Schauspielleiterin der Salzburger Festspiele Marina Davydova
Salzburger Festspiele/Neumayr/Christian Leopold
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Kultur

Marina Davydova wird neue Festspiel-Schauspielchefin

Die kommende Schauspielchefin der Salzburger Festspiele steht fest: Die nach dem Angriff Russlands auf die Ukraine geflüchtete russische Theatermacherin Marina Davydova wird im Herbst 2023 Bettina Hering ablösen.

Hering verlässt das Festival nach sieben Jahren nach der Ausgabe 2023. Davydovas Vertrag beginnt am 1. Oktober 2023 und ist für drei Jahre abgeschlossen, so die Festspiele in einer Aussendung am Donnerstag. Auch der Vertrag von Intendant Hinterhäuser läuft derzeit bis 2026.

Die 1966 im aserbaidschanischen Baku geborene Exilrussin arbeitete bereits einmal mit Markus Hinterhäuser zusammen – 2016 ebenfalls als Schauspieldirektorin bei den Wiener Festwochen. Davydova war Theaterkritikerin, Chefredakteurin der Zeitschrift „Teatr.“, Kuratorin und Festivalleiterin. Mit ihrem Festival Neues Europäisches Theater (NET) war sie für den russischen Theaterboom der vergangenen 15 Jahre mitverantwortlich, dem Putins Politik ein Ende setzte.

Nach Petition gegen Krieg aus Russland geflohen

Davydova floh Anfang März aus Russland, nachdem sie unmittelbar nach dem Überfall auf die Ukraine eine Petition verfasst hatte, in der sie zum sofortigen Ende des Kriegs aufrief. Sie war telefonisch zunächst bedroht worden. Schließlich malte eine unbekannte Person ein „Z“, das Kampfzeichen der „militärischen Spezialoperation“, auf ihre Wohnungstür. Die prominente Theaterkritikerin und -kuratorin sah das als Warnung vor drohendem Unheil und floh.

Schauspielleiterin der Salzburger Festspiele Marina Davydova
Salzburger Festspiele/Neumayr/Christian Leopold
Marina Davydova wird ab 1. Oktober 2023 die Schauspielchefin der Salzburger Festspiele

Seither lebt Davydova in Berlin. Gegenwärtig arbeitet sie laut Aussendung an einem Stück namens „Land of No Return/Land ohne Wiederkehr“ für das Münchner Residenztheater und an einem Projekt mit dem Titel „The Museum of Uncounted Voices/Das Museum der ungezählten Stimmen“, einer Koproduktion des HAU Berlin und der Wiener Festwochen.

„Schwerpunkt weiter auf deutschsprachigem Repertoire“

„Der Schwerpunkt des Schauspiels der Salzburger Festspiele wird weiter auf deutschsprachigem Repertoire liegen, gleichwohl soll unter ihrer Leitung mit einer verstärkt internationalen Ausrichtung unserem hohen Besucheranteil aus insgesamt 76 Ländern Rechnung getragen werden“, wurde Hinterhäuser in der Aussendung zitiert. „Ich bin überzeugt, dass Marina Davydova mit ihren herausragenden fachlichen und menschlichen Qualitäten dem Schauspiel der Salzburger Festspiele starke neue Impulse verleihen wird.“

Sinn und Zweck der Kunst bleibe auch in Kriegszeiten, „das Leben in all seinen ontologischen, existenziellen und sozialen Aspekten zu ergründen“, so Davydova. „Als Leiterin des Schauspiels der Salzburger Festspiele wird mein Interessensschwerpunkt in erster Linie auf der Suche nach der Tiefe und Überzeugungskraft des Theaters und der Theaterarbeit liegen.“

Marina Davydova wird neue Festspiel-Schauspielchefin

Die kommende Schauspielchefin der Salzburger Festspiele steht fest: Die nach dem Angriff Russlands auf die Ukraine geflüchtete russische Theatermacherin Marina Davydova wird im Herbst 2023 Bettina Hering ablösen. Hering verlässt das Festival nach sieben Jahren nach der Ausgabe 2023.

Ende der 1980er schon einmal Heimat verloren

Für Davydova war es heuer bereits das zweite Mal, dass sie ihre Heimat verlor: Während die Tochter eines Armeniers und einer Russin am renommierten GITIS für Theaterkunst in Moskau studierte, brachen Ende der 1980er Jahre in Armenien und Aserbaidschan nationalistische Unruhen aus. Die elterliche Wohnung in Baku sei von Fremden besetzt worden, die Bibliothek und alle Andenken an die Familie wohl im Abfall gelandet, die Gräber der früh verstorbenen Eltern gemeinsam mit einem Friedhof auf barbarische Weise vernichtet worden, schrieb sie 2018 auf Facebook. Jahrzehntelang war sie zuvor nicht in ihrer Heimatstadt gewesen.

Nach dem Zerfall der Sowjetunion dissertierte Davydova 1992 in Moskau, als Theaterkritikerin unter anderem der Tageszeitungen „Wremja Nowostej“ und „Iswestija“ avancierte sie seit den späten 1990er Jahren zu einer maßgeblichen Chronistin des russischen Theaterbetriebs. Gemeinsam mit der nunmehrigen Intendantin des steirischen herbst, Ekaterina Degot, und der auch international erfolgreichen Autorin Marija Stepanowa gehörte sie zwischen 2008 und 2012 der Redaktion des Onlinemediums OpenSpace.ru an. Parallel leitete Davydova seit 2010 die traditionsreiche Theaterzeitschrift „Teatr.“ Die Printausgabe wurde im März 2022 aus politischen Gründen eingestellt.