Annalena Baerbock
APA/dpa/Kay Nietfeld
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Politik

„Plagiatsjäger“ kritisiert Baerbocks Grünbuch

Der Salzburger Medienwissenschafter Stefan Weber kritisiert die deutsche Kanzlerkandidatin Annalena Baerbock (Grüne). Diese habe in ihrem Buch abgeschrieben: „Genau genommen handelt es sich auch um Urheberrechtsverletzungen.“ Baerbock steht seit Wochen in heftiger Kritik wegen Angaben in ihren Lebensläufen. Webers Analyse ihres Buches sei „Rufmord“, heißt es nun bei deutschen Grünen.

Laut Stefan Weber geht es bei den Passagen in Baerbocks Buch um Einschätzungen zu Klimawandel und Außenpolitik, die unter anderem von dem amerikanischen Journalisten Michael T. Klare aus einem Beitrag im Magazin „Internationale Politik“ abgeschrieben seien. Andere Textteile in Baerbocks Buch würden aus dem Blog „Klimawandel – Challenge Accepted“ und aus Publikationen der deutschen Bundeszentrale für politische Bildung, des Nachrichtenmagazins „Der Spiegel“ sowie aus Wikipedia stammen: „Teilweise wortwörtlich.“

„Ideen, Zitate, Quellen nicht gekennzeichnet“

Es sei klar, dass Baerbocks Buch keine wissenschaftliche Arbeit sei, so Weber: „Textplagiate sind ethisch generell nicht korrekt. Sie sind äußerst unfair und werden auch zurecht bemängelt, wenn sie in Sachbüchern vorkommen. Nun kommt zum Lebenslauf-Frisier-Fall Baerbock auch noch der Plagiatsfall Baerbock hinzu. Und wenn man es genau nimmt, handelt es sich in dem Buch auch um mehrere Urheberrechtsverletzungen.“

Der Salzburger Medienwissenschafter Stefan Weber wirft der deutschen Kanzlerkandidatin Annalena Baerbock vor, in ihrem Buch abgeschrieben zu haben. Formulierungen stammten nicht von ihr: „Und wenn man es genau nimmt, handelt es sich auch um Urheberrechtsverletzungen.“ Baerbock steht schon seit Wochen in der Kritik wegen umstrittener Angaben in ihren Lebensläufen.
plagiatsgutachten.com/
Weber vermisst in Baerbocks Buch die Angaben, woher verschiedene Ideen und Gedankengänge stammen

Eines der Beispiele

Sehr auffällig ist laut dem Salzburger Wissenschafter auch eine Passage auf Seite 219 von Baerbocks Buch, in der es um die Auswirkungen des Klimawandels auf die Sicherheit geht. Weber stellt den Text der Politikerin einem Text im Magazin „Internationale Politik“ gegenüber.

Baerbock schreibt in ihrem Buch:

"Die Betrachtung des Klimawandels als „Bedrohungsmultiplikator", der Rohstoff- und Gesellschaftskonflikte verschärfen kann, ist seither zu einem Eckpfeiler in der Strategie des Pentagon geworden. Seine Conclusio: Je fragiler ein Staat ist, desto wahrscheinlicher ist es, dass er besonders stark unter den Folgeerscheinungen der Erderwärmung leiden wird – also unter inneren Konflikten, humanitären Katastrophen und Migration. Das daraus entstehende Chaos könnte wiederum zu neuen Herausforderungen für das US-Militär führen, sei es durch humanitäre Hilfseinsätze oder Interventionen im Ausland.“

Der Autor Michael T. Klare schreibt in dem Magazin:

"Das Konzept des Klimawandels als „Bedrohungsmultiplikator", der Rohstoff- und Gesellschaftskonflikte in Entwicklungsländern verschärfen kann, ist seither zu einem Eckpfeiler in der Strategie des Pentagons geworden. Je gespaltener und korrupter ein Staat ist, desto wahrscheinlicher ist es, dass er besonders stark unter den Folgeerscheinungen der Erderwärmung leiden wird – also unter inneren Konflikten, humanitären Katastrophen und Massenmigration. Das daraus entstehende Chaos könnte wiederum zu neuen Herausforderungen für das US-Militär führen, sei es durch humanitäre Hilfseinsätze oder militärische Interventionen im Ausland.“

Grüne Verteidigung: „Bösartige Rufschädigung“

Baerbock habe den auf Medienrecht spezialisierten Rechtsanwalt Christian Schertz eingeschaltet, hieß es dazu von der Bundestagspartei der deutschen Grünen am Dienstagnachmittag.

Weber versuche, „bösartig“ Baerbocks Ruf zu schädigen, sagte der Grünen-Sprecher: „Bei den beschriebenen Passagen handelt es sich um allgemein zugängliche Fakten oder bekannte Grüne Positionen.“ Anwalt Schertz erklärte in einer von der Grünen-Pressestelle verschickten Stellungnahme: „Ich kann nicht im Ansatz eine Urheberrechtsverletzung erkennen, da es sich bei den wenigen in Bezug genommenen Passagen um nichts Anderes handelt, als um die Wiedergabe allgemein bekannter Fakten sowie politischer Ansichten.“

Auch der Ullstein-Verlag, bei dem das Buch erschienen war, verwahrte sich gegen Kritik. Das Manuskript von Annalena Baerbocks Buch sei „sorgfältig lektoriert“ worden, so der Verlag: „Wir können keine Urheberrechtsverletzung erkennen.“

Andere Politiker über Baerbock: „Hochstapelei“

„Vorsätzlich getäuscht, schlampig gearbeitet und bei der eigenen Leistung schon wieder hochgestapelt – das hat bei Annalena Baerbock scheinbar System und erschüttert einmal mehr ihre Glaubwürdigkeit“, sagte CSU-Generalsekretär Markus Blume dem „Focus online“ über das Ergebnis von Webers Recherche. Der Vorsitzende der Jungen Union (CSU), Tilman Kuban, sagte dem Portal: „Erst den Lebenslauf mit wenig eigener Leistung und viel heißer Luft produzieren, jetzt beim Buch abschreiben. So kann man kein Land führen.“

Weber löste Rücktritt von ÖVP-Ministerin aus

Weber hatte als Spezialist für Plagiate in der Vergangenheit bereits mehrere Spitzenpolitiker in Bedrängnis gebracht, indem er deren wissenschaftliche Arbeiten unter die Lupe nahm und nimmt. Im Jänner lösten seine Recherchen beispielsweise den Rücktritt von Österreichs Arbeitsministerin Christine Aschbacher (ÖVP) aus. Daraufhin kündigte der Salzburger an, auch Abschlussarbeiten anderer Ministerinnen wie Susanne Raab und Margarethe Schramböck (beide ÖVP) prüfen zu wollen. Die Liste von Webers Arbeiten über Spitzenpolitiker und ihr Verhältnis zum Zitieren ist mittlerweile lang.

Nach dem Lebenslauf nun Debatte über ihr Buch

Baerbocks Buch „Jetzt. Wie wir unser Land erneuern“ war am 21. Juni erschienen. Es handle sich dabei nicht um einen akademischen Text, für den zwingend strenge Standards wissenschaftlichen Arbeitens gelten würden, sagen politische Unterstützer der grünen Kandidatin. Baerbock breitet in dem 240 Seiten umfassenden Werk politische Konzepte aus und verbindet das mit persönlichen Erlebnissen. Fußnoten, mit denen sie auf Quellen verweisen würde, benutzt sie nicht.

Der Salzburger Medien- und Kommunikationswissenschaftler Stefan Weber sagt dazu, man bekomme in dem Buch an vielen Stellen den falschen Eindruck, das seien die Gedanken der Politikerin. Er habe sich schon seit Mai auch mit Ungenauigkeiten im Lebenslauf Baerbocks und auffälligen Versprechern in ihren Reden und Interviews analytisch befasst.

„Bei Baerbock kommt einiges zusammen“

Weber betonte am Dienstag gegenüber der Deutschen Presse-Agentur, er habe das Buch auf eigene Rechnung und aus fachlichem Interesse untersucht. Es handle sich bei der Analyse nicht um eine bezahlte Auftragsarbeit: „Ich habe mich in das Thema Baerbock verbissen, weil da einiges zusammen kommt.“

Bislang habe er nur Stellen ausgewiesen, die er mit Hilfe einer Software zur Suche nach Plagiaten gefunden habe: „Ich hoffe, dass ich nun noch weitere Hinweise von Lesern bekomme. Denn viele Texte stehen hinter Bezahlschranken, die kann meine Software nicht finden.“

Teile des Buches seien unverdächtig, weil es dort um persönliche Geschichten gehe. Ob noch mehr komme über den Arbeitsstil Baerbocks, das könne er noch nicht sagen.

Kandidatin im Sinkflug

Während die deutsche Bundestagswahl im September mit großen Schritten näher rückt, nimmt der frühere Hype um die Grünen in deutschen Massenmedien ab. Neben dem bescheidenen Ergebnis bei der Wahl in Sachsen-Anhalt plagen Spitzenkandidatin Annalena Baerbock kritische Schlagzeilen über ihre Lebensläufe, Nebeneinkünfte von der Partei und eine unglückliche Spritpreisdebatte.

„Baerbocks harte Landung“, titelte die „Frankfurter Allgemeine Zeitung“. Die Journalistin Bettina Gaus sagte in einer „Spiegel“-Kolumne kürzlich voraus: „Die nächste deutsche Bundeskanzlerin wird nicht Annalena Baerbock heißen.“ Die Debatte um ihre autobiografischen Angaben und die allgemeine Lage der Grünen, die sich noch vor Kurzem im Umfragehoch befanden, bewegen Medien in Deutschland seit Wochen – mehr dazu in news.ORF.at (10.6.2021)