Wimmer beschreibt die Situation im Pongau Dienstagvormittag: „Die Lage hat sich leicht entspannt, da die Niederschläge aufgehört haben. Unsere Hauptaufgabe ist es nun, uns einen Überblick zu verschaffen, teils aus der Luft, um die Sofortmaßnahmen wie das Ausbaggern der Wildbachsperren zu ergreifen. Auch die Straßensituation schauen wir uns genau an.“ Aufräumarbeiten laufen im gesamten Bezirk, Wagrain ist nach wie vor nur über Flachau erreichbar.
Landesweit waren Montagabend 52 Feuerwehren mit insgesamt 1.402 Mann im Einsatz. Sie mussten zu 483 Schadensstellen ausrücken.
Einsatzschwerpunkt in St. Johann im Pongau
Schwerpunkt der Einsätze war die Bezirkshauptstadt St. Johann: Am Montag um 17.50 Uhr wurde dort die Freiwillige Feuerwehr zum ersten Mal alarmiert, es folgten Dutzende weitere Notrufe. In der Reinbachsiedlung trat der Reinbach über die Ufer und floss durch die Siedlung, mehrere Muren gingen dort ab – auch noch, als die Feuerwehrleute dort schon im Einsatz waren. Für den Ortsteil wurde Zivilschutzalarm ausgelöst – alle Personen sollten in den oberen Stockwerken bleiben.
Das Wasser sei in einem Schwall durch die Reinbachsiedlung geströmt, sagte Anrainer Wilhelm Kratzer: „Unvorstellbar. Dann ist der Bach gekommen und Murenabgänge unmittelbar am Gelände. Viel Wasser – und natürlich hat’s uns überschwemmt.“ Auch Sarkan Ötztürk konnte gerade noch rechtzeitig sein Auto aus der Tiefgarage holen: „Da ist danach die Flut gekommen. Da schwimmt alles, der Keller ist bummvoll mit Wasser. Das habe ich noch nie erlebt, ich war echt schockiert. Es ist so viel Wasser gekommen.“
Der Zivilschutzalarm wurde am Dienstag um 8.00 Uhr aufgehoben. Doch die Aufräumarbeiten beschäftigen die Feuerwehrleute weiter – so mussten zum Beispiel zahlreiche Tiefgaragen geräumt und ausgepumpt werden. Auch durch Orkanböen abgedeckte Dächer mussten notdürftig gedeckt werden.
St. Johann: 90 Personen in Sicherheit gebracht
An mehreren Orten um St. Johann mussten die Feuerwehrleute Menschen in Sicherheit bringen, sagte Einsatzleiter Marcel Pfisterer: „Wir haben insgesamt 90 Personen vor den Wassermassen retten können. In Wagrain sind mehrere Autos von zwei Muren abgeschnitten worden. In unserer Leichenhalle sind bei einer Trauerveranstaltung etwa 30 Personen von den Wassermassen eingeschlossen worden. So ein Einsatz ist niemals ohne – aber das geht nicht ohne Risiko für die Feuerwehr. Die Einsätze sind extrem gefährlich – man sieht nicht, was von oben kommt. Aber ich glaube, dass jeder das Risiko eingeht, wenn es notwendig ist und er den Personen so helfen kann.“
Die Nachbarschaftshilfe in der Stadtgemeinde St. Johann habe in dieser Notlage aber funktioniert, sagte Bürgermeister Günther Mitterer (ÖVP): „Es hat jeder mit angepackt. Es haben viele schon selbst die Vorkehrungen getroffen, damit die Einsatzorganisationen gleich zum Nächsten weiterfahren können. Und darauf bin ich stolz, dass das so gut funktioniert.“
Wagrainer Straßen an mehreren Stellen unterbrochen
Die Wagrainer Straße (B163) wurde zwischen St. Johann und Wagrain an mehreren Stellen von Muren verschüttet und zum Teil auch unterspült und weggerissen. Montagabend wurden mehrere Autos auf der Straße eingeschlossen. Polizei, Wasserrettung, Feuerwehr, Rotes Kreuz und Bergrettung mussten laut Polizei insgesamt 84 Personen – darunter auch Kleinkinder – aus den von Geröll und Schlamm abgeschnittenen Fahrzeugen retten. Ein Wagen wurde von einer Mure mitgerissen, die drei Insassen konnten sich unverletzt retten. Alle Eingeschlossenen wurden in Sicherheit gebracht und im Kongresszentrum bzw. der Kaserne St. Johann versorgt.
Eine Schadensbegutachtung Dienstagvormittag ergab, dass die Straße zum Teil meterhoch vermurt ist. „Es gibt einen schmalen Unwetterstreifen nur circa 500 Meter breit von St. Johann bis Flachau, in diesem sind die Schäden allerdings groß“, sagte Gerald Valentin vom landesgeologischen Dienst nach einem Erkundungsflug. „Es hat hier extremen Niederschlag gegeben, viele Bäume sind geknickt, die Wildbachsperren angefüllt. Am schlimmsten hat es aus derzeitiger Sicht die Wagrainer Straße getroffen.“
Derzeit sei man dabei, sich zu den zwischen zwei Muren eingeschlossen Autos durchzukämpfen, sie eventuell am Dienstag noch zu bergen. Aber: „Bis die Straße wieder geöffnet werden kann, dauert es aus meiner Sicht Wochen“, betonte Valentin.
Überschwemmungen in Salzburg
Extreme Unwetter sind in der Nacht auf Dienstag vor allem über Niederösterreich, Tirol, der Steiermark und Salzburg niedergegangen. Im Salzburger Pinzgau und im Pongau kam es erneut zu Überflutungen und Murenabgängen.
Ortszentren standen unter Wasser
Neben St. Johann waren auch Wagrain und Flachau betroffen. So wurde zum Beispiel in St. Johann-Alpendorf die Straße nach Großarl von Muren verlegt. Auch das Ortszentrum von Wagrain stand nach Murenabgängen teilweise unter Wasser – auch aus Altenmarkt wurden Überflutungen gemeldet. Bei Flachau musste die Abfahrt von der Tauernautobahn (A10) wegen einer Mure gesperrt werden.
Bus und Auto in Bach gerissen
Auch im Pinzgau gab es Schäden: In Dienten wurden ein Linienbus und ein Auto von den Wassermassen erfasst und in den Dientenbach gerissen. Der Linienbus wurde unter einer Brücke eingeklemmt. Zwei Personen in dem Bus wurden von Feuerwehr und Wasserrettung geborgen. Die 21-jährige Lenkerin des Autos konnte sich selbst befreien. Drei Insassen und eine Einsatzkraft wurden dabei verletzt, zwei davon schwer. Zwei Verletzte wurden vom Hubschrauber aus geborgen und ins Spital geflogen.
Ein weiteres Auto – der Wagen einer deutschen Urlauberfamilie – wurde bei Dienten zwischen zwei Muren eingeschlossen. Die fünf Insassen konnten in Sicherheit gebracht werden. Ein Sägewerk in Dienten wurde durch eine Mure schwer beschädigt.
Mure verschüttete Bahnhof von Krimml
In Wald im Pinzgau gingen erneut Muren auf die Krimmler Landesstraße (L113) und die Gerlos-Bundesstraße (B165) ab, hier wurde Krimml abgeschnitten. Auch der Bereich um den Bahnhof Krimml, der sich im Gemeindegebiet von Wald befindet, wurde am Abend von einer Mure großflächig verschüttete. Eine dort abgestellte Zugsgarnitur wurde vom Geröll komplett eingeschlossen.
Aufräumarbeiten in der Nacht in Wagrain und St. Johann-Alpendorf
Salzach-Pegel war bedrohlich
Die Salzach habe in Mittersill (Pinzgau) in der Nacht bedrohliche Pegelstände erreicht, sagte der Pinzgauer Katastrophenschutzreferent Manfred Pongruber Dienstagfrüh: „Die Pegelstände sind bis Mitternacht rapide gestiegen, haben dann aber Gott sei Dank mit Aussetzen des Regens gegen 23.00/23.30 Uhr merklich nachgelassen. Dadurch ist es in den Bereichen, die Mitte Juli so massiv geschädigt worden sind, zu keinen großen Überflutungen gekommen. Die Pegelstände sinken. Ich glaube, die Wetterlage stabilisiert sich im Lauf der nächsten Tage, sodass wir auch von dieser Seite mit Entspannung rechnen können.“
Pongruber macht sich am Vormittag mit Vertretern des landesgeologischen Dienstes und der Wildbach- und Lawinenverbauung per Hubschrauber ein Bild der Lage im Pinzgau. Erkundungsflüge gibt es auch im Pongau.
Unwettereinsätze in vielen Teilen Österreichs
Teils heftiger Regen und Sturm sorgten Montagnachmittag und -abend neuerlich für Feuerwehreinsätze in Teilen Österreichs. Betroffen waren unter anderem die niederösterreichischen Bezirke Baden, Mödling, Amstetten, Melk, Tulln und St. Pölten – mehr dazu in noe.ORF.at.
Auch in Oberösterreich mussten viele Feuerwehrleute wegen Unwettern ausrücken. Hier traf Starkregen Gmunden, Kremsmünster, Bad Hall, Pfarrkichen bei Bad Hall und Wolfern mit voller Wucht – mehr dazu in ooe.ORF.at.
In Tirol gab es insgesamt 273 Einsätze. Nach Angaben des Landesfeuerwehrverbandes wurden 97 Feuerwehren alarmiert. Schwerpunkte lagen zunächst im östlichen Mittelgebirge bei Innsbruck. Schäden wurden aber auch aus dem Zillertal, Landeck, dem Ötztal und Pitztal gemeldet – mehr dazu in tirol.ORF.at.
Die Unwetterfront zog auch über die Steiermark und sorgte vor allem im Bezirk Liezen für Feuerwehreinsätze. Etliche Bäume blockierten Straßen, auch Gebäude und Unterführungen standen unter Wasser – mehr dazu in steiermark.ORF.at.