Heinrich Schellhorn im ORF Interview
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Kanzlerrochade: Für Grüne braucht es neue „Vertrauensbasis“

Nach der Kanzlerrochade braucht es für die Grünen in Salzburg vor allem eine neue Vertrauensbasis – es müsse wichtige „Beziehungsarbeit“ geleistet werden, sagt der Landessprecher der Grünen, Heinrich Schellhorn. Die ÖVP in Salzburg bezeichnet die Rochade als die wohl einzig vernünftige Option, um in Zeiten der Pandemie für stabile Verhältnisse zu sorgen, so ÖVP-Klubobmann Wolfgang Mayer am Sonntag.

Samstagabend gab Bundeskanzler Sebastian Kurz (ÖVP) seinen Rückzug bekannt, der bisherige Außenminister Alexander Schallenberg (ÖVP) folgt ihm im Kanzleramt nach. Nachdem Kurz seinen Rücktritt verkündet hat, verdichten sich die Hinweise, dass vor allem auch die ÖVP-Landeshauptleute darauf gedrängt haben könnten.

ÖVP: „Von Landeshauptleuten ging kein Druck aus“

Dem aber widerspricht die ÖVP in Salzburg – die ÖVP-geführten Bundesländer hätten in der Entscheidungsfindung keinen Druck auf Sebastian Kurz ausgeübt, sagte der Salzburger ÖVP-Klubobmann Wolfgang Mayer. Die Salzburger ÖVP bemüht sich naturgemäß um Beruhigung – auch um die Diskussion nicht nach Salzburg übergreifen zu lassen.

„Es war die Entscheidung von Sebastian Kurz, die die Landeshauptleute mitgetragen haben und die in einer gemeinsamen Besprechung getroffen worden ist.“ Für Mayer hätte es nur eine Alternative gegeben: „Eine bunte Chaoskoalition mit Herbert Kickl (FPÖ) als Corona-Leugner mittendrin.“

Sebastian Kurz und Alexander Schallenberg
APA/ROBERT JAEGER
Sebastian Kurz (ÖVP) tritt zurück – Alexander Schallenberg (ÖVP) ist designierter neuer Kanzler

Grüne: „Einfluss von Kurz wird weiter groß sein“

Als wichtigen Schritt bezeichnet der Landessprecher der Grünen, Heinrich Schellhorn, den Rückzug von Kurz. Allerdings gibt auch er zu, dass der politische Einfluss für Kurz auch als Klubobmann der ÖVP im Nationalrat groß sein werde.

„Natürlich hat der Klubobmann und Parteiobmann nach wie vor einen großen Einfluss. Allerdings wird der derzeitige Außenminister Schallenberg Bundeskanzler und natürlich spielt Sebastian Kurz in der Zukunft der Koalition eine Rolle, bis tatsächlich endgültig geklärt ist, ob gegen ihn eine Anklage in den beiden Ermittlungsverfahren kommt und allenfalls zu einem Urteil. Dann ist die politische Karriere von Sebastian Kurz endgültig beendet“, sagte Schellhorn.

Schellhorn: Jetzt braucht es neue Vertrauensbasis

Für den grünen Landessprecher gehe es jetzt vor allem darum, Beziehungsarbeit zu leisten und eine neue Vertrauensbasis zu finden. Auch ÖVP-Klubobmann Mayer geht davon aus, dass ÖVP und Grüne auf Bundesebene in Zukunft konstruktiv zusammenarbeiten werden.

Die große Frage dürfte vor allem werden, wie lange die jetzt gefundene Lösung angesichts der weiter laufenden Ermittlungen gegen Sebastian Kurz halten wird. Beide Parteien – ÖVP und Grüne in Salzburg – hoffen auf schnelle Ergebnisse. Zu erwarten sind die laut Rechtsexperten allerdings kaum.

Kanzlerrochade: Für Grüne braucht es neue „Vertrauensbasis“

Nach der Kanzlerrochade braucht es für die Grünen in Salzburg vor allem eine neue Vertrauensbasis – es müsse wichtige „Beziehungsarbeit“ geleistet werden, sagt der Landessprecher der Grünen, Heinrich Schellhorn. Die ÖVP in Salzburg bezeichnet die Rochade als die wohl einzig vernünftige Option, um in Zeiten der Pandemie für stabile Verhältnisse zu sorgen, so ÖVP-Klubobmann Wolfgang Mayer am Sonntag.

Scharfe Kritik von SPÖ, NEOS und FPÖ

Scharfe Kritik an der Vorgehensweise und am Wechsel von Sebastian Kurz als Kanzler zum ÖVP-Klubobmann im Parlament kommt in Salzburg von SPÖ, NEOS und FPÖ. Die SPÖ bezeichnet den Vorgang als eine „Farce“. „Die richtige Reaktion auf die Ereignisse der letzten Tage wäre der „vollständige Rückzug aus der Politik gewesen“, betonte SPÖ-Landesparteichef David Egger noch Samstagabend.

NEOS: „Weiterhin an Schalthebeln“, FPÖ: „Mogelpackung“

Ähnlich sehen das die NEOS – sie bezweifeln, dass es mit Kurz als Klubobmann einen Neustart geben werde. „Kurz bleibt als neuer Klubobmann des ÖVP-Parlamentsklubs also weiterhin an den Schalthebeln der Macht und hier ist für mich klar: Mit dem System Kurz wird es keinen echten Neustart geben“, sagte die stellvertretende Bundesvorsitzende der NEOS und Salzburger Landessprecherin Andrea Klambauer.

Die FPÖ in Salzburg bezeichnet den Kanzlerwechsel als „Mogelpackung“. „Das System Kurz bleibt. Es hat sich nichts geändert“, schrieb FPÖ-Chefin Marlene Svazek auf ihrer Facebook-Seite.

Rücktritt als großes Gesprächsthema

Der Kanzlerrücktritt und die vielen offenen Fragen beherrschten am Sonntag die Gespräche – in Stadt und Land. In der Gemeinde St. Koloman (Tennengau) beispielsweise erzielte die ÖVP bei der letzten Landtagswahl knapp 60 Prozent der Stimmen. Die Meinungen über das Vorgehen fielen hier am Sonntag recht unterschiedlich aus – erleichtert zeigten sich hier jedoch alle, dass nicht gleich wieder Neuwahlen auf Kosten des Steuerzahlers bevorstehen.

Politikwissenschafter: „ÖVP wird Kurz als Märtyrer darstellen“

Auch für Politexperten bleibt die derzeitige Konstellation spannend. Den Salzburger Politikwissenchafter Franz Fallend beschäftigt vor allem das mögliche politische Kalkül der ÖVP hinter dem Rücktritt von Sebastian Kurz. „Ich rechne schon damit, dass die ÖVP und Kurz bzw. seine Mitarbeiter in diese Richtung argumentieren werden, dass er populär ist und eine gute Politik gemacht hat. Sie werden versuchen, ihn als Märtyrer darzustellen. Ich glaube nicht, dass er als Phönix aus der Asche auftauchen wird, sondern er wird gar nie richtig verschwinden“, schätzte Politikwissenschaftler Fallend die Lage ein.

Kanzlerrücktritt als großes Gesprächsthema

Der Kanzlerrücktritt und die vielen offenen Fragen waren am Sonntag das Gesprächsthema Nummer eins. Auch für Politexperten bleibt die derzeitige Konstellation spannend.