Wie lassen sich Gräben, Streitereien und massive Meinungsverschiedenheiten in der Gesellschaft bei den Themen Corona und Impfungen überwinden? Der Verhaltenspsychologe Lukas Thürmer von der Uni Salzburg sagt, es sei wichtig für alle, dass sie bei den Fakten bleiben. Man müsse aus starren Fronten und Gruppendenken herauskommen.
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CoV-Politik

Psychologe fordert Ende des Gruppendenkens

Wie lassen sich Gräben, Streitereien und massive Meinungsverschiedenheiten in der Gesellschaft bei den Themen Corona und Impfungen überwinden? Der Verhaltenspsychologe Lukas Thürmer von der Uni Salzburg sagt, es sei wichtig für alle, dass sie bei den Fakten bleiben. Und man müsse aus starren Fronten und Gruppendenken herauskommen.

Freitag wurden im Marmorsaal des Schlosses Mirabell insgesamt mehr als 500 Menschen gegen CoV geimpft. Der Psychologe lobt diese Aktion.

„Wenn die Emotionen hochkochen“

Daneben ist er gegen die Spaltung der Gesellschaft, die auch durch die Polarisierung und Einteilung der Bevölkerung in Geimpfte und Ungeimpfte entstehe. Wenn sich Menschen verschiedenen Gruppen voll zugehörig fühlen, dann sei es wahnsinnig schwierig, noch eine konstruktive Debatte zu führen, sagt Thürmer: „Dann ist viel wichtiger, wer etwas sagt – als die Inhalte der Argumente.“

Hochkochende Emotionen würden es auf allen Seiten erschweren, die Argumente von anderen überhaupt noch zu hören: „Das ist die eine Seite. Man fühlt sich angegriffen, wenn mich jemand aus einer anderen Gruppe kritisiert. Dazu wird Leute aus anderen Gruppen nicht zugestanden, dass sie andere Leute kritisieren. Das ist gegen fundamentale Normen.“

Lukas Thürmer im Interview mit Viola Wörter

Alle sagen, sie wollen das Beste

Weiters würden nun Leute andere bestrafen, auch wenn es gegen ihr eigenes Interesse geht, so der Verhaltenspsychologe. Beim Thema Kinderimpfungen gibt es viele, die ihre Kinder so schnell wie möglich impfen lassen wollen. Andere gehen auf die Straße, um Kinderimpfungen zu verhindern, weil diese extrem gefährlich seien. Beide Gruppen wollen das Beste für ihre Kinder. Wie können solche Konflikte bereinigt werden?

Thürmer analysiert, auf der Ebene der tatsächlichen Ziele seien die Unterschiede gar nicht so groß: „Das Problem ist, wenn die Gruppen sehen, dass es eine andere Gruppe gibt, dann wird dieser das gute Motiv abgesprochen.“

„Unterschiede sind gar nicht so groß“

Wie lässt sich das Verhalten ändern? Hätte eine Impfpflicht ab Sommer besser geholfen? Psychologe Thürmer sagt, mehr Klarheit und Entscheidungen würden natürlich helfen: „Das kann tatsächlich Konflikte auch befrieden. Gleichzeitig lassen wir uns ungern in unseren Entscheidungen beschränken. Dann kann eine Impfpflicht zum Problem werden, wenn wir diesen Graben zwischen den Gruppen haben. Und wenn ich dadurch alle zwingen muss.“

Impfungen im Marmorsaal des Schlosses Mirabell

In Wien hat die Polizei am Freitag ein CoV-Protestcamp im Stadtpark auf Anordnung der Stadt Wien geräumt. Es soll ständig Beschwerden wegen Pöbeleien gegeben haben.

Immer mehr Demonstrationen

Gerade die bundesweit vielen Demonstrationen gegen die CoV-Politik – wie in Salzburg zuletzt am vergangenen Sonntag und wie auch wieder für Samstag angekündigt, zeigen ein Klima der Unzufriedenheit und des Protestes. Der Ton in Debatten um nötige oder unnötige Maßnahmen wird aus der Sicht von Experten von Tag zu Tag rauer und aggressiver – auf vielen Seiten des Meinungsspektrums. Risse gehen durch Familien, Partnerschaften, Ehen, Liebesbeziehungen und quer durch Generationen, Bildungschichten und soziale Gruppen.

Gegenseitige Vorwürfe

Ungeimpfte Gegner der Maßnahmen kritisieren beispielsweise, die Akteure bei Bundes- und Landesregierungen würden Menschenrechte und bürgerliche Freiheit nunmehr schon seit langer Zeit einschränken. Und für viele Leute, die sich gegen das Virus haben impfen lassen, sind Impfgegner der Grund für hohe Fallzahlen und Lockdowns. Mittlerweile stehen sich Gruppen fast schon unversöhnlich gegenüber.