Chronik

Drogenprozess: Kritik an Kronzeugen

Wieder gibt es heftige Kritik von Verteidigern an der Anklage im größten Drogenprozess des Jahres, der am Dienstag gestartet hat. Damit könnte die erneute Übersetzung von 200.000 abgehörten Telefonaten nötig werden, weil die Dolmetscherin mit dem Kronzeugen liiert sein soll.

Von den 14 Angeklagten sind am Dienstag nur 13 anwesend – ein Syrer, der als einziger nicht in Untersuchungshaft gewesen ist, ist verschwunden. Doch das ändere nichts an der Kritik an den Polizei-Ermittlungen, zum Beispiel von Verteidiger Kurt Jelinek, der gleich vier Angeklagte vertritt und die Anklage wörtlich einen „Skandal“ nennt. „Wir haben jetzt jahrelange Ermittlungen, tausende Seiten an Übersetzungen und am Schluss kommt man drauf, dass der vermeintlich so glaubwürdige Kronzeuge der Lebensgefährte der Dolmetscherin ist. Also alles, was der Kronzeuge gesagt hat, ist von ihr übersetzt, weil er kein Deutsch spricht“, so Jelinek.

Verteidiger: „Unschuldige sitzen im Saal“

Man werde seiner Meinung nach alle Telefonüberwachungen neu übersetzen müssen. „Weil man ja nicht weiß, ob sie ihn schützt dabei, ob sie richtig übersetzt, ob sie vollständig übersetzt, ob sie aus dem Zusammenhang gerissen übersetzt oder teilweise sinnentstellt übersetzt.“ Er sei davon überzeugt, dass Unschuldige im Gerichtssaal sitzen würden, so Jelinek.

Dolmetscherin hielt Verhältnis vor Behörden geheim

Elena Haslinger, Sprecherin der Staatsanwaltschaft, sagte dazu, dass die Dolmetscherin überwiegend von der Kriminalpolizei dazu herangezogen wurde, die Protokolle der Telefonüberwachung zu übersetzen. „Seitens der Staatsanwaltschaft ist sie formell nicht als Dolmetscherin bestellt worden. Auch wir hatten vor Anklageeinbringung im Ermittlungsverfahren keine Möglichkeit irgendwie darauf zu reagieren, weil die Dolmetscherin das vor allen Behörden geheim gehalten hat“, sagte Haslinger.

Richterin muss entscheiden, wie es weitergeht

Der irakische Kronzeuge werde im Prozess jedenfalls Rede und Antwort stehen. Noch hat die zuständige Richterin aber nicht entschieden, ob wirklich alle 200.00 abgehörten Telefonate wirklich neu übersetzt werden müssen – das würde erhebliche Mehrkosten und erhebliche Zeitverzögerung bedeuten. Noch ein Detail: In Bürmoos wurde keine einzige Aufputsch-Tablette gefunden.

Beim Prozess geht es um 14 Millionen Aufputschtabletten „Captagon“ mit einem Verkaufswert von 40 Millionen Euro. Drei Jahre lang wurde ermittelt – zwischen dem Libanon, Belgien, Saudi-Arabien und Bürmoos.

Bürmoos vermutlich Drehscheibe für Versand

Die Tabletten wurden im Libanon hergestellt und waren für Saudi-Arabien bestimmt. Den Umweg über Bürmoos gab es nur deshalb, weil Importe aus der EU in Saudi-Arabien seltener kontrolliert werden als die direkte Einfuhr aus dem Nahen Osten. Über eine Scheinfirma kamen die Pillen mit dem Schiff nach Belgien, versteckt zu Zehntausenden zum Beispiel im Pizzaöfen, Waschmaschinen und Elektrogeräten. Die Pizzeria war vermutlich die Drehscheibe, dort wurde gelagert, umverpackt und weitergeschickt. Die Gewinnspanne ist beträchtlich: Die Herstellung kostet drei oder vier Cent, Verkauf in Saudi-Arabien um drei Euro.

Eine Waschmaschine in der die Drogen transportiert worden sind.
Polizei Salzburg
Die Pizzeria in Bürmoos galt als Drehschreibe für den internationalen Drogenring

Anklage stützt sich vor allem auf Kronzeugen

Sechs der Angeklagten sind Österreicher mit libanesischen Wurzeln oder Libanesen, zudem drei Syrer, jeweils ein Türke, Deutscher, Niederländer, Ungar und eine Österreicherin mit marokkanischen Wurzeln. Diese 14 im Alter zwischen 27 und 53 bildeten laut Staatsanwaltschaft den größten Drogenring der letzten Jahre. Der Kopf der Drogenbande und seine rechte Hand, zwei weitere Libanesen, werden noch gesucht. Die Anklage stützte sich vor allem auf die Aussagen eines irakischen Kronzeugen.

Captagon-Prozess