Auch Karajan, Porsche,  Waggerl und Thorak stehen auf der Liste. In der Stadt Salzburg ist Dienstag der Abschlussbericht von Historikern über Straßen vorgestellt worden. Die tragen – 76 Jahre nach Kriegsende – noch immer die Namen von Prominenten, die einst bei NSDAP, SS und/oder SA waren. Bei einigen gab es große persönliche Nähe zu Verbrechern des Hitlerregimes.
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Politik

Prominente Nazis: Brisante Liste der Straßennamen

Auch Karajan, Porsche, Waggerl und Thorak stehen auf dieser Liste. In der Stadt Salzburg haben Historiker am Dienstag einen brisanten Abschlussbericht vorgestellt. Es geht um städtische Straßen, die – 76 Jahre nach Kriegsende – noch immer die Namen von prominenten Nationalsozialisten und/oder SS- bzw. SA-Leuten tragen. Bei einigen gab es große persönliche Nähe zu Verbrechern des Hitlerregimes.

Auf 1.100 Seiten arbeiten die Frauen und Männer der Historikerkommission nun die Biografien von 66 Namenspaten auf, die unterschiedlich stark mit dem NS-Regime verbunden waren. Bei 13 waren die Verbindungen so gravierend, dass nun geklärt werden soll, ob das Anbringen von Erläuterungstafel reichtn, oder ob die jeweilige Straße umbenannt werden soll. Auch die Namen Herbert von Karajan, Ferdinand Porsche und Karl-Heinrich Waggerl scheinen in der neuen Dokumentation in der Rubrik auf, die die Historiker für Umbenennungen vorschlagen. Hitlers Lieblingsbildhauer Josef Thorak gehört auch dazu.

Über 13 Namen wird im Herbst abgestimmt

„Wie wir mit den wissenschaftlichen Erkenntnissen umgehen, ist am Ende des Tages eine politische Entscheidung“, sagt der ressortzuständige Vizebürgermeister Bernhard Auinger (SPÖ): „Der Bericht zeigt, dass es keinen Zweifel an den Fakten gibt. Nun muss die Politik bewerten: Was haben diese 13 Personen für die Stadt Salzburg nach 1945 noch geleistet? Das war nicht die Aufgabe des historischen Fachbeirats.“

Auch Karajan, Porsche,  Waggerl und Thorak stehen auf der Liste. In der Stadt Salzburg ist Dienstag der Abschlussbericht von Historikern über Straßen vorgestellt worden. Die tragen – 76 Jahre nach Kriegsende – noch immer die Namen von Prominenten, die einst bei NSDAP, SS und/oder SA waren. Bei einigen gab es große persönliche Nähe zu Verbrechern des Hitlerregimes.
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Der Abschlussbericht der Historiker wird nun an alle Fraktionen im Salzburger Gemeinderat verschickt. Nach der politischen Sommerpause soll im Herbst dann einzeln über alle 13 Namen abgestimmt werden. „Eine Mehrheit muss dann entscheiden, was mit diesen Straßen passieren wird“, so Auinger.

Karajan, Porsche, Thorak, Waggerl hoch belastet

Faktum ist, dass sich im Kreis der hoch belasteten Namenspaten prominente Namen finden: Neben Dirigent Herbert von Karajan und Automobilkonstrukteur Ferdinand Porsche sind dies Volkskundler und Obmann des Landestrachtenverbandes Kuno Brandauer, Musikschriftsteller und Mitbegründer der Salzburger Festspiele Heinrich Damisch, Schriftsteller und Maler Erich Landgrebe, Komponist und Dirigent Hans Pfitzner, Volksmusikant Tobias Reiser, die beiden Bildenden Künstler Gustav Resatz und Josef Thorak, der Domorganist und Mozarteum-Professor Franz Sauer sowie Musikwissenschafter und Universitätsprofessor Erich Schenk, Kunsthistoriker und Universitätsprofessor Hans Sedlmayr und der äußerst populäre Schriftsteller Karl Heinrich Waggerl.

Auch Karajan, Porsche,  Waggerl und Thorak stehen auf der Liste. In der Stadt Salzburg ist Dienstag der Abschlussbericht von Historikern über Straßen vorgestellt worden. Die tragen – 76 Jahre nach Kriegsende – noch immer die Namen von Prominenten, die einst bei NSDAP, SS und/oder SA waren. Bei einigen gab es große persönliche Nähe zu Verbrechern des Hitlerregimes.
Gerald Lehner
Um Hitlers Lieblingsbildhauer Josef Thorak und die zu seinen Ehren benannte Straße im Stadtteil Aigen gibt es schon lange heftige Diskussionen – siehe auch Link-Liste ganz unten. Über Jahrzehnte widersetzten sich sozialdemokratische Salzburger Bürgermeister im Zusammenspiel mit Parteifreunden und anderen Parteien einer Umbenennung. Diese wurde immer wieder von überlebenden Opfern des NS-Regimes und Künstlern gefordert.

Thoraks Hitler-Büste entdeckt: Beim Nationalmuseum in Danzig (Polen) wurde 2015 eine lange verschollene, in der NS-Zeit sehr populäre Marmorbüste von Adolf Hitler entdeckt. Schöpfer war der Salzburger Bildhauer Josef Thorak.

In dem zeithistorischen Buch „Im Schatten der Mozartkugel. Reiseführer durch die braune Topografie von Salzburg“ beschäftigt sich ein Kapitel mit Thorak und seinem Werk. Die Salzburger Historikerin Susanne Rolinek schreibt:

"1944 nahm Thorak an der Ausstellung ‚Deutsche Künstler und die SS‘ in Salzburg teil, bei der er auch seine Hitlerbüste präsentierte. Er gehörte zu den 21 vom ‚Führer‘ und Goebbels bestimmten ‚gottbegnadeten‘ Künstlern, die ‚unersetzlich‘ und deshalb von Kriegsdienst und Einsatz in der Rüstungsindustrie befreit waren.

1943 kaufte der Bildhauer das ‚arisierte‘ Schloss Prielau im Pinzgau und schenkte Salzburg als Dank dafür die Skulpturen ‚Fischer von Erlach‘ und ‚Paracelsus‘, Letztere ist heute noch im Kurgarten vor dem Paracelsus-Bad zu sehen. Für Prielau ließ er sich vom Kunsträuber Kajetan Mühlmann gotische Türen und Skulpturen aus Frankreich und den Niederlanden herbeischaffen. Eines der dunkelsten Kapitel seines Lebens war die Funktion als künstlerischer Berater der SS-eigenen Porzellanmanufaktur Allach auf dem Gelände des KZ Dachau, wo er die KZ-Häftlinge bei ihrer Arbeit inspizierte. Thorak war bis zuletzt vom ‚Endsieg‘ seines Idols Hitler überzeugt …"

Genaue Liste der Kriterien

Für die Beurteilung der Rollen der 66 Namenspaten im NS-Regime hat der neunköpfige Historiker-Fachbeirat eine Reihe von Kriterien erarbeitet: Bewertet wurden etwa die Beteiligung an Kriegsverbrechen, Zerstörungen, Plünderungen, „Arisierungen“ (Verbrechen an jüdischen Bürgern: Raub von Besitz, Immobilien, Grund und Boden) oder Kunstraub – und das nicht nur als handelnde Akteure, sondern auch als Nutznießer. Auch die Propagierung der NS-Ideologie über Judenhass und die Förderung des Regimes aus führenden Positionen heraus wurde beurteilt – genauso wie das Verleugnen und Verharmlosen der NS-Verbrechen nach 1945 – und der Umgang mit der eigenen Rolle in der NS-Zeit.

Wie agierte jemand vorher und danach?

„Es ging nicht darum aufzuwiegen und zu verurteilen, sondern darum, die Verstrickung in das NS-Regime zu zeigen. Was haben diese Personen in der NS-Zeit gemacht“, sagt der Historiker Oskar Dohle, Leiter des Salzburger Landesarchivs und Mitglied des Fachbeirats: „Aber man kann sie nicht nur in ihrem Leben von 1938 bis 1945 beurteilen. Es geht auch darum, wie sind sie sozialisiert worden, aus was für einem Umfeld kommen sie, gab es vorher schon antisemitische Äußerungen? Und wie verhielten sie sich in der Zeit der Illegalität vor 1938 und nach 1945 bei der Entnazifizierung?“

Eindeutige Mehrheiten der Fachleute

Von den insgesamt 66 Biografien im Abschlussbericht fallen 24 in die Kategorie I. Das sind Personen, deren Verstrickung mit dem Nazi-Regime nicht so gravierend war, dass es etwa einer Erwähnung auf einer Erläuterungstafel brauche. Bei 29 Namen (Kategorie II), gingen die Aktivitäten so weit, dass die Kommission eine Info auf den Erklärungstafeln zu den Straßennamen vor Ort empfahl. Bei den 13 Namen der „Kategorie III“, für die letztlich „Diskussions- und Handlungsbedarf“ gesehen wird, fiel die Entscheidung bei der Einteilung in neun der 13 Fälle einstimmig. In drei Fällen (Sauer, Sedlmayr, Waggerl) kam sie mit hoher Mehrheit (8:1 Stimmen) zustande. Einzig im Fall von Karajan war es knapper: Hier votierten vier Mitglieder des Fachbeirats für eine Einteilung in die weniger belastete Kategorie II.

Heftige Diskussionen, Interventionen

In der Stadt Salzburg sind nach Vorliegen des Berichts heftige Diskussionen vorprogrammiert. So hatte bereits das Durchsickern der 13 hoch belasteten Straßennamen in der Vorwoche für vielfältige Reaktionen gesorgt. Noch vor Vorliegen des Endberichts teilte etwa die Stadt-FPÖ mit, Umbenennungen sehr kritisch gegenüber zu stehen. Der KZ-Verband beharrte in einer Aussendung am Dienstag hingegen auf einer grundsätzlichen Umbenennung aller Straßen, die nach Nazis und ihren Mitläufern benannt sind. Und hinter den Kulissen dürften Angehörige und Nachfahren von Namenspaten bereits gegen Umbenennungen intervenieren.

Auinger: „Nichtstun ausgeschlossen“

Wie Vizebürgermeister Auinger sagt, dürfte die breite Bevölkerung die Umbenennungen ablehnen. Er will betroffene Bürger darum einbinden. Zudem brauche es Kostenersatz von der Stadt, um die mit einer Umbenennung verbunden Kosten zu decken. „Gar nichts zu tun, ist für mich nach Vorlage des Berichts aber unvorstellbar“, so Auinger: „Einfach zur Tagesordnung übergehen, das halte ich für ausgeschlossen.“