Rollstuhl Pflege
ORF.at/Christian Öser
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Politik

Senecura-Heim: Volksanwalt-Kritik an Missständen

Schwere Vorwürfe erhebt die Volksanwaltschaft gegen ein Seniorenheim des Privatbetreibers Senecura in Salzburg-Lehen. Das Land Salzburg müsse besser kontrollieren, es gebe große Missstände. Auch die Staatsanwaltschaft ermittelt. Landessozialreferent Heinrich Schellhorn (Grüne) und Senecura verweisen auf Personalmangel.

Am 21. April gab es einen unangekündigten Besuch der Volksanwaltschaft in dem von dem privaten Träger geführten Pflegeheim. Volksanwalt Bernhard Achitz sagte im Ö1-Morgenjournal, es seien dort unterernährte Bewohnerinnen angetroffen worden: „Sie waren auch dehydriert, und die Wundversorgung war so mangelhaft, dass man es schon gerochen hat.“

Von Senecura betriebenes Seniorenheim in Salzburg Lehen von außen
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Im Senecura-Heim in Salzburg-Lehen stellte die Volksanwaltschaft bei einer Kontrolle im April schwere Pflegemängel fest

Pflegemängel bei nur mehr 42,5 Kilo schwerer Seniorin

Als „besonders dramatisch“ wurde über den Fall einer nur mehr 42,5 Kilo schweren Frau berichtet, die unter starken Schmerzen litt. Bei der Beobachtung eines Verbandswechsels wurde „ein massiver Dekubitus mit Beteiligung des Steißknochens und einer etwa zwei Hände großen Hauttasche freigelegt“. Vom Wundgeschehen sei bereits Fäulnisgeruch ausgegangen. Der Frau sei vor dem Verbandswechsel weder ein Schmerzmedikament angeboten, noch sei sie nach aktuellen Schmerzen gefragt worden. Es sei auch keine professionelle Reinigung der Wundränder erfolgt. Zudem sei aus der Pflegeaufzeichnung nicht hervorgegangen, wann der Dekubitus mit dem Arzt im Haus zuletzt besprochen worden sei. „Die Kommission stufte die Situation … als lebensbedrohlich ein und befürwortete einen sofortigen Transfer in eine Krankenanstalt. Wie die Kommission später erfuhr, verstarb Frau N.N. kurze Zeit nach dem Kommissionsbesuch.“

Generell beurteilte die Kommission das Ernährungs-, Schmerz-, Dekubitus- und Wundmanagement des Pflegeheims „in weiten Teilen mangelhaft“. „Auch der Umgang mit Mangel- bzw. Unterernährung zeigte pflegerische Defizite und dringenden Handlungsbedarf auf.“

Volksanwaltschaft kritisiert Mängel in Seniorenheim

Kritik an Untätigkeit der Kontrollstellen

Die Landesaufsicht habe zwar kontrolliert, sei aber damals nicht eingeschritten, kritisierte der Volksanwalt in dem Fall von Salzburg-Lehen. Das liege am Salzburger Gesetz, das keine Qualitätskontrolle vorsehe. Es seien zwar Dokumentationen kontrolliert worden, aber nicht die fehlende Wundbehandlung. Die Volksanwaltschaft forderte nun einheitliche Pflegestandards für alle Bundesländer.

Achitz verlangt, dass die Länder diese Standards künftig kontrollieren: „Und bei Unterschreitung ist dann sofort einzuschreiten.“ Um auf diese Kritik zu reagieren, haben Bund und Land Salzburg nun acht Wochen Zeit.

Betreiber: Reformprozess gestartet

Senecura bedaure den Pflegemangel, den es im vergangenen April gegeben habe. Das sagte Donnerstagvormittag eine Sprecherin des Heimbetreibers zur laufenden Diskussion. Sie begründet die Probleme mit dem allgemeinen Fachkräftemangel, langfristigen Krankenständen und Ausfällen beim Personal wegen CoV-Infektionen.

Senecura habe auf die Missstände rasch reagiert und im Frühsommer mit Stadt und Land Salzburg einen „Prozess der Reorganisation“ begonnen. Pflegepersonal aus anderen Häusern des Konzerns helfe in Salzburg-Lehen aus. Es seien neue Kräfte für die Leitung des Hauses und des Pflegedienstes eingestellt worden. Es würden auch einige Bewohner in andere Heime umgesiedelt.

