Landesgericht Salzburg Justizgebäude
ORF.at/Georg Hummer
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Gericht

Großfamilie wegen IS-Terrorfinanzierung angeklagt

Beim Landesgericht Salzburg muss sich Dienstag eine Großfamilie wegen Terrorfinanzierung verantworten. Den sechs Personen wird vorgeworfen, einem weiblichen Familienmitglied, die sich 2017 in Syrien der Terrormiliz IS anschloss, Geld geschickt zu haben. Die Angeklagten beteuern ihre Unschuld.

Die Verdächtigen haben laut Anklage eine mittlerweile 43-jährige Verwandte finanziell unterstützt, die sich der Terrormiliz Islamischer Staat (IS) angeschlossen habe und im März 2017 ins IS-Herrschaftsgebiet nach Syrien gereist sein soll. Die Angeklagten würden ihre Unschuld beteuern, wie ihre Verteidiger erklärten.

„Spätestens seit 2016 beim IS“

Bei den Beschuldigten handelte es sich um die Mutter der 43-jährigen Bosniern, eine Tochter und deren Ehemann, zwei Brüder und eine Schwägerin. Die Bosnierin lebte vor ihrer Abreise nach Syrien seit Jahren in Salzburg. Für ihre Familie sei es bereits im Jahr 2013 erkennbar gewesen, dass sie sich der fundamentalistischen Glaubenslehre zugewendet und begonnen habe, einen Gesichtsschleier zu tragen, erläuterte der Staatsanwalt: „Spätestens im Jahr 2016 hat sie sich dem IS angeschlossen.“

Vorwurf islamistisch-terroristischer Propaganda

Die 43-Jährige habe im Internet eine einschlägige Seite mit IS-Propaganda zumindest verwaltet. Es sei aber nicht klar, ob sie die Seite selbst betrieben oder diese in die bosnische Sprache übersetzt hat. Ebenfalls im Jahr 2016 habe die Frau gegenüber ihrer großteils in Salzburg lebenden Familie wiederholt geäußert, „sie möchte in das Land reisen, wo sie ihren Glauben leben kann. Gemeint war der Islamische Staat“, schilderte der Staatsanwalt.

Vor der Reise habe sich die Bosniern einen neuen Reisepass ausstellen lassen. Auf dem Bild habe sich die Frau unverschleiert und geschminkt gezeigt. Die Reise habe sie in westlicher Kleidung angetreten, so der Staatsanwalt. „Das ist die übliche Vorgehensweise, um den Verdacht von Behörden zu umgehen.“ Später, an der syrischen Grenze, habe sie den Schleier wieder getragen.

„Mehr als 4.000 Euro überwiesen“

Konkret lastete der Staatsanwalt den sechs Familienmitgliedern an, sie hätten in dem Wissen, dass sich ihre Verwandte dem IS angeschlossen habe, ihr im Jahr 2017 insgesamt 4.200 Euro überwiesen: „Dass der IS eine Terrororganisation ist, hat 2017 in Österreich jeder gewusst.“ Die 43-Jährige habe zudem Nachrichten an Verwandte geschrieben, dass sie Teil des Jihad geworden sei. Der Staatsanwalt verwies auch auf die Angaben einer Zeugin, wonach die Frau einen IS-Treueschwur geleistet habe.

Chats und Treueschwur

Ein Rechtsanwalt, der in dem Prozess eine Schwägerin und zwei weitere Familienmitglieder vertritt, meinte, die Ermittlungsergebnisse seien nicht ausreichend, um eine Schuld nachweisen zu können. Er forderte einen Freispruch. Die Intention der Familienangehörigen sei es gewesen, der Frau in ihrer finanziellen Not zu helfen. Ein weiterer Vereidiger sagte, die Überweisung „war ein Akt der Familienhilfe und nicht mehr“.

Rechtfertigung: „Geld war Familienhilfe“

Die Angehörigen hätten damit aber keinen Beitrag dazu geleistet, eine terroristische Vereinigung zu unterstützen. Aus dem Tragen eines Schleiers oder einer Übersetzung ein Naheverhältnis zu einer derartigen Vereinigung abzuleiten, „ist weit hergeholt“, betonte der Anwalt der drei Angehörigen. Die 43-Jährige habe sich nie einer solchen Organisation angeschlossen.

„Frau nicht mehr in Syrien, sondern Türkei“

Das Reiseziel der Bosnierin soll Idlib in Syrien gewesen sein. Laut dem Verteidiger befinde sich die Frau bereits seit Jahren in der Türkei und nicht im Islamischen Staat. Wegen der CoV-Situation könne sie nicht zurückkehren. „Sie ist aber telefonisch erreichbar“, sagte der Anwalt zur Vorsitzenden des Schöffensenates. Er stellte zum Unschuldsbeweis einen Antrag zur Einvernahme von zwei Zeugen und der Bosniern selbst. Die 43-Jährige konnte heute von der Vorsitzenden anhand der von dem Verteidiger angegebenen Telefonnummer kontaktiert werden. Es wurde vereinbart, dass die Frau in den nächsten Tagen im türkischen Generalkonsulat in Istanbul einvernommen wird.