Verbotsschild gegen Gewalt gegen Frauen
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Chronik

„Immer mehr häusliche Gewalt“

Seit Beginn der CoV-Lockdowns hätten Aggression und Gewalt in Familien stark zugenommen. Die Zahl der Betretungsverbote sei um mehr als die Hälfte gestiegen und bleibe hoch, heißt es bei Hilfsorganisationen.

Allein in der Stadt Salzburg seien heuer schon mehr als 300 Betretungsverbote verhängt worden.

Die Stadt Salzburg nahm die am 25. November beginnende weltweite Kampagne „16 Tage gegen Gewalt“ zum Anlass, um über ihre Projekte zu informieren. Fälle von häuslicher Gewalt seien seit den Lockdowns stark gestiegen, sagte Salzburgs Sozialstadträtin Anja Hagenauer (SPÖ).

Wegen des Sozialarbeitermangels gebe es ein Unterbringungsproblem von Kindern. Als letzter Ausweg müsste die Errichtung eines klassischen Kinderheimes angedacht werden. „Die Situation ist dramatisch. Ich habe wirklich Angst, im Jahr 2023 zu planen, so eine Einrichtung zu installieren, obwohl das eigentlich Landessache ist“, sagte Hagenauer am Dienstag bei einer Pressekonferenz.

„Zu wenig Druck für mehr Personal“

Derzeit werden von Gewalt betroffene Kinder bei Pflegefamilien oder in kleineren Einheiten wie Wohngemeinschaften untergebracht. Vor der CoV-Pandemie seien die Fachkräfte der Kinder- und Jugendhilfe zweimal in der Woche mit Gefährdungsabklärungen beschäftigt gewesen, um Kindesabnahmen vielleicht noch zu vermeiden und Kinder und Jugendliche in ihren Familien belassen zu können. „Jetzt rücken wir über dreimal in der Woche aus“, schilderte Hagenauer.

Was die ambulanten Maßnahmen betreffe, so betrage die Wartezeit bei der Kinder- und Jugendhilfe im Schnitt bereits ein Jahr. Die Sozialarbeiterinnen und Sozialarbeiter würden zumindest versuchen, einmal in der Woche mit der betroffenen Familie telefonisch Kontakt zu halten. In diesem Bereich werde viel zu wenig öffentlicher Druck für mehr Personal und eine bessere Bezahlung ausgeübt, kritisierte die Stadträtin.

In 50 Prozent der Fälle auch Kinder betroffen

Den Hauptgrund für die steigende innerfamiliäre Gewalt sieht das Kinderschutzzentrum der Stadt Salzburg in der CoV-Pandemie und den derzeit aktuellen Krisen. In 50 Prozent der Fälle von häuslicher Gewalt sind Kinder mitbetroffen.

Um 20 Prozent gestiegen sind Fälle von miterlebter Gewalt. Das Kinderschutzzentrum in der Stadt Salzburg betreut etwa 300 minderjährige Missbrauchs- und Gewaltopfer sowie weitere 300 Bezugspersonen. Rund 900 Kinder im Bundesland Salzburg leben in einem Haushalt, in dem häusliche Gewalt ein Thema ist.

Hohe Dunkelziffer

In der Stadt Salzburg wurden in diesem Jahr 307 Betretungs- und Annäherungsverbote ausgestellt. Bereits in den Jahren 2020 und 2021 war die Zahl der Fälle um mehr als 50 Prozent von 184 auf 255 gestiegen. Die Dunkelziffer ist hoch: Nur zehn Prozent der Fälle von Gewalt und Vergewaltigung werden angezeigt, gab Alexandra Schmidt vom Team Vielfalt zu bedenken.

Betroffen von Gewalt in allen Facetten – verbaler, psychischer und physischer – sind aber nicht nur Kinder und Frauen, sondern auch Seniorinnen und Senioren. Institutionelle und häusliche Gewalt gegen ältere Menschen sei immer noch ein großes Tabu, betonte Hagenauer.

„Auch viele ältere Menschen betroffen“

„Es ist unsere Aufgabe, Menschen, die sich nicht selbst helfen können, zu schützen.“ Sie verwies auf „haarsträubende Berichte“ der Seniorenhilfe. Es gebe viele Fälle, wo ältere Menschen tagsüber zu Hause eingesperrt würden, bis ein Familienmitglied am Abend ins Haus kommt.

Bei Verdachtsfällen von Gewalt sollte sich niemand scheuen, die Polizei zu rufen oder die Kinder- und Jugendhilfe oder die Seniorenberatung zu informieren, appellierte Hagenauer an die Gesellschaft. Das sei auch anonym möglich. „Besser einmal zu viel gemeldet als zu wenig.“

Fälle häuslicher Gewalt stark gestiegen

Seit Beginn der CoV-Pandemie haben Aggression und Gewalt in den Familien stark zugenommen. Die Zahl der Betretungsverbote ist seither um mehr als die Hälfte gestiegen.