Tierärztin untersucht Schaf in Stall
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Tiere

Tierarztberuf „muss frauenfreundlicher werden“

Der Tierärzteberuf müsse „frauenfreundlicher werden“ – gerade bei Großtierpraktikern. Das betonen Standesvertreter in Salzburg. Zum einen gibt es viele Pensionierungen, 80 Prozent der Veterinärmedizin-Studierenden sind aber Frauen – und die müssen den Beruf mit der Familie unter einen Hut bekommen.

Salzburg steht vor einem akuten Tierärztemangel. Denn die Hälfte der Salzburger Tierärzte ist über 50 Jahre alt, in den kommenden Jahren gehen viele aus der Generation der „Baby Boomer“ in Pension – mehr dazu in Mangel an Tierärzten droht (salzburg.ORF.at; 6.12.2021).

Tierärztin : „Ich kann nicht bei allen zur Stallzeit sein“

Doch gerade für Frauen mit Großtierpraxis – so wie für Tierärztin Selina Schmittner aus dem Pinzgau – ist die Organisation alles andere als einfach. Schmittner ist alleinerziehende Mutter eines Fünfjährigen. Mit viel Aufwand gehe sich alles aus – die Selbstständigkeit und die Familie. Großtierpraktiker kommen üblicherweise am Abend zu den Bauern in die Ställe, Selina Schmittner will das langsam ändern: „Ich kann ohenhin nicht bei allen zur Stallzeit sein. Das geht einfach nicht. Da muss man dem einen halt einmal sagen: ‚Ich komme um drei Uhr am Nachmittag‘ oder ‚Ich komme um elf am Vormittag‘, wenn’s nichts ist, was akut ist und sofort sein muss. Das geht schon. Da muss halt auch ein bisschen Wille von beiden Seiten da sein.“

Auch Schäferin Marina Caldwell aus St. Georgen im Pinzgau hat Verständnis für diese Haltung der Tierärztin: „Für eine Routineuntersuchung ist es eigentlich auch meine Bringschuld, dass ich mich nach dem Tierarzt zu richten habe – und nicht umgekehrt.“

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Junge Frau mit Schafen im Stall
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Tierarzt zu sein, bedeutet im Notfall „Nächte im Stall verbringen“
Tierärztin untersucht Schaf in Stall
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Für Routineuntersuchungen müsse es aber nicht immer „die Stallzeit“ sein, sagt Tierärztin Selina Schmittner
Tierarzt mit Kätzchen in Käfig in Tierarztpraxis
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Tierarzt Manfred Arnezeder musste für seine Praxis in Seekirchen den Klinikstatus zurückgeben, weil ihm Veterinäre fehlen

„Es gibt lange Nächte, wo man im Stall steht“

Auch die Veterinärmedizin-Studentin Gloria Caldwell arbeitet immer wieder bei Selina Schmittner mit. Sie will – anders als viele ihrer Studienkolleginnen und -kollegen – in die Großtierpraxis gehen: „Das ist sicher der halbe Jahrgang, der wegfällt und das Studium gar nicht abschließt. Und von denen, die das Studium abschließen, geht nur ein Teil in den Praxis, der Rest geht woanders hin. Ich bin aber schon drauf eingestellt: Wenn ich einmal in der Praxis bin, dann gibt es lange Abende und Nächte, wo man im Stall steht und nicht zu Hause im Bett liegt. Dessen muss man sich bewusst sein, wenn man einmal in die Richtung gehen will.“

Tierärztemangel: Beruf „muss frauenfreundlicher werden“

„Löcher“ bei Nacht- und Wochendbereitschaften drohen

In einigen Salzburg Bezirken werden die Tierärzte langsam knapp: Im Lungau etwa hat es schon eine Krisensitzung mit den Großtierpraktikern wegen der Nacht- oder Wochenendbereitschaft gegeben: „Derzeit haben wir noch die Situation, dass es mit sehr viel gutem Willen noch geht, immer wieder Löcher zu stopfen“, sagt Landesveterinärdirektor Josef Schöchl. „Aber es wird nicht mehr lange dauern, bis solche Löcher nicht mehr zu stopfen sind.“

Auch im Flachgau gibt es einen Tierärztemangel. In Seekirchen gab Veterinär Manfred Arnezeder den Klinikstatus vorübergehend zurück – das heißt: In seiner Praxis sind die Tierärzte nicht mehr rund um die Uhr erreichbar: „Das ist bis vor eineinhalb Monaten gegangen“, sagt Arnezeder. „Dann hat mich noch eine weitere Kollegin in Richtung Pharmaindustrie verlassen – und ich kann mit vier Tierärzten keinen Klinikstatus aufrecht erhalten.“

Tierärztekammer: „Bezweifle, ob es so weitergeht“

Seit Anfang November sucht Arnezeder einen Tierarzt – bis jetzt ohne Erfolg. Viele würden durch die unregelmäßigen Arbeitszeiten abgeschreckt. „Es ist kein Beruf, den man macht – es ist wirklich eine Lebensform“, sagt dazu Gernot Eibl, Präsident der Tierärztekammer Salzburg. „Da ist man wirklich automatisch rund um die Uhr erreichbar. Aber damit hat man sich arrangiert. Ob das in Zukunft so weitergeht – ich wage es zu bezweifeln, das sag ich ganz ehrlich.“

Ab kommendem Jahr soll es in Wien mehr Studienplätze für Veterinärmedizin geben. 80 Prozent der Studierenden sind Frauen: „Das war schon zu meiner Studienzeit so – wenn’s nicht sogar mehr war“, sagt dazu Tierärztin Selina Schmittner: „Es muss dieser Beruf einfach frauenfreundlicher werden. Es geht gar nicht anders.“ Sonst werden die Bauern und ihre Tiere wohl auch im Notfall noch länger auf den Tierarzt warten müssen.