Trotz der seit 1. Februar geltenden Impfpflicht lassen sich in Stadt und Land Salzburg nur sehr wenig Ungeimpfte zu Impfstraßen locken. Das ist nicht der Effekt, den sich Politiker mit ihrem Gesetzesbeschluss im Nationalrat erhofft haben, wie es scheint.
ORF
ORF
Politik

Leere Impfstraßen: Neues Gesetz der falsche Weg?

Trotz der seit 1. Februar geltenden Impfpflicht lassen sich in Stadt und Land Salzburg bisher nur sehr wenig Ungeimpfte zu Impfstraßen locken. Das ist nicht der Effekt, den sich Politiker mit ihrem Gesetzesbeschluss im Nationalrat und Plänen für eine Impf-Lotterie erhofft haben, wie es scheint.

Der Virologe Norbert Nowotny lässt nun sogar mit der Aussage aufhorchen, dass die Impfpflicht momentan gar nicht mehr notwendig sei. Die neuen CoV-Infektionen sind nämlich seit einigen Tagen rückläufig. Gleiches gilt für die Zahl der Infizierten. Und international bauen viele Staaten ihre Beschränkungen umfassend ab – nur wenige nicht, darunter Deutschland und Österreich.

Seit 1. Februar gilt in Österreich die Impfpflicht. Das Bundesgesetz ist seit dem Wochenende in Kraft. Lokalaugenschein am Montag: Die Impfstraße des Roten Kreuzes in der Messe Salzburg ist die größte im ganzen Bundesland. Hier könnten täglich 600 Menschen geimpft werden. Montag waren es 124, nur drei davon waren Erst-Stiche, sagt Matthias Herbst, der die Impfstraße leitet.

Psychologin vermisst Struktur bei Regierung

Christoph Komar impft im Auftrag des Roten Kreuzes: „Gerade die Erstimpfungen sind viel zu wenig im Vergleich zu Zweitimpfungen und Booster-Spritzen.“ Landesweit wurden seit 1. Februar bis einschließlich Sonntag lediglich 496 Erst-Impfungen gezählt, das sind knapp 84 pro Tag. Rund 55.000 Salzburger sind weiter ungeimpft, obwohl sie impfpflichtig wären, sagt der Arzt: „Wirkliche Impfgegner bekommt man auch mit der Pflicht nicht wirklich.“

In der Stadt Salzburg haben in den vergangenen drei Wochen rund hundert Personen um eine Ausnahme von der Impfpflicht angesucht – allesamt mit medizinischem Hintergrund.
Dass jetzt trotz Impfpflicht der große Ansturm auf die Impfzentren einsetzt, damit rechnet niemand mehr.

Missachtet Regierung die Bedürfnisse?

Schuld an der Flaute sind für viele die Bundesregierung selbst und ihr politischer Stil. Die Psychologin Sabine Schneider betont, es gebe hier eine Lotterie mit Höhen und Tiefen: „Der Mensch ist ein klassisches Strukturwesen. In der Psychologie existiert der Ausdruck des Strukturhungers, den die Menschen haben. Und wir haben seit zwei Jahren keine Struktur mehr im System. Wir müssen diese Struktur dringend wiedergewinnen, eben vorgelebt von der Regierung, damit die Impfbereitschaft wieder steigen kann.“

Ton gegen Ärzte wird härter

Die wenigen Ungeimpften, die derzeit überhaupt zur Impfung kommen, tun das vielfach unter Protest, erzählt Impfarzt Komar vom Roten Kreuz: „Die Leute lassen ihr Frust manchmal bei uns ab. Der Ton wird härter, teils auch aggressiv, glücklicherweise bisher nicht körperlich. Wir impfen hier, aber die politische Aufgabe liegt anderswo. Aber wir bekommen es hier zu spüren.“

Nur wenige Staaten weltweit mit Pflicht

Das Fazit der meisten Politik- und Impfexperten: Wer sich impfen lassen will, der hat das längst erledigt. Und wer sich nicht impfen lassen will, den wird auch ein rasch beschlossenes, im Vergleich aller Staaten weltweit fast einzigartiges Gesetz nicht dazu bringen.