Großes Festspielhaus
ORF.at/Georg Hummer
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Kultur

Festspiele 2022: „Göttliche Komödie“ als Referenz

Das Programm der Salzburger Festspiele 2022 orientiert sich an Dantes „Göttlicher Komödie“ als Referenzpunkt. Insgesamt sind 174 Aufführungen zwischen 18. Juli und 31. August geplant. Opern-Highlights sind unter anderem Puccinis „Il Trittico“ und Janaceks „Kata Kabanova“.

Für das kommende Jahr bleibt die Coronavirus-Pandemie weiter ein gewisses Damoklesschwert, machte Intendant Markus Hinterhäuser bei der Programmvorstellung am Freitag deutlich: „Es ist immer noch eine Situation, die es uns nicht gerade leicht macht zu sagen, was letztendlich realisierbar sein wird. Ich bleibe bei dem Begriff des nicht vorauseilenden Pessimismus.“

Das Sicherheitskonzept habe heuer sehr gut funktionert und werde bei Bedarf auch im kommenden Sommer zum Einsatz kommen, betonten die Festspielverantwortlichen am Freitag.

Pressekonferenz des Festspieldirektoriums (mit Helga Rabl-Stadler) in der Felsenreitschule
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Für Helga Rabl-Stadler (Mitte) war es am Freitag die letzte Festspiel-Programmpräsentation

Castelluci inszeniert Bartok- und Orff-Doppelabend

Der Talon der Vorhaben ist jedenfalls prall gefüllt: So kommt im Opernbereich wieder ein guter Teil jener „Festspielfamilie“ an die Salzach, den Markus Hinterhäuser in den vergangenen Jahren zu Stammgästen gemacht hat. So wird Bildermagier Romeo Castellucci erneut eine Inszenierung verantworten – um genau zu sein eigentlich zwei, markiert der Doppelabend aus Bela Bartoks „Herzog Blaubarts Burg“ und Carl Orffs Mysterienspiel „De Temporum Fine Comoedia“ in der Felsenreitschule am 26. Juli doch den Auftakt des Premierenreigens.

Hierbei findet sich mit Teodor Currentzis ein ebenfalls wohlvertrautes Festspielgesicht am Pult – wenn auch dieses Mal nicht, um seine musicAeterna durch den Abend zu führen, sondern das Gustav Mahler Jugendorchester. Und als „Judith“ steht mit Ausrine Stundyte die gefeierte Elektra der Vorjahre auf der Bühne.

Regiestars für „Il Trittico“ und „Kata Kabanova“

Auch Christof Loy ist nach seiner umjubelten „Cosi fan tutte“ aus 2020/21 wieder mit von der Partie und inszeniert am 29. Juli im Festspielhaus Giacomo Puccinis „Il Trittico“, bei dem ihm mit Franz Welser-Möst ein Festspielveteran zur Seite steht. Salzburg-Liebling Asmik Grigorian singt in allen drei Teilen des Werks die Hauptrolle.

Nach seinem Festspieldebüt mit Jacques Offenbachs „Orphee aux enfers“ kehrt schließlich Regiestar Barrie Kosky zurück und nähert sich nun mit Leos Janaceks Drama „Kaťa Kabanova“ (7. August) einem ganz und gar nicht operettenhaften Stoff.

Festspiele stellen Programm für 2022 vor

Neueinstudierung für „Zauberflöte“ und „Aida“

Lydia Steier wird überdies am 30. Juli ihre bei der Premiere 2018 umstrittene „Zauberflöte“ neueinstudieren, wofür ihr die mit der „Cosi“ zum Star aufgestiegene Joana Mallwitz im Orchestergraben als Partnerin dient. „Es ist eine Inszenierung, der ich noch einmal eine Möglichkeit geben möchte, sich zu entfalten“, begründete Hinterhäuser den Schritt zur Neuinszenierung im kleiner dimensionierten Haus für Mozart anstelle des Großen Festspielhauses. Bei der ursprünglichen Premiere seien ein paar Dinge nicht in der Spur geblieben: „Wir haben damals auch die eine oder andere Entscheidung getroffen, die vielleicht nicht ganz unproblematisch war. Deshalb ist es nun eine schöne Form, mit bestehendem Material neu umzugehen.“

Eine weitere Neueinstudierung verantwortet auch Shirin Neshat, die ihre aus 2017 stammende „Aida“ erneut bearbeitet – dieses Mal ohne Anna Netrebko in der Titelpartie. „Es ist eine Lesart, die eine Entwicklungsmöglichkeit in sich hatte“, unterstrich Hinterhäuser: „Es wird deutlich mehr von Shirin Neshats Welt in dieser Neueinstudierung zu sehen sein.“ Und von den Pfingstfestspielen wird traditionell deren große Inszenierung übernommen, dieses Mal Rolando Villazóns Rossini-Deutung „Il Barbiere Di Siviglia“, natürlich mit Cecilia Bartoli.

