Russische Bürger oder österreichische Frauen, Männer, Jugendliche mit russischen Wurzeln werden in der Bevölkerung immer stärker angefeindet. Obwohl sie mit Putins Politik nichts zu tun haben – Schattenseiten einer Zeit, in der es viel Mitgefühl und Hilfsbereitschaft für Kriegsflüchtlinge aus der Ukraine gibt.
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Politik

Russen beklagen wachsende Anfeindungen

Russische Bürger oder österreichische Frauen, Männer, Jugendliche mit russischen Wurzeln werden in der Bevölkerung immer stärker angefeindet. Obwohl sie mit Putins Politik nichts zu tun haben – Schattenseiten einer Zeit, in der es viel Mitgefühl und Hilfsbereitschaft für Kriegsflüchtlinge aus der Ukraine gibt.

Russland ist für viele in Österreich derzeit ein rotes Tuch, obwohl die Bevölkerung Russlands und die russische Kultur diesen Krieg nicht vom Zaun gebrochen haben. Dennoch: Wer sich nicht klar, sofort und offensiv distanziert, hat es schwer.

Hasskommentare, Anfeindungen

Neben russischen Künstlern werden auch russischstämmige Österreicher oder seit Jahrzehnten hier lebende Russen zunehmend Opfer von Beleidigungen und Anfeindungen, wie der Schauspieler Jurij Diez schildert – den sie oben in unserem Titelbild beim Interview über Skype sehen:

„Die Hetze gegen die russische Nationalität hat nichts mit Nationalismus zu tun. Ich habe in Social Media ab und zu Hasskommentare und Hassnachrichten bekommen. Da werden dann alle Russen wegen dieser Sache beschuldigt.“

Theaterleute mit massiven Problemen

Sogar russisches Kulturgut werde mittlerweile unter Generalverdacht gestellt, heißt es beim Salzburger Theater Ecce. Das Stück „Die russische Nationalpost“ werde schlichtweg abgelehnt, sagt Theater-Intendant Reinhold Tritscher. Es sei dennoch sehr wichtig, den Kontakt zu russischen Künstlern zu erhalten: „Wir werden das trotzdem weiter spielen, denn das Stück hat nichts an Qualität und nichts an Menschlichkeit verloren – im Gegenteil.“

Russische Bürger oder österreichische Frauen, Männer, Jugendliche mit russischen Wurzeln werden in der Bevölkerung immer stärker angefeindet. Obwohl sie mit Putins Politik nichts zu tun haben – Schattenseiten einer Zeit, in der es viel Mitgefühl und Hilfsbereitschaft für Kriegsflüchtlinge aus der Ukraine gibt.
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Fremdenführer Kurmachev ist großer Fan von Salzburg – und gegen den Krieg. Wie seine Familie …

Russischer Fremdenführer schockiert

Alexander Kurmachev stammt aus Moskau und lebt seit sieben Jahren in Salzburg. Er liebt die Berge und hat auch schon als Skilehrer gearbeitet, als die Zeiten in den Alpen für russische Touristen vor der CoV-Krise noch besser waren. Nun arbeitet er als Fremdenführer. Anfeindungen habe er bisher persönlich noch nicht erlebt.

Wie schnell es aber gehen kann, dass Menschen nur noch mit politischen Führungen in ihren Ländern in Verbindung gebracht werden, das habe ihn sehr erschrocken, erzählt der Russe: „Viele Leute in Russland verstehen nicht, wie so etwas geschehen konnte. Meine Familie ist auch gegen Krieg, aber für Russland. Es ist für viele hier sehr schwer zu unterscheiden zwischen staatlicher Politik und russischer Kultur und Sprache.“

Drohung in einer Sauna

Ein Salzburger, der seit Jahren in Tirol lebt, schilderte dem ORF eine einschlägige Drohung in einer öffentlichen Sauna. Dort habe ein einheimischer Privatmann in dem großen Raum das Aufgießen übernommen und kurz zuvor in die Runde gefragt, ob jemand aus Russland da sei, und ob es jemanden gebe, der sich nicht sofort von Putin distanziere:

„Wenn ja, dann werde er diesem Gast persönlich die Aufgusskelle über den Schädel ziehen. Es war unglaublich. Nicht nur ich war empört“, so der Ohrenzeuge. Zu einer Gewalttat sei es nicht gekommen. Doch eine Beschwerde bei der Geschäftsführung habe letztlich auch wenig gefruchtet.

„Ohnmacht kann in Aggression umschlagen“

Jeder Krieg löse auch bei uns im gesellschaftlichen Gefüge heftige Emotionen aus, sagt der Soziologe Wolfgang Aschauer von der Uni Salzburg: „Das Entsetzen in der österreichischen Bevölkerung über die Invasion in der Ukraine ist sehr groß. Es stellt sich dann auch Ohnmacht und Frustration ein, weil man tatenlos zusehen muss. Daraus kann sich auch Aggression entwickeln.“

„Politik muss mehr aufklären“

Dann würden völlig unschuldige Frauen und Männer aus Russland als Täter gebrandmarkt, sagt der Soziologe. Auch Österreichs Politik müsse mehr zur Aufklärung beitragen, sagt Aschauer. Sie müsse eine Kultur fördern, die es Ukrainern und Russen ermöglicht, in Österreich und Salzburg in Frieden zu leben.