Schellhorn verteidigt Vorgehen des Landes

Der in Salzburg zuständige Sozialreferent und Landeshauptmann-Stellvertreter Heinrich Schellhorn (Grüne) verteidigte das Vorgehen des Landes. Man nehme den Bericht der Volksanwaltschaft aber sehr ernst: „Die Heimaufsicht des Landes war nah dran. Es wurden Empfehlungen und verbindliche Vereinbarungen getroffen, um die Lage zu verbessern. Und es hat tatsächlich einen Personalmangel gegeben, der zu Qualitätsproblemen geführt hat. Das ist ganz eindeutig. Und mit der Trägerorganisation wurde ein Reorganisationsprozess vereinbart.“

Dabei habe man die Zahl der Bewohner reduziert, um den notwendigen Qualitätsstandard auch einhalten zu können, so Schellhorn. Die Stadt Salzburg nahm ab Juli neun Bewohnerinnen und Bewohner aus dem Senecura-Heim in ihren Einrichtungen auf.

Staatsanwaltschaft ermittelt

Laut „Salzburger Nachrichten“ ermittelt inzwischen in der Sache auch die Staatsanwaltschaft Salzburg – wegen des Verdachts auf „Quälen und Vernachlässigung unmündiger, jüngerer oder wehrloser Personen“ und wegen des Verdachts auf Körperverletzung.

Gewerkschaft: Personalmangel als „Ausrede“

Moderne Standards fordert neben der Volksanwaltschaft nun auch die Gewerkschaft GPA. Die „lange bekannten Probleme mit der Standardfloskel des Personalmangels abzutun ist unfair gegenüber dem Pflegepersonal“, sagte GPA-Landesgeschäftsführer Michael Huber. „Diese Ausrede scheint beim Betreiber dieser Einrichtungen schon System zu haben.“

Auch andere Pflegeheime hätten Personalprobleme, ergänzte Huber: „Aber dort steht der Mensch im Mittelpunkt und nicht Gewinne. Auch sind in anderen Pflegeheimen keine derart gravierenden Mängel bekannt. Wenn allein im Bundesland Salzburg in zwei von sechs Einrichtungen dieses privaten Betreibers Probleme gemeldet werden, dann sind die Ursachen an anderer Stelle zu suchen.“ Erst vor wenigen Wochen beschloss ja die Stadtgemeinde Radstadt (Pongau), den Vertrag mit Senecura zu lösen, nachdem Mängel im örtlichen Seniorenheim bekannt geworden waren – mehr dazu in Seniorenheim Radstadt: Vertragsauflösung beginnt (salzburg.ORF.at; 9.8.2022).

FPÖ fordert Schellhorn-Rücktritt, SPÖ will Protokolle

Die Salzburger FPÖ forderte am Donnerstag den Sozialreferenten zum Rücktritt auf: „Heinrich Schellhorn wird sich eingestehen müssen, in seiner Aufsichtsrolle als Pflege- und Soziallandesrat vollkommen versagt zu haben. Es ist angebracht, von einem katastrophalen Management zu sprechen“, begründete das FPÖ-Landeschefin Marlene Svazek.

Die Salzburger SPÖ übte ebenfalls heftige Kritik an Schellhorn: Der verweigere trotz Aufforderung durch Salzburgs Sozialstadträtin Anja Hagenauer (SPÖ) bis heute den Einblick in die entsprechenden Protokolle der Heimaufsicht. Es müssten alle Protokolle der Landespflegeaufsicht offengelegt werden, verlangen die Sozialdemokraten. Für den Landesparteivorsitzenden David Egger ist zudem klar: „Der Fall Senecura bestätigt einmal mehr, dass das Pflegewesen in privater Hand nichts verloren hat. Jetzt sehen wir die dramatischen Folgen der Privatisierungen für die Bediensteten in der Pflege und die Bewohnerinnen und Bewohner. Das gehört gestoppt.“

NEOS-Sozialsprecher Sebastian Huber forderte in dem Fall „Aufklärung und Transparenz“, es dürfe nicht zur Tagesordnung übergegangen werden. Sollten Pflegestandards oder die Arbeitsbedingungen für das Personal nicht eingehalten werden könne, dann müsse auch über eine „vorübergehende Schließung“ des Seniorenheims nachgedacht werden. Zudem brauche es eine intensive Prüfung aller Salzburger Seniorenheime und eine österreichweite Vereinheitlichung der Pflegestandards, so Huber.

Sozialministerium verweist auf Pflegereform

Bundesweit einheitliche Regeln für die Pflegequalität in Heimen dürften wohl noch etwas länger auf sich warten lassen. Das von Johannes Rauch (Grüne) geführte Sozialministerium verweist auf die Pflegereform. Da seien zuletzt „Schritte gesetzt“ worden, um dem Personalmangel entgegenzuwirken und die Arbeitsbedingungen der Pflegekräfte zu verbessern.