Ärztin zieht Spritze für Covidimpfung auf
APA/Barbara Gindl
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Politik

Impfpflicht: Umfassende Kritik von Verfassungsjuristen

Nun sehen auch Salzburger Verfassungsjuristen die von Bundesregierung und Nationalrat geplante CoV-Impfpflicht kritisch. Das Geltungsalter ab 14 und die mit der Omikron-Variante verbundenen Kriterien könnten eine Impfpflicht juristisch generell ins Schleudern bringen und verfassungswidrig machen.

Montag lief die Begutachtungsfrist für das geplante Gesetzesvorhaben ab. Bundesweit mehr als 100.000 Stellungnahmen haben Bürger und Institutionen eingebracht, die meisten davon mit kritischen bis ablehnenden Anmerkungen.

Viele Fragenzeichen beim Mindestalter

Auch die beiden Salzburger Verfassungsjuristen Reinhard Klaushofer und Benjamin Kneihs setzen sich intensiv mit dem Gesetzesentwurf der Bundesregierung auseinander. Sie kritisieren unter anderem, dass die Pflicht ab einem Lebensalter von 14 Jahren gelten soll, wie Experte Klaushofer schildert: „Wenn die Durchimpfungsrate dazu führt, dass wir schon einen maßgeblichen Schutz der erwachsenen Bevölkerung haben, dann ist fraglich, ob man Kinder noch impfen kann oder darf. Dazu gehören auch 14- bis 18-Jährige, und für die gilt besonderer Schutz."

Nicht geregelt im Gesetzesentwurf sei zudem der Umgang mit Dementen oder Behinderten, die nicht selbst entscheidungsfähig sind. In der derzeitigen Fassung seien Strafen gegen diese Personengruppen nicht ausgeschlossen, wenn sie sich nicht impfen lassen.

„Kreuz-Impfungen rechtlich nicht zugelassen“

Auch so genannten „Off-Label-Anwendungen“ würden durch die Impfpflicht nicht ausgenommen, so die Fachleute. Das gelte beispielsweise auch für die Booster-Impfungen von Kindern oder Kreuzimpfungen, wie Verfassungsrechtler Kneihs erzählt: „Wenn ich zwei Impfungen mit Astra-Zeneca bekommen habe, und das wird gar nicht mehr angeboten. Und ich muss eine dritte Impfung nachweisen, dann bin ich gezwungen, eine Off-Label-Impfung machen zu lassen. Wir beurteilen nicht, ob die nun gut oder schlecht ist. Sie ist arzneimittelrechtlich aber nicht zugelassen. Daher kann man die Menschen aus unserer Sicht auch nicht zwingen."

Nationalrat entmachtet? Minister bald zu mächtig?

Einer Aushebelung des gesetzgebenden Parlaments kommt die im Gesetz vorgesehene „Verordnungsermächtigung“ für den Gesundheitsminister gleich: „Dieser Punkt ist aus unserer Sicht verfassungsrechtlich nicht haltbar."

Darüber hinaus sehen die Verfassungsjuristen durch die aktuelle Omikron-Variante einige grundlegende Fragen.

Die Impfpflicht könnte damit nicht mehr der Verfassung entsprechen, so Kneihs: „Wenn die Impfung nicht mehr geeignet ist, um nötigen Schutz herzustellen, dann wäre die Impfpflicht verfassungswidrig. Wenn sie nicht mehr erforderlich ist, weil das Virus so harmlos wird, dann wäre sie auch verfassungswidrig. Und wenn der Nutzen im Verhältnis zur Schwere des Eingriffes außer Verhältnis gerät, dann würde die Pflicht auch verfassungswidrig."

„Wirtschaftliches Wohl nicht berücksichtigt“

Verfassungsjurist Klaushofer ergänzt, die Lage werde zudem immer problematischer, je weniger wirkungsvoll eine Impfung ist: „Umso weniger wird vermieden, was man eigentlich vermeiden will durch die Impfung – nämlich die Überbelastung des Gesundheitssystems.“

Und bisher komme der Schutz des wirtschaftlichen Wohls der Bürger und des Landes im geplanten Gesetz überhaupt nicht vor: „Das hängt ja ebenso mit einer komplexen Beurteilung zusammen, ob man einen Lockdown, Impfpflicht oder sonstige Maßnahmen verhängt.“

Sollte das Gesundheitssystem durch Omikron und nachfolgende Varianten weiterhin an seine Belastungsgrenzen getrieben werden – und sollten auch Lockdowns weiterhin notwendig sein, dann wäre eine Impfpflicht verfassungsrechtlich haltbar, so die Experten.

Staat darf keine alten Impfstoffe aufzwingen

Sollte es aber bald bessere Impfstoffe geben, dann werde es für den Gesetzgeber schwierig, sagt Kneihs: „Der Staat muss dann dafür sorgen, dass die angepassten Impfstoffe in der erforderlichen Menge zur Verfügung stehen. Und dass die auch verimpft werden. Er kann dann sicher nicht dazu zwingen, dass man die nicht angepassten Impfstoffe weiter verwendet.“

Aus Sicht der Verfassungsjuristen hat der Gesetzgeber noch vieles zu beachten bis zum Beschluss der Impfpflicht im Nationalrat.