Wolf
Getty Images/Moment RF/Copyright Michael Cummings
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LANDWIRTSCHAFT

Wölfe rissen 40 Schafe, Kritik an Politik

Im Pinzgau sollen Wölfe am Wochenende insgesamt 40 Schafe in Rauris, Mittersill und Uttendorf gerissen haben. Die Landes- und Bundespolitik solle sich endlich für die Almbauern einsetzen, verlangen Züchter und Landwirte. Auch die Forderung nach einem Abschuss wird laut.

Nachdem im Raum Mittersill (Oberpinzgau) am Wochenende zwei tote Schafe mit entsprechenden Bisswunden gefunden wurden, gab es am Sonntag auch in der Unterpinzgauer Gemeinde Rauris große Aufregung in der Landbevölkerung.

Im Ortsteil Hundsdorf beim Eingang des Tales – nicht weit von der Nachbargemeinde Taxenbach entfernt – fand Bergbauer Horst Fletzberger auf seiner Weide die 20 toten Schafe mit zum Teil schwersten Bissverletzungen. Die Tiere sollten in die nächsten Tagen auf die Alm getrieben werden. Am Montag wurde bekannt, dass auch in Uttendorf (ebenfalls Pinzgau) am Wochenende acht Schafe auf diese Art getötet wurden.

Almbauern fordern Abschuss

Aktuell gehen die Bauern in ganz Salzburg von mindestens zwei Wölfen aus, denn die Distanz zwischen den Rissen wäre für einen Wolf zu groß. Aber einen offiziellen Wolfsnachweis gibt es noch nicht. Die Ergebnisse der DNA-Proben sollen in zwei Wochen vorliegen. In Rauris wird jetzt die Forderung nach einem Abschuss laut. Der Rauriser Bürgermeister Peter Loitfellner (SPÖ), selbst Bergbauer und Jäger, hofft, dass der Wolf in Salzburg bald zum „Problemwolf“ erklärt wird. „Es gibt nur eine Lösung, den Abschuss, wenn wir die Kulturlandschaft, wie wir sie derzeit auffinden, erhalten wollen“, betonte Peter Loitfellner.

In einem Fünf-Punkte-Plan ist der Umgang mit Wölfen in Salzburg geregelt. Dieser Plan schließt auch keinen Abschuss aus. Laut dem Wolfsbeauftragten des Landes, Hubert Stock, könnte es eine Freigabe zum Abschuss am ehesten in Rauris geben. Die anderen beiden betroffenen Gemeinden würden die Anforderungen noch nicht erfüllen.

40 tote Schafe im Pinzgau

„Endlich mit dem Theater aufhören“

Der Schafzüchter Robert Zehentner im Taxenbacher Ortsteil Eschenau sagte Montagfrüh dazu dem ORF, die Umwelt- und und Landwirtschaftspolitik müsse „endlich mit dem Theater aufhören“. Beim Wolf könne man schon länger nicht mehr von einer gefährdeten Art sprechen. Es stimme auch nicht, dass es nur um einzelne „Problemwölfe“ geht: „Es ist ganz normales Verhalten der Wölfe, das wir hier in den Landgemeinden nun wieder zu sehen bekommen“, so der Pinzgauer. Mit der Problemwolf-Theorie könnten politische Vertreter der Bauern sicher keine Schießerlaubnis mehr erreichen. Es gehe schon lang nicht mehr um seltene Einzeltiere.

In Rauris habe Sonntag ein Wolf 20 Schafe gerissen, berichten Bergbauern im Unterpinzgau. Die Politik solle sich endlich für die Almwirtschaft einsetzen. Das verlangt Robert Zehentner in Taxenbach, Bergbauer und Senior-Chef der Tauernlamm-Genossenschaft. Es gebe in Europa schon so viele Wölfe, dass man nicht mehr gefährdeter Art sprechen könne.
Tauernlamm Genossenschaft
Züchter Zehentner auf seinem Hof im Ortsteil Eschenau auf der Sonnseite des Salzachtales. 20 Schafe eines Kollegen in der Nachbargemeinde Rauris hat es dieses Mal erwischt …

Lange Diskussionssendung zum Nachhören:

In „Mittagszeit“ von ORF Radio Salzburg gab es Montag, 7. Juni 2021, ebenfalls heiße Diskussionen zu dem Thema. Viele Hörer – besonders aus dem Bergland – riefen an und schilderten ihre Sicht der Dinge.