Schauspiel: „Jedermann“-Team bleibt gleich

So vertraut die Gesichter im Opernbereich, so neu sind jene des Sprechtheaters – sieht man vom komplett gebliebenen „Jedermann“-Team um Lars Eidinger und Verena Altenberger ab, das in Michael Sturmingers bekannter Inszenierung den Festspielreigen am 18. Juli einläutet – vielleicht wirklich einmal auf dem Domplatz, sollte das Wetter halten.

Auf der Perner-Insel in Hallein (Tennengau) legt dann Ivo van Hove nach, der mit „Ingolstadt“ ein Marieluise-Fleißer-Mash-up vorlegt (27. Juli). Und auch Schnitzlers „Reigen“ gibt es in der Inszenierung von Yana Ross tags darauf nicht im Original zu sehen, sondern in einer Spiegelung, bei der zehn Autorinnen und Autoren wie Lydia Haider, Sharon Dodua Otoo, Hengameh Yaghoobifarah oder Lukas Bärfuss je eine Szene des Originals überschrieben.

„Iphigenia“ neu interpretiert

Ebenfalls eine Reflexion über Klassisches stellt am 18. August Ewelina Marciniaks Theaterabend „Iphigenia“ auf der Perner-Insel dar, bei dem die junge, gebürtige Polin die Blicke von Autoren wie Euripides, Racine oder Goethe auf die weibliche Antikenfigur vereint und fortschreibt, wofür ihr mit dem Ensemble des Koproduktionspartners Thalia Theater prominente Spielpartner zur Verfügung stehen.

Und am 6. August kommt dann der freie Theatermacher Thorsten Lensing mit „Verrückt nach Trost“ zu Wort. Hierbei wird er mit Stars wie Sebastian Blomberg, Anna Grisebach, Ursina Lardi und Devid Striesow eine Uraufführung im Mozarteum erarbeiten.

Marathon-Lesung der „Göttlichen Komödie“

Hinzu kommen drei Lesungen im Schauspielprogramm, darunter passend zum Leitstern 2022 eine Marathonlesung der „Göttlichen Komödie“ mit Stars wie Verena Altenberger oder Angela Winkler am 15. August. Die Schauspiel-Recherchen und der Film-Reigen indes flankieren die Neuschreibung des Schnitzler’schen „Reigen“ im Schauspielprogramm.

Die Ouverture spirituelle 2022 steht hingegen unter dem Übermotto „Sacrificium“, worunter sich Werke wie Arthur Honeggers Oratorium „Jeanne d’Arc au bûcher“ in der Rezitation von Filmstar Isabelle Huppert versammeln. „Wir spannen einen Bogen von Geschichten aus dem Alten Testament bis ins 20. Jahrhundert“, kündigte hier Konzertchef Florian Wiegand an, der insgesamt 79 Konzerte bei den kommenden Festspielen verantworten wird.

Insgesamt bieten die Festspiele 2022 174 Aufführungen in 45 Tagen an 17 Spielstätten. Hinzu kommen weitere 54 Aufführungen im Jugendprogramm unter dem Titel „jung & jede*r“. Dafür werden 224.933 Karten mit einer Preisspanne zwischen 5 und 455 Euro aufgelegt, wie der kaufmännische Geschäftsführer Lukas Crepaz ankündigte. Das Gesamtbudget des Festivals beträgt für 2022 66,8 Millionen Euro.

Rabl-Stadler dankte dem Publikum

Die kommendes Jahr nicht mehr im Amt befindliche Festspiel-Präsidentin Helga Rabl-Stadler nutzte die Gelegenheit der Programmpräsentation zu einer statistischen Rückschau auf ihre 27 Amtsjahre mit dem gewohnten Augenzwinkern: „Ich flüchte mich in Zahlen, damit mich die Rührung nicht übermannt – oder überfraut. Ich bin ja Feministin.“ Und vor allem wolle sie dem Publikum danken: „Sie sind die wichtigste Säule der Festspiele.“