Die 1896 geborene Nyota Inyoka verband in ihrem Tanzstil östliche und westliche Traditionen: Ihre Mutter war Französin und der Vater stammte vermutlich aus Indien. Die Choreografien waren einzigartig und ließen sich keinem Tanzstil zuordnen. Graziös bewegte sie sich zwischen den Welten – das zeigt die einzige existierende Filmaufnahme von Nyota Inyoka.
In die Ecke der „exotischen Tänzerin“ gedrängt
Tanzwissenschafterinnen der Universität Salzburg erforschen seit 2019 in einem FWF-Projekt das reiche Gesamtwerk der Künstlerin: Denn Nyota Inyoka skizzierte ihre Tanzfolgen. Trotz ihrer unkonventionellen Choreografien wurde sie oft in die Ecke der „exotischen Tänzerin“ gedrängt, sagt Nicole Haitzinger, Tanzwissenschafterin an der Universität Salzburg: „Wo kann man auftreten? In der Revue, in den Varietes – denn in den 1920er Jahren konnte sie beispielsweise nicht in der Pariser Oper auftreten.“
Um ihre Choreografien einer breiten Öffentlichkeit zeigen zu können, tanzte Nyota Inyoka 1931 auch bei der Kolonialausstellung in Paris: „Das war auch eine Art Propaganda-Maschine“, sagt die Tanzwissenschafterin Christina Gillinger-Correa Vivar von der Universität Salzburg. „Es gab schon in der Bevölkerung und in Intellektuellen- und Künstlerinnenkreisen sehr viel Widerstand gegen die Kolonialherrschaft Frankreichs.“
Für Tänzerinnen mit gemischtem Erbe ist es weiter schwer
So wie Nyota Inyoka stammen auch bei zwei der vier Forscherinnen in dem Projekt Vater und Mutter aus verschiedenen Kulturkreisen. Und auch hundert Jahre nach Inyokas Zeit in Paris ist es für Tänzerinnen mit gemischtem Erbe immer noch schwierig. Das bemerkte die in München aufgewachsene Tanzwissenschafterin Sandra Chatterjee von der Universität Salzburg am eigenen Leib.
„Es war für mich zum Beispiel nicht möglich, nach der Schule in Tanzakademien oder berufliche Tanzausbildungen in Europa reinzukommen“, schildert Chatterjee. „Denn die Voraussetzung war immer, Ballett-Hintergrund zu haben. Als ich mit sechs Jahren aber in München ins Ballett wollte, war eher die Aussage: Was willst denn du? Du bekommst ohnehin keine Rolle, so wie du aussiehst. Also mach doch lieber etwas anderes, weil sich die Mühe nicht lohnt.“
Forschungsprojekt über indischstämmige Tänzerin Nyota Inyoka
Experimentierfreudiger Tanz in Salzburg und Wien
Österreich und hier besonders Wien und Salzburg sind ein Shangri-La oder Sehnsuchtsort für experimentierfreudige Tänzerinnen. So wird zum Beispiel im Tanzquartier Wien die Uraufführung der Oper „Durst“ geprobt. Die Choreografin Linda Samaraveerova hat eine tschechische Mutter und einen Vater aus Sri Lanka: „Ich weiß, wie das ist, wenn man auf Grund der Hautfarbe oder auf Grund dessen, dass man die Sprache nicht so beherrscht, oder auf Grund des Andersseins ausgeschlossen wird. Das war hier nie der Fall – und das ist wirklich sehr angenehm.“
Wie Nyota Inyoka verbindet Samaraveerova indische und europäische Spiritualität. In allen Epochen entstand in der Kunst etwas ganz Neues, wenn verschiedene Kulturen verschmolzen.