Einer der wenigen Verteidiger der aktuellen Wolfspolitik der EU war Christian Pichler, der als Wolfsexperte der Naturschutz-Organisation WWF in einem ORF-Studio in Wien zugeschaltet war. Im Salzburger Landesstudio diskutierten mit: Hubert Stock, Bergbauer und „Wolfsbeauftragter“ des Landes Salzburg sowie Sepp Wesenauer, Landwirt in Faistenau (Flachgau) und Spezialist für seltene Haustierrassen. Hier können Sie diese Sendung nachhören:

„Katastrophe für heimische Bauern“

Der Taxenbacher Biobauer Robert Zehentner war früher Obmann der SPÖ-Bauern in der Salzburger Landwirtschaftskammer. Er saß 14 Jahre als Abgeordneter der Sozialdemokraten im Landtag und zwei Jahre im Bundesrat in Wien. Zehentner ist nun Senior-Chef der Tauernlamm-Genossenschaft und spricht als Direkt-Vermarkter parteiübergreifend für mehr als 80 Bergbauern bzw. Zulieferer aus der Region, die Kleinbetriebe bewirtschaften.

Interview mit Robert Zehentner

Der Landwirt zitiert zum Thema Wolf nun offizielle Angaben der EU, wonach in Mitteleuropa mittlerweile bis zu 23.000 Wölfe leben:

„Deshalb muss der Wolf aus der Fauna-Flora-Habitat-Richtlinie der EU herausgenommen werden. Man kann da nicht mehr von einer gefährdeten Art sprechen. Die Vorgänge am Wochenende in Mittersill und besonders in Rauris sind die Fortsetzung einer Katastrophe für die heimischen Schafbauern.“

Frage: Was soll konkret geschehen?

„Es gibt immer die Möglichkeit, dass die österreichische Umweltministerin hergeht und die FFH-Richtlinie der EU beeinsprucht.“

Wie ist die Stimmung in Ober- und Unterpinzgau?

WWF gegen Abschüsse
Beim WWF in Wien sieht man die Lage völlig anders als viele Bergbauern. Die Naturschützer sind überzeugt, dass Herdenschutz auch in den Ostalpen machbar sei. Landwirte müssten von der Politik besser unterstützt werden. Forderungen nach Abschüssen seien „nicht hilfreich“. Zudem würden immer wieder Wölfe aus Nachbarländern mit weit größeren Wolfspopulationen durch Österreich streifen. Das traditionelle Hirtenwesen müsse wiederbelebt werden, so Florian Kozak vom WWF in einer Aussendung am Montag.

Salzburgs Agrarlandesrat Josef Schwaiger (ÖVP) hat solche Vorschläge schon vor einigen Wochen als „unfinanzierbar" vehement zurückgewiesen. Allein Salzburgs Almen würden etwa 200.000 Fußballfeldern entsprechen: „Es sind auch sehr hochgelegene Gebiete. Wenn wir das realisieren, dann würden Bergbauern ihre Almen nicht mehr bewirschaften, die auch für den allgemeinen Arten- und Naturschutz wichtig sind. Die alpine Kulturlandschaft wäre in Gefahr – und damit auch Täler durch mehr Muren und Lawinen.“

„Die Bergbauern sind alle sehr aufgeregt. Wenn du am Abend schlafen gehst und am Morgen nicht weißt, ob du einen Wolf gehabt hast bei deinen Schafen. Es ist bei mir genauso, ein umgekehrtes Lotteriespiel. Hunderte Bauern haben jetzt ihre Schafe auf den Talweiden, bevor sie auf die Alm getrieben werden. Und niemand weiß, wo der Wolf in der nächsten Nacht zuschlägt.“

Wird es heuer Probleme geben beim Almauftrieb?

„Ich kann es noch nicht einschätzen. Voriges Jahr war die Lage in Tirol katastrophal, und bei uns war es ruhig. Und heuer geht es anscheinend wieder bei uns los. Man muss die FFH-Richtlinie der EU endlich anpassen. Es muss berücksichtigt werden, dass nun schon 20.000 Wölfe in Europa kreuz und quer laufen. Da kann ich nicht hergehen und sagen, der Wolf ist hoch gefährdet. Er ist überhaupt nicht gefährdet."

Zehentner im Original-Ton:

Steckt Romantik von Naturschützern dahinter?

„Ich nenne das nicht Romantik. Ich bezeichne es als Unverständnis, dass man andere Tiere wie Schafe, Ziegen und Rinder bewusst solch sinnlosen Gefahren aussetzt. Dazu kommt das Unverständnis zu der Tatsache, dass man die Schafe im Gelände unserer Almlandschaften in den Ostalpen einfach nicht schützen kann.“

Zehentner folgt damit den Argumenten vieler seiner Berufskollegen: Spezielle Zäune und Herdenschutzhunde – wie sie in anderen Regionen Europas mit unterschiedlichen Landschafts- und Gebirgstypen zum Einsatz kommen – seien in der Tauernregion und in deren Vorbergen topografisch, taktisch und finanziell nicht realisierbar. Außerdem könne es sich kein Kleinbetrieb in Salzburg leisten, zusätzlich Hirten anzustellen, die dann im Dauereinsatz stehen müssten – auch zum Schutz von Menschen: „Herdenschutzhunde, die dem Wolf widerstehen, wären auch für Wanderer und Ortsfremde gefährlich.“