Kind kauert auf Couch mit Händen über dem Kopf
ORF
ORF
Soziales

Ärzte: Gewalt gegen Kinder bleibt öfter unentdeckt

Gewalt gegen Kinder könnte durch die Coronavirus-Krise eher unentdeckt bleiben. Diese Befürchtung haben Kinderschutzexperten des Uniklinikums Salzburg. Denn die Zahlen der eingelieferten Kinder sei gesunken – ganz entgegen den Trends in anderen Bereichen.

65 bis 70 Kinder werden durchschnittlich pro Jahr in der Kinderklinik des Uniklinikums Salzburg nach Gewalttaten behandelt. Dies umfasst sowohl körperliche als auch seelische Misshandlungen. Mit Beginn der Coronavirus-Krise im Vorjahr rechneten die Ärzte eigentlich mit einem Anstieg der Gewalt gegen die Jüngsten vor allem in den Familien. Doch in den vergangenen Monaten ging die Zahl der Kinder, die nach solchen Übergriffen betreut wurden, zurück.

„Eher die Dunkelziffer gestiegen“

„Wir befürchten aus Sicht der Kinderschutzgruppe, dass doch eher die Dunkelziffer gestiegen ist und wir diese Kinder eher in einer ‚Welle‘ im Frühling nächstes Jahr sehen werden, wenn Kinder mit Problemen im psychischen, im körperlichen Bereich kommen und sich dann vielleicht bei manchen Dingen herausstellt, dass da Gewalt stattgefunden hat“, sagt Oberarzt Christian Heil, Leiter der Kinderschutzgruppe an den Salzburger Landeskliniken.

Bleibt Gewalt gegen Kinder in CoV-Krise eher unentdeckt?

Die Kinderschutzgruppe wird bei auffälligen Verletzungen oder Verdachtsfällen bei kleinen Patienten im Krankenhaus aktiv. Viele Fälle von Gewalt gegen Kinder werden üblicherweise auch in Bildungseinrichtungen wie Schulen entdeckt. Das sei in der Pandemie nur mehr eingeschränkt möglich, sagt Heil: „Die Schulen sind partiell offen, dann wieder geschlossen – ebenso Kindergärten und Kinderbetreuungseinrichtungen allgemein. Die sind aber ein guter Indikator – denn die schauen auf die Kinder, die sehen die Kinder. Und wenn zum Beispiel suspekte blaue Flecken zu sehen sind oder sich die Kinder vom Verhalten her drastisch verändern, dann werden die Kinder uns über die Kinder- und Jugendhilfe vorgestellt und wir besprechen das in der Kinderschutzgruppe.“

Schulen wichtig bei Erkennung von Gewaltfällen

Die Schulen spielen bei der Erkennung von Gewalt gegen Kinder also eine wichtige Rolle. Doch auch dort haben sich Befürchtungen eines Anstieges der gemeldeten Fälle noch nicht bestätigt, sagt Helene Mainoni-Humer, Abteilungsleiterin für Schulpsychologie in der Bildungsdirektion Salzburg: „Auch wir sind etwas ratlos. Wir haben – so wie Kollegen in anderen Branchen – damit gerechnet, dass es zu einem heftigen Anstieg kommen wird. Denn das Interessante ist, dass wir in der Schulpsychologie oder bei den Schulärzten keine verstärkte Nachfