Die Internationale Stiftung Mozarteum hat ihre Rolle im Nationalsozialismus erforschen lassen und  Donnerstag in Salzburg die Ergebnisse präsentiert. Es geht um „überdurchschnittlich angepasstes“ Verhalten führender Akteure und Mitarbeiter zwischen 1938 und 1945. Auch die Jahre der Verharmlosung danach werden thematisiert.
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Wie Nazis das Erbe Mozarts missbrauchten

Die Internationale Stiftung Mozarteum hat ihre Rolle im Nationalsozialismus erforschen lassen und Donnerstag in Salzburg die Ergebnisse in Form eines neuen Buches präsentiert. Es geht um „überdurchschnittlich angepasstes“ Verhalten führender Akteure und Mitarbeiter zwischen 1938 und 1945. Auch die vielen Jahre der Verharmlosung danach werden thematisiert.

Die Forschungsarbeiten sind mit dem nun präsentierten Material noch nicht abgeschlossen. Die Herkunft vieler Objekte im Besitz der Stiftung sei noch ungeklärt, heißt es. Gleichzeitig orten die heutigen Stiftungsgremien viel „Handlungsbedarf bei Ehrungen von Personen“, die mit dem NS-Regime verstrickt bzw. im NS-Denken verhaftet waren.

Viele redeten ihre Mitwirkung klein

Viele Akteure der Stiftung Mozarteum profitierten nach 1945 vom allgemeinen Trend der Verharmlosung und des Vergessens. Man schaffte es mit Erfolg, die eigene Rolle für das NS-Regime und seine vernichtende Kulturpolitik kleinzureden.

„Die Zeit des Nationalsozialismus erschien in der bisherigen historischen Darstellung als eine bloße Episode, welche an einer kontinuierlichen Geschichte der Stiftung und ihren Verdiensten für die Mozart-Pflege kaum etwas verändert habe“, heißt es im Vorwort. So wurde Mozart nach dem Krieg de facto vom „deutschen Genie“ wieder zum Österreicher umgepolt.

Die Internationale Stiftung Mozarteum hat ihre Rolle im Nationalsozialismus erforschen lassen und  Donnerstag in Salzburg die Ergebnisse präsentiert. Es geht um „überdurchschnittlich angepasstes“ Verhalten führender Akteure und Mitarbeiter zwischen 1938 und 1945. Auch die Jahre der Verharmlosung danach werden thematisiert.
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NS-Kranzniederlegung beim Mozartdenkmal in der Salzburger Altstadt. Der Freimaurer Mozart wurde für ideologische Zwecke im Rassenwahn eingespannt, während man generell die Freimaurerei neben dem Judentum mit blankem Hass, Todesdrohungen, Verfolgung, Folter und Mord überzog.

Neues Buch über Stiftung Mozarteum

Der unter wissenschaftlicher Anleitung der Zeithistoriker Alexander Pinwinkler und Oliver Rathkolb entstandene Sammelband versucht hingegen zu zeigen, dass die Politisierung der Führungsfiguren und deren Verflechtung mit staatlichen Institutionen und Machtträgern gerade im „Dritten Reich“ stärker waren, als diese zuvor und wohl auch danach jemals waren.

Mozart als „arischer“ Held

Dabei geraten verschiedene Einrichtungen der Stiftung ebenso in den Blick wie das damalige „Vorzeigeprojekt“ einer von Adolf Hitler geförderten geplanten Gesamtausgabe der Werke Wolfgang Amadeus Mozarts. Insgesamt habe die Stiftung Mozarteum im „Dritten Reich“ an Bedeutung gewonnen, befinden die Autoren – was wesentlich mit einer politischen Propagierung Mozarts und seiner Musik als vorgeblich genuin „deutsch“ und „arisch“ einherging.

Bezeichnung „International“ wurde gestrichen

Deutlich wird das etwa an der Person Albert Reitter, Landesstatthalter von Salzburg, der nach dem Anschluss als Präsident der Stiftung eingesetzt wurde und der ihr eine besondere Rolle in der NS-Kulturpolitik zuwies, die weit über Salzburg hinausging. Das Adjektiv „Internationale“ wurde aus dem Namen gestrichen, der „Arierparagraf“ in die Satzungen aufgenommen und die Stiftung nach dem Führerprinzip autoritär organisiert. „Die Stiftung versuchte kulturpolitisch von den neuen Verhältnissen zu profitieren“, sagte Koherausgeber Pinwinkler.

Kunstraub an jüdischer Bevölkerung

In der NS-Zeit habe es zudem intensive Bemühungen gegeben, Mozart-Memorabilien für die Stiftung zu requirieren und die Sammlung – auch mit Zwang – auszubauen. „Ziel waren jüdische Sammler oder Antiquare, denen das Recht abgesprochen wurde, wertvolle Objekte wie Mozart-Autografen zu besitzen“, erklärte Armin Brinzing, der Leiter der hauseigenen Bibliotheca Mozartiana: „Die Frage war, welche Objekte während der Jahre 1938 bis 1945 in den Besitz der Stiftung kamen, woher sie konkret stammten und ob Vorbesitzer Repressionen des NS-Staats ausgesetzt waren.“

Dabei hätten die Recherchen bisher noch keinen Fall von Raubkunst zutage gefördert. Die Herkunft der Objekte sei aber noch genauer zu erforschen – auch weil es oft kaum befriedigende Informationen zu den Vorbesitzern gebe.

Was muss zurückgegeben werden?

Die Untersuchungen zur Provenienzforschung seien aber noch nicht abgeschlossen. Restitutionsbedarf hätten die Untersuchungen der vergangenen Jahre allerdings bei etlichen Objekten gezeigt, die etwa aus der Klosterbibliothek des Salzburger Stiftes Sankt Peter stammten, aber nie zurückgegeben worden sind – ein Schritt, der nun in den kommenden Wochen offiziell erfolgen soll.

Buchhinweis

Alexander Pinwinkler und Oiver Rathkolb (Hrsg.): Die Internationale Stiftung Mozarteum und der Nationalsozialismus. Pustet Verlag, 456 Seiten, 49 Euro

„Hier wurden mit den hauptbetroffenen Institutionen Lösungen gefunden“, sagte Erich Marx, Mitglied des Kuratoriums der Stiftung. Handlungsbedarf gebe es zudem bei Ehrungen von Personen, die während der NS-Zeit wichtige Positionen innehatten. Die Stiftung werde darum einen Katalog an Kriterien erarbeiten, der Maßstab für die Aberkennung von Auszeichnungen und Ehrungen sein soll.

Auch Austrofaschismus auf dem Prüfstand

Der Katalog soll nicht nur auf die Jahre 1938 bis 1945 beschränkt bleiben, sondern generell autoritäre Haltungen einzelner Akteure durchleuchten – etwa in der Zeit des Austrofaschismus. „Dieser Prozess wird jedoch noch dauern“, betonte Marx.