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ORF.at/Roland Winkler
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wirtschaft

Experte kritisiert heimischen Strommarkt

In der Debatte um eine mögliche Strompreisbremse fordert der Salzburger und ehemalige Chef der Bundeswettbewerbsbehärde, Theodor Thanner, eine grundlegende Reform des Strommarktes. Thanner spricht sich gegen das aktuelle Merit-Order-Prinzip aus, bei dem das teuerste Kraftwerk den Strompreis vorgibt.

Der reine Strompreis kennt derzeit nur eine Richtung und die geht steil nach oben. Die Regierung diskutiert bereits seit längerem über eine Strompreisbremse. Doch nach Ansicht des ehemaligen Chefs der Bundeswettbewerbsbehörde, Theodor Thanner, gibt es gar keinen Strommarkt: „Wir haben im Energiesektor höchstens einen sehr, sehr beschränkten Wettbewerb und daher ist der Markt kein wirklicher Markt.“

Europaweit wird der Strompreis aktuell nach dem Merit-Order-Prinzip berechnet – das teuerste Kraftwerk gibt dabei den Preis vor. Die Teuersten sind wegen des Ukraine-Krieges die Gaskraftwerke. Für den ehemaligen Wettbewerbshüter ist das ein klassisches Kartell: „Es gibt offensichtlich keine gesetzliche Grundlage für dieses Prinzip. Das bedeutet aber auch, dass ich von diesem Prinzip abgehen kann. Wir müssen hier nur in unser Nachbarland Schweiz schauen – dort wird das Prinzip nicht angewendet“, kritisiert Kartellrechtsexperte Theodor Thanner.

Österreich: Nur 16 Prozent des Stromes aus Gas hergestellt

In der Schweiz wird der Strompreis unabhängig vom Gaspreis berechnet. Laut Thanner sei es ein regulierter Markt. Weil der Wettbewerb erst ab einer bestimmten Kilowattgrenze tatsächlich stattfindet", sagt der Wettbewerbshüter. Der Strompreis in der Schweiz setzt sich aus den Entstehungskosten und aus den Marktkosten zusammen.

Würde man den Strompreis in Europa nach dem Schweizer-Prinzip berechnen, wäre er laut Thanner deutlich günstiger. Das Schweizer Preisgestaltungsmodell sieht vor, dass zunächst die Entstehungskosten für den Strom verrechnet werden und erst dann die teuren Marktpreise. In Europa hat Strom, der aus Gas produziert wird, einen Anteil von rund 18 Prozent. In Österreich sind es 14 Prozent.

Kritik: Gas-Preis wird für gesamten Strom weitergegeben

Die restlichen mehr als 80 Prozent des Stroms stammen aus anderen Quellen. Aktuell wird aber der gesamte Strom zu einem Preis verkauft, als wäre er mit Gas produziert worden. Erste Klagen gegen Energieversorger wie beispielsweise den Verbund gibt es deshalb bereits. Doch so lange es das Merit-Order-Prinzip gibt, braucht es laut dem Kartellrechtsexperten Thanner einen Schutzschirm für Konsumenten, Wirtschaft und Industrie, um wegen der gestiegenen Energiekosten über den Winter zu kommen.

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