Transparent „Whoever controls the media, controls the mind“ bei Coronavirus Demonstration in Salzburg
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Medien-Misstrauen: „Nicht Teufel an die Wand malen“

Bei den Coronavirus-Demonstrationen in Österreich sind traditionelle Medien für viele Teilnehmer zum Feindbild geworden. Doch wie weit dieses Misstrauen tatsächlich reicht – dazu will der Kommunikationswissenschafter Konstantin Schätz „nicht den Teufel an die Wand malen“.

Seit über einem Jahr wird in Salzburg demonstriert: gegen Lockdowns, gegen die Impfpflicht, für mehr Freiheit. Doch wer sind die Menschen die auf die Straße gehen und was bewegt sie dort hin? Konstantin Schätz, Kommunikationswissenschafter an der Universität Salzburg und Journalist, beschäftigt sich seit eineinhalb Jahren intensiv mit der medialen Diskussion um die Coronavirus-Pandemie: „Die Bandbreite der Leute, die auf die Straßen gehen, ist sehr breit – und ich glaube auch die Gründe, warum die Leute auf die Straße gehen, sind sehr vielfältig. Das können auf der einen Seite Ängste oder Sorgen sein, auf der anderen Seite aber auch falsche Informationen bis hin auch zu Verschwörungstheorien.“

Traditionelle Medien sind bei diesen Demonstrationen oft ein Feindbild. Die Vorwürfe: Es würden Lügen verbreitet, die Medien seien regierungstreu und der zweite Blickwinkel abseits der breiten wissenschaftlichen Meinung würde nicht gehört.

Misstrauen gegenüber Medien in der Pandemie

„False Balance“ der Meinung vermeiden

Dabei sei es eine Herausforderung für den Journalismus, unterschiedliche Expertenmeinungen richtig zu gewichten, betont Schätz: „Es gibt ein Phänomen der ‚False Balance‘, die besagt: Es gibt unterschiedliche Sichtweisen. Und wenn wir 99 Virologen haben, die sich einig sind – zum Beispiel bei ‚Impfung hilft‘ – und einen hat, der dem widerspricht, und man stellt diese Meinungen gegenüber, dann kann ein falscher Eindruck entstehen. Dabei gibt es eine Mehrheitsmeinung und eine Minderheitsmeinung.“

Teile der Gesellschaft können von Journalisten aber nicht mehr erreicht werden – „Alternative Fakten“ besorgen sich etliche über Messenger wie Telegram. Wie weit dieses Misstrauen gegenüber traditionellen Medien fortgeschritten ist – darüber will Schätz aber nicht spekulieren.

„Allermeiste wenden sich dem seriösen Journalismus zu“

„Ich glaube, dass das relativ schwierig zu sagen ist. Man darf jetzt nicht immer den Teufel an die Wand malen“, sagt Schätz. „Man muss auch sehen, dass dem Journalismus gerade am Anfang der Pandemie extrem viel vertraut wurde – die Einschaltquoten sind gestiegen, die Aufrufe von Onlineseiten sind gewachsen. Das muss man schon auch sehen: In Krisenzeiten wenden sich die allermeisten Menschen schon dem seriösen Journalismus zu und vertrauen dem auch. Und der Journalismus muss einfach alles daran setzen, diesem Vertrauen auch gerecht zu werden.“

Mann sitzt mit aufgeschlagenen Zeitungen an einem Schreibtisch mit Computer und Bildschirm
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Das Interesse an den klassischen Medien sei in der Pandemie stark gestiegen, betont der Kommunikationswissenschafter

„Wir haben klare Mehrheit für das Impfen“

Die Journalistin und Buchautorin Ingrid Brodnig, Expertin für Hass und Lügen im Internet findet im „Salzburg heute“-Interview, dass man „beim Wort Spaltung vorsichtig sein sollte, weil Leute dann schnell den Eindruck haben, dass es um 50:50-Aufteilung geht. Aber wir haben in der Bevölkerung eigentlich eine klare Mehrheit für das Impfen. Bei den Erwachsenen sind drei Viertel mindestens einmal geimpft – da sehen wir schon: Die Mehrheit ist grundsätzlich für die Impfung bereit.“

Die zweite Gefahr sei, „dass man auch bei den Ungeimpften diejenigen am stärksten wahrnimmt, die am lautesten sind, die vielleicht auch aggressiv oder besonders vehement auffallen. Das ist auch nicht der Durchschnitt der Ungeimpften. Die Gefahr ist, dass wir die Extreme sehen, aber das Verbindende vielleicht weniger sichtbar wird.“

Unzufriedenheit mit „nicht gehaltenen Versprechen“

Allerdings: „Verbindend“ sei mittlerweile auch, „dass man in weiten Teilen der Bevölkerung unzufrieden ist, wie die Politik hantiert hat oder eben nicht hantiert hat“, ergänzt Brodnig. „Dass man zum Beispiel gesagt hat, es wird kein Lockdown kommen, als dieser schon sehr offensichtlich wurde. Es wurden Versprechungen gemacht, die dann nicht gehalten werden konnten.“

Zudem solle die „Politik auch einen Schritt zurücktreten und wissenschaftliche Fragen von Medizinerinnen und Medizinern, von wissenschaftlichen Fachleuten erklären lassen. Denn zum Teil ist die Impfdebatte auch eine Frage ‚Wie denke ich über den Politiker xyz?‘ Doch ob ich mich impfen lasse oder nicht, sollte keine Parteipolitik-Frage sein. Das hat damit eigentlich nichts zu tun.“

Journalistin Brodnig über die Spaltung der Gesellschaft

Journalistin und Buchautorin Ingrid Brodnig über die Spaltung der Gesellschaft in der Pandemie.

Mit Verschwörungstheorien im Freundeskreis umgehen

Brodnig schrieb zuletzt aber auch ein Buch, wie man im persönlichen Gespräch im Freundes- und Bekanntenkreis mit Verschwörungstheorien und Fake News umgehen kann: „Wenn jemand wirklich an Verschwörungserzählungen glaubt, dass alles gesteuert ist nach einem dunklen Plan, dann werden Sie das argumentativ wahrscheinlich nicht so schnell ändern. Da geht’s eher darum, Zweifel zu wecken – ‚Woher hast du die Information? Wieso glaubst du dem?‘“

Der häufigere Fall sei aber, „dass sich Leute solche Impfmythen und Falschnachrichten zu Herzen genommen haben und verunsichert wurden“, ergänzt Brodnig. „Da kann man viel erreichen, wenn man Wertschätzung zeigt und zeigt: ‚Ich merke, du nimmst das Thema ernst, du hast da die eine oder andere Sorge – das kann ich nachvollziehen‘. Wenn ich der Person Wertschätzung zeige, dann kann ich leichter mit Fakten anschließen. Auch da sollten Sie nicht erwarten, dass ein Gespräch alles ändert. Aber je mehr ich der Person zeige, dass ich auf sie zugehe und sie schätze, desto eher wird die Person dann auch bereit sein, die Faktenebene mitzudiskutieren.“