Chronik

Polizeiauto überrollt 15-Jährigen: Verfahren eingestellt

Gegen den Lenker eines Polizeiautos ist das Ermittungsverfahren wegen fahrlässiger Tötung eingestellt worden. Im Lungau hatte der Wagen der Exekutive am 18. November 2021 bei einer Verfolgungsjagd einen 15-jährigen Mopedfahrer überrollt, der zuvor gestürzt war. Der Jugendliche kam ums Leben.

Die Staatsanwaltschaft habe das Ermittlungsverfahren nun eingestellt, teilte der Anwalt des beschuldigten Polizisten, Rechtsanwalt Kurt Jelinek, der APA am Donnerstag mit.

Das Ermittlungsverfahren habe keine Anhaltspunkte für ein der Straßenverkehrsordnung oder sonst den Regeln des Straßenverkehrs widersprechendes Verhalten und somit (grob) fahrlässiges Handeln des Genannten ergeben, hieß es in der Benachrichtigung der Staatsanwaltschaft Salzburg an den Verteidiger. Die Einstellung sei gemäß Paragraf 190 Z 2 StPO erfolgt, weil kein tatsächlicher Grund zur weiteren Verfolgung bestehe. „Es tut ihm der Vorfall sehr leid. Aus strafrechtlicher Sicht wurde das Verfahren gegen meinen Mandanten aber zurecht eingestellt, weil kein Sorgfaltsverstoß vorliegt“, sagt Jelinek.

Gutachter: „Moped kam sehr abrupt zum Stillstand“

Anfang Februar ist das Gutachten des Verkehrsunfallsachverständigen eingelangt. Gutachter Gerhard Kronreif Kronreif kam in seiner Expertise zu folgendem Ergebnis: Das Moped hatte am Ende einer Linkskurve auf der erdigen, teils grasbewachsenen, belaubten und unebenen Fahrbahn wenig Grip. Der Lenker kam infolge zu hoher Geschwindigkeit – rund 30 bis 35 km/h – zu Sturz.

Der Abstand zwischen Moped und dem Polizeibus soll sieben bis elf Meter oder 0,85 bis 1,1 Sekunden betragen haben. Da sich der linksseitige Fußraster des Mopeds im Boden verhakt habe, hätte es eine deutlich „höhere Rutschverzögerung“ gegeben. Daraus ergebe sich, dass das Zweirad durch diese Verhakung im Erdreich sehr abrupt zum Stillstand kam.

Laut Kronreif handelte es sich um einen „seltenen Umstand“. Denn selbst bei einer Vollbremsung des Mopedlenkers hätte der Abstand vom nachfolgenden Polizeiauto ausgereicht, um ohne Kollision anzuhalten. Nur wenn der Polizist den Sturz und die Verhakung miteinkalkuliert und einen größeren Abstand gehalten hätte, wäre ein Unfallgeschehen zu vermeiden gewesen. Ein Ausweichmanöver sei nicht möglich gewesen, weil der zwei bis zweieinhalb Meter breite Feldweg zu schmal gewesen sei.

Kritik von Mutter und Opferanwalt: „Jagdinstinkt“

Die Mutter des Verstorbenen sagte zur „Kronenzeitung“, dass die Beamten anders reagieren hätten können. Weil ihnen der Name des Lenkers bekannt war, hätte man die Verfolgung abbrechen können: „Er hätte seine Strafe bekommen, das Mofa wär abgenommen worden und die Sache wäre erledigt gewesen.“

Und Opfer-Anwalt Stefan Rieder sagt dazu: „Hätte die Polizei nicht derart verfolgt, wäre der Bursch nicht so schnell gefahren und auch nicht gestürzt.“ Rieder ortet Sorgfaltsverstöße bei der Polizeiarbeit und sogar einen gewissen „Jagdinstinkt“ bei den Beamten: „Der Bursch wurde zu Tode gejagt.“

Was bisher geschah

Der 15-jährige Lungauer soll sich damals eine Verfolgungsjagd mit der Polizei geliefert haben. Einer Streifenbesatzung war bei der Fahrt in Tamsweg ein unbeleuchtetes Moped mit nicht ablesbarem Kennzeichen aufgefallen, das nach Angaben der Polizei viel zu schnell unterwegs war. „In der Folge versuchten die Polizisten, den Lenker durch den Einsatz von Blaulicht und Folgetonhorn anzuhalten“, steht im Polizeibericht. Trotzdem habe er versucht, sich der Anhaltung durch Flucht zu entziehen.

Der Bursch fuhr zunächst in Richtung Lessach und dann im Gemeindegebiet von Göriach auf einem Feldweg weiter. Dort kam er zu Sturz. Der Lenker des Streifenwagens, es handelte sich um einen VW-Bus, in dem noch zwei weitere Beamten saßen, konnte nicht mehr rechtzeitig anhalten. Trotz Vollbremsung und eines Ausweichmanövers habe er die Kollision mit dem Moped und seinem Lenker nicht verhindern können, hieß es seitens der Polizei. Das Fahrzeug kollidierte mit dem Moped und dem Teenager. Für ihn kam jede Hilfe zu spät.

Der Verteidiger des Polizisten sagt, es sei eine „schicksalhafte Verkettung unglücklicher Umstände“ gewesen. Laut Gutachten habe der Abstand des Polizei-Busses ausgereicht, um „bei unverzüglicher Reaktion“ hinter dem Mopedfahrer „kollisionsfrei anhalten“ zu können.