Bis Dezember 2022 wird die Umgebung des Bahnübergangs an der ÖBB-Strecke in Golling zur Baustelle: Eine neue Straßenunterführung soll den alten Schranken mitten im Ort ersetzen. Für die neue Bahnunterführung muss ein Wohnhaus weichen. Die ÖBB enteignen dafür zum ersten Mal seit 20 Jahren ein bewohntes Haus.
Gollinger baute Haus selbst über Jahrzehnte aus
Der Besitzer, Adolf Gründl, will trotz Bescheids vom Landesgericht nicht daran glauben. Dabei war am Freitag rund um das Haus die Baustelle schon eingerichtet. Gehen will Gründl deswegen nicht. Das Haus baute er im Alter von zehn Jahren mit auf – das ist jetzt 76 Jahre her. Jede Veränderung, alle Neubauten, jedes kleinste Detail machte Gründl hier selbst. Der Handwerkermeister mit etlichen Ausbildungen steckte Leib und vor allem Seele in sein Lebenswerk.
Jedes Holz und jeder Stein in dem Gebäude hat seine eigene Geschichte. Die Flussteine, aus denen der Kamin gemauert ist, holte Gründl aus der Lammer und dem Bluntautal und verbaute sie selbst: „Mit Fußbodenheizung. Da ist eine Heizschlange aus Nirosta drinnen – da werden die ganzen 40 Quadratmeter Fußboden mit der Glut geheizt. Das ganze Erdgeschoß wird mit dieser Fußbodenheizung geheizt. Die wäre im neuen Haus nicht zugelassen.“
„Ich schlafe fast nichts“
Die Bundesbahnen boten Gründl ein Ersatzhaus an – inklusive Umbau nach seinen Wünschen. Geht es nach dem Gollinger, will er sein Haus behalten: Das sei mit allen Geschichten nicht ersetzbar. Der Enteignungsprozess macht Gründl deshalb zu schaffen: „Ich schlafe fast nichts, weil das ganze Unseriöse, das kommt Tag und Nacht. Kaum wirst du munter, musst du aufstehen und das von der Seele reden.“
ÖBB: „Öffentliches Interesse vor Interesse des Einzelnen“
Bei den ÖBB ist Christian Höss für das Projekt zuständig. Er habe jahrelang alle möglichen Varianten mit Gründl diskutiert, sagt Höss: „Ablösen, Ersatzwohnungen, Ersatzhäuser. Es ist sicher eine bittere Pille, dass der Herr Gründl da aus diesem Haus heraus muss. Aber wir müssen einfach das übergeordnete öffentliche Interesse – insbesondere die Sicherheit an dieser Stelle – vor das Interesse des Einzelnen stellen. So ist uns schlussendlich nach Jahren der Bemühungen leider nichts anderes übriggeblieben, als die Enteignung einzureichen.“
Denn der Bahnschranken in Golling direkt an der Salzachtalbundesstraße sei schon seit Jahren ein Risiko: Immer wieder bleiben Lkws auf den Schienen stehen, weil sie sich nicht auf die Bundesstraße einordnen können: „Wir haben da mehrere Beinahe-Unfälle in den ganzen letzten Jahren gehabt“, sagt Höss.
Baubeginn für ÖBB-Unterführung in Golling
Auszug soll einvernehmlich erfolgen, Gründl will bleiben
Die ÖBB versuchen jetzt trotz Enteignungsbescheid den Auszug von Gründl und seiner Schwester im Einvernehmen zu klären. Gründl sagte zum ORF-Team am Freitag aber, dass er weiter daran glaubt, in seinem Haus leben zu können.
Staus wegen Umleitungsregelung erwartet
Für die Baustelle gibt es in Golling ab Freitagabend Änderungen bei der Verkehrsführung und mehrere Einbahnen. Denn ab dann ist der Bahnschranken für den Verkehr gesperrt. Besonders an diesem Wochenende ist daher in und um Golling mit Stau zu rechnen – eines der verkehrsreichsten Wochenenden des Jahres steht bevor. Die Baustelle im Ort werde sich deutlich auf den lokalen Verkehr auswirken, denn auch auf der Autobahn bei Golling wird gebaut. Der Zeitpunkt dafür sei nicht ideal, sagt der Gollinger Bürgermeister Peter Harlander (ÖVP). Die ASFINAG hätte seiner Meinung nach die Baustelle auch nach dem Sommer einrichten können.
Um in den Westen Gollings zu kommen – in den Ortsteil Torren – muss man die nächsten eineinhalb Jahre durch die neu gebaute Unterführung Moartalstraße. Schwerverkehr muss über Kuchl oder über die Straße beim Kalkwerk Leube ausweichen.