter Handke hat sich also auch einen Platz in der Theatergeschichte gesichert. Und die Geschichte geht weiter: Schon am Donnerstag werden seine „Zwiegespräche“ im Akademietheater uraufgeführt.

Debatten um pro-serbische Positionen

Sein eigensinniger literarischer Weg, der die Sprache, die Wahrnehmung und das Erzählen selbst in den Mittelpunkt stellte, wurde von der Fachwelt und der Kritik über Jahrzehnte mit großer Aufmerksamkeit verfolgt („Mein Jahr in der Niemandsbucht“, „Der Bildverlust“ u.v.a.), erreichte nach den großen Erfolgen zu Beginn der Karriere nicht mehr so breite Leserkreise.

In Kontrast dazu standen die Aufregungen, die Handke, dessen Auseinandersetzung mit den eigenen slowenischen Wurzeln in seinem Stück „Immer noch Sturm“ (2011) kulminierte, mit seiner pro-serbische Position in den Konflikten am Balkan und der scharfen Ablehnung der westlichen Haltung verursachte. 1996 sorgte sein Reisebericht „Eine winterliche Reise zu den Flüssen Donau, Save, Morawa und Drina oder Gerechtigkeit für Serbien“ für heftige Debatten, zehn Jahre später seine Rede bei der Beerdigung von Slobodan Milosevic.

Der Salzburger Germanist Hans Höller betonte zu Handkes 65. Geburtstag vor 15 Jahren, dem Schriftsteller sei in vielen Medien in skandalöser Weise unterstellt worden, er würde den Völkermord serbischer Militärs an der muslimischen Minderheit in Srebrenica abstreiten. Das Gegenteil sei der Fall gewesen.

Nobelpreis als Segen und Fluch(t)

Der Nobelpreis 2019, den er „für ein einflussreiches Werk, das mit sprachlicher Genialität die Peripherie und die Spezifität der menschlichen Erfahrung erforscht“, erhielt, „war für Peter Handke ein Segen und ein Fluch zugleich.“

Er habe nicht nur die größte internationale Anerkennung und Auszeichnung seines Lebenswerks markiert, sondern bereits festgefahrene Haltungen des Protestes und der Apologie aus den Zeiten der postjugoslawischen Zerfallskriege etwa zwanzig Jahre zuvor erneuert, schrieben die Organisatoren eines Handke-Symposiums. Dieses wurde vergangene Woche von der Universität Wien ausgerichtet.

Auf Journalismus nicht gut zu sprechen

Der Tagungstitel zitierte einen berühmt gewordenen Spruch, mit dem Handke im heimatlichen Griffen eine Journalistin anblaffte, die ihm eine politische Frage gestellt hatte: „Ich bin ein Schriftsteller, komme von Tolstoi, ich komme von Homer, ich komme von Cervantes, lasst mich in Frieden und stellt mir nicht solche Fragen.“

Auch bei anderen Gelegenheiten machte Handke kein Geheimnis daraus, dass er manche Stile im heutigen Journalismus als zu belehrend, von oben herab moralisierend und ungebildet empfindet – und aus tiefster Seele ablehnt.