Junger Mann sitzt an Tisch mit Beraterin (bei Beratung der Gewaltprävention) – gestellte Szene
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Soziales

Häusliche Gewalt: 700 Gefährder bei Pflicht-Beratung

Nach Anzeigen und Wegweisungen wegen häuslicher Gewalt müssen Gefährder seit knapp einem Jahr zur Pflicht-Beratung bei einer Gewaltpräventionsstelle. Heuer werden das alleine im Bundesland Salzburg über 700 Personen sein, erwartet die Beratungsstelle.

Seit September 2021 gibt es in Salzburg die Beratungsstelle für Gewaltprävention. Jeder, gegen den ein häusliches Betretungsverbot verhängt wurde, muss dort eine verpflichtende Beratung mit sechs Terminen absolvieren. Die Beratungsstelle wird von der Organisation „Jugend am Werk“ gemeinsam mit der Katholischen Aktion geführt. Über 90 Prozent der Gefährder sind Männer, mehr als die Hälfte von ihnen sind zwischen 30 und 50 Jahre alt.

Ziel: „Verantwortung für Verhalten übernehmen“

Heuer wurden bis dato rund 600 Erstberatungen durchgeführt. Bis Jahresende werden es über 700 sein, sagt Jugend-am-Werk-Geschäftsführer Uwe Höfferer: „Wir müssen einschätzen: Handelt es sich um einen Hochrisiko-Gefährder oder nicht? Wir konfrontieren den Gefährder mit seiner Tat. Es ist kein unübliches Verhalten, dass der Gefährder versucht, die Tat zu leugnen, herunterzuspielen oder die Schuld auf das Opfer zu übertragen. Aufgabe der Beraterinnen ist es, den Gefährder mit der Tat zu konfronierten, damit er die Verantwortung und die Konsequenzen für sein Verhalten übernimmt. Zum dritten versuchen wir, die sechs Stunden Beratung zu nutzen, um eine Verhaltensänderung einzuleiten – dass in Zukunft Probleme ohne Gewalt gelöst werden.“

Verbotsschild gegen Gewalt gegen Frauen
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Gewalt gegen Frauen gebe es „in jeder Gesellschaftsschicht“, beobachtet die Beratungsstelle

In drei Vierteln der Fälle geht es um Gewalt gegenüber Frauen, sagt die stellvertretende Projektleiterin Karin Eisl: „Gewalt gibt es in jeder Gesellschaftsschicht. Das ist eigentlich der durchschnittliche Mann.“ Wird die verpflichtende Beratung nicht absolviert, droht dem Gefährder entweder eine Geldstrafe bis zu 5.000 Euro oder eine sechswöchige Ersatzfreiheitstrafe.

Zahl der Betretungsverbote steigt

Die Zahl der Betretungsverbote und damit der Beratungen steigert sich stetig, die Gründe seien vielfältig, sagt Höfferer: „Die wirtschaftliche Lage wird sicher eine Rolle spielen – die Leute sind unter Druck, das wir mehr in der Familie ausgetragen. Es hat aber auch eine positive Seite – das finden wir gemeinsam mit den Opferschutzeinrichtungen: In Österreich wird Gewalt gegen Frauen viel sensibler betrachtet als noch vor wenigen Jahren.“

Zwischenbilanz nach einem Jahr Pflicht-Gewaltprävention

Zentrale Entscheidung über Fallkonferenzen gefordert

Verbesserungspotenzial gebe es allerdings, wenn es darum geht, die Risikoeinschätzung von Gewalttätern zu vereinheitlichen, sagt Höfferer: „Wir als Beratungsstelle sind offensiver geworden beim Beantragen von sicherheitspolizeilichen Fallkonferenzen. Da sitzen nämlich alle an einem Tisch und bringen alle ihre Gefährdungseinschätzung ein. Das hilft uns, die Wahrscheinlichkeit (einer neuerlichen Gewalttat – Anm.) zu reduzieren – wir können ja nur die Wahrscheinlichkeiten reduzieren. Deswegen wünschen wir uns auch ein zentrales Gremium für das Bundesland Salzburg, das über solche sicherheitspolizeilichen Fallkonferenzen entscheidet – so wie in Oberösterreich.“

Laut Innenministerium ist so ein zentrales Gremium bereits für alle Bundesländer in Planung.