Auch Karajan, Porsche,  Waggerl und Thorak stehen auf der Liste. In der Stadt Salzburg ist Dienstag der Abschlussbericht von Historikern über Straßen vorgestellt worden. Die tragen – 76 Jahre nach Kriegsende – noch immer die Namen von Prominenten, die einst bei NSDAP, SS und/oder SA waren. Bei einigen gab es große persönliche Nähe zu Verbrechern des Hitlerregimes.
ORF
ORF
Politik

NS-belastete Straßen: Unihistoriker-Kritik an Preuner

Nach dem kategorischen „Nein“ von Salzburgs Bürgermeisters Harald Preuner (ÖVP) zu einer Umbenennung von Straßen, die Namen von NS-belasteten Personen tragen, üben nun alle Zeithistoriker des Fachbereichs Geschichte der Universität Salzburg Kritik an der Vorgehensweise des Stadtchefs.

Die Geschichtswissenschafter zeigten sich in einer Stellungnahme befremdet, dass Preuner die Forschungsergebnisse des „akribisch recherchierten und differenzierten Abschlussberichts ohne jede ernsthafte Auseinandersetzung vom Tisch wischt.“

Auftrag an „parteinahen“ Historiker bemängelt

Stattdessen wolle Preuner offenbar einen einzigen, parteinahen Historiker damit beauftragen, eine Empfehlung über das weitere Vorgehen abzugeben, hieß es in dem der APA vorliegenden Schreiben.

Der Bürgermeister hatte in der Vorwoche den Salzburger Geschichtswissenschaftler Robert Kriechbaumer beauftragt, über den Sommer eine Empfehlung abzugeben, bei welchen Straßen welche Form einer Erläuterung gewählt werden sollte – etwa in Form einer Zusatztafel. Umbenennungen lehnen sowohl der Stadtchef wie auch Kriechbaumer ab.

Forderung: Bericht der Kommission ernsthaft diskutieren

Die Zeithistoriker der Universität fordern die Stadtpolitik auf, die Ergebnisse der von ihr selbst eingesetzten Historikerkommission ernsthaft zu diskutieren und erst darauf aufbauend politische Entscheidungen in Bezug auf den Umgang mit „belasteten“ Straßennamen zu treffen. Unterschrieben wurde die gemeinsame Stellungnahme von allen Professorinnen und wissenschaftlichen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern des Bereichs Zeitgeschichte: Margit Reiter, Helga Embacher, Grazia Prontera, Johannes Dafinger und Robert Obermair.

Preuner: Umsetzungs-„Empfehlung“ von Kriechbaumer

Bürgermeister Preuner betonte am Montag in einer Stellungnahme zum Brief der Zeithistoriker, dass er den Bericht der Historikerkommission sehr wohl respektiere. Er werde „dem aufgezeigten Handlungsbedarf respektive den Handlungsempfehlungen Rechnung tragen, um eine sachgerechte Lösung zu finden.“

Diese Lösung besteht für Preuner aber „nicht in Umbenennungen, sondern im Aufgreifen der Empfehlung zum Sichtbar- und Bewusstbarmachen unserer Geschichte.“ Deshalb habe er auch Robert Kriechbaumer um Empfehlungen bei der weiteren Vorgangsweise ersucht. Es handle sich dabei aber nicht um ein Infragestellen des Berichtes der Historikerkommission und auch um kein „Gegengutachten“, sondern um Empfehlungen zur weiteren Vorgangsweise.

13 Straßennamen-Paten mit gravierenden NS-Verstickungen

Für den 1.100 Seiten umfassenden und am 8. Juni präsentierten Abschlussbericht waren in Salzburg drei Jahre lang die Rollen von 66 Straßennamenspaten aufgearbeitet worden, die unterschiedlich stark mit dem NS-Regime verstrickt waren. Ein neunköpfiger Historiker-Fachbeirat – ihm gehörte keiner der Zeithistoriker der Universität Salzburg an – teilte sie dann in drei Klassen ein. Bei 13 Personen waren die Verbindungen zu den Nationalsozialisten so gravierend, dass eine Klärung empfohlen wurde, ob das Anbringen einer Erläuterungstafel reicht oder die Straße umbenannt werden soll.

Auch Herbert von Karajan, Ferdinand Porsche betroffen

Unter den 13 stark belasteten Namenspaten finden sich auch sehr prominente Namen: etwa der des Dirigenten Herbert von Karajan, des Automobilkonstrukteurs Ferdinand Porsche oder des Gründers des Salzburger Adventsingens, Tobias Reiser.

In der Stadt Salzburg haben sich fast alle größeren Parteien schon vor oder nur Stunden nach Erscheinen des Berichts mehr oder weniger deutlich zur Frage der Umbenennungen deklariert. Dabei zeichnete sich eine politische Mehrheit gegen neue Straßennamen ab. Die Entscheidung darüber, was tatsächlich passiert, soll nach der Sommerpause im Herbst fallen.