Mann wird von zwei Polizisten zu Polizeiauto geführt
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Chronik

Betretungsverbote: Opferschutz will Erleichterungen

Bei Betretungsverboten sollen Opferschutz und Täterberatungsstellen auch ohne Zustimmung des Gefährders Daten austauschen dürfen. Das fordert „Jugend am Werk“ – in Salzburg für die Gewaltprävention zuständig. Bei der Bluttat von Piesendorf (Pinzgau) sei es nicht zu dieser Kooperation gekommen.

Menschen, gegen die ein Betretungs- oder Annäherungsverbot ausgesprochen wurde, müssen an einer verpflichtenden, sechsstündigen Präventionsberatung teilnehmen. Sie müssen sich binnen fünf Tagen nach der behördlichen Anordnung in der Beratungsstelle melden, um einen ersten persönlichen Termin zu vereinbaren. In Salzburg führen „Jugend am Werk“ und die Katholische Aktion die Gewaltprävention gemeinsam durch.

Im Fall Piesendorf kein Austausch der Hilfseinrichtungen

Der 41-Jährige, der am Freitag in Piesendorf seine Ex-Frau erstochen haben soll, war wegen seiner Wegweisung Mitte April deshalb in Kontakt mit Jugend am Werk. Sein Opfer hatte ihn angezeigt. Der 41-Jährige „hatte in der Beratungsstelle Zell am See am 4. Mai ein Erstgespräch“, sagte Jugend-am-Werk-Geschäftsführer Uwe Höfferer am Montag.

Vom Berater sei danach eine sicherheitspolizeiliche Fallkonferenz zu dem 41-Jähren angeregt und bereits mit der örtlichen Polizei besprochen worden. Zu dieser Fallkonferenz, bei der ein lückenloser Datenaustausch aller beteiligter Einrichtungen und Behörden möglich sei, kam es laut Höfferer aber nicht mehr: „Ein Austausch mit den Opferschutzeinrichtungen hat nicht stattgefunden, da keine Einverständniserklärung des Gefährders erwirkt werden konnte.“ Die Polizei könnte allerdings auch jederzeit ohne externe Anregung eine Fallkonferenz ansetzen.

Datenaustausch derzeit „nur, wenn Gefährder zustimmt“

Für eine opferschutzorientierte Täterarbeit sei es jedenfalls zwingend erforderlich, dass sich die Opferschutzeinrichtungen und die Täterarbeitseinrichtungen fallbezogen vernetzen dürfen, fordert Höfferer: „Nur so ist ein vollständiges Bild im Hinblick auf die Gefährdungslage möglich. Das Problem an dem jetzigen Gesetz ist, dass sich die Einrichtungen nur dann austauschen dürfen, wenn der Gefährder dem Datenaustausch zustimmt“, kritisierte der Geschäftsführer. Hochrisikofälle seien davon ausgenommen – bei allen anderen Fällen sei man auf den guten Willen des Gefährders angewiesen.

Was bringen Wegweisungen?

Zusätzlich „würde es für unsere konkrete Arbeit sehr helfen, wenn das System der sicherheitspolizeilichen Fallkonferenzen schneller gehen würde und wenn wir in der Polizei Salzburg einen konkreten Ansprechpartner oder eine konkrete Ansprechpartnerin hätten, die nur für diese sicherheitspolizeilichen Fallkonferenzen tätig ist“, betonte Höfferer gegenüber dem ORF. „Derzeit haben wir je nach Bezirk unterschiedliche Ansprechpartner. Das kostet Zeit, Klarheit und damit Opferschutz.“

Oft bis zum Schluss Hoffnung auf Lösung „im Guten“

856 Betretungsverbote wurden im Vorjahr in Salzburg ausgesprochen. Auch im Vorfeld des mutmaßlichen Mordes in Piesendorf zeigte das 30-jährige Opfer an, dass sie von ihrem Ex-Mann bedroht, verfolgt und schwer verletzt, worden sei. Deswegen hatte die Frau auch ein Kontaktverbot erwirkt, das sie am Tag vor der Bluttat aufheben ließ.

Christina Riezler vom Gewaltschutzzentrum Salzburg sagt zu dem Fall: „Es wär so schön, wenn man eine Schraube drehen könnte, und dann würde man diese schlimmen Taten verhindern. Es ist nur leider nicht so.“ Betretungsverbote und einstweilige Verfügungen würden schon wirken, „aber es kommt natürlich dann noch einfach dazu, dass das Beziehungen sind. Das sind Menschen, die waren verheiratet, die sind verheiratet in einer Paarbeziehung – und man hat immer bis zum Schluss diese Hoffnung, dass man sich das mit dem Gegenüber irgendwie im Guten ausreden kann, wenn’s um die Trennung geht. Nur ist das leider nicht möglich, wenn’s um Gewalt geht.“

Christina Riezler (Gewaltschutzzentrum Salzburg)

Gewalt beginnt bei Demütigungen und Kontrollverhalten

Es sei wichtig, dass die Gesellschaft erkenne, dass Gewalt – auch schon in der kleinsten Stufe – nicht in Ordnung ist, betont Riezler: „Das beginnt bei Beschimpfungen, bei Demütigungen, bei einem Kontrollverhalten – also überall dort, wo Männer glauben: ‚Meine Partnerin ist irgendwie mein Eigentum, mein Besitz und ich bestimme, was passiert. Ich bestimme, wann ich mich trenne, ich bestimme, was du zu tun hast.‘ Und da wäre es natürlich gut, wenn man viel früher ansetzen würde und nicht erst dann, wenn es zu spät ist und dieser Gewaltkreislauf schon ganz weit fortgeschritten ist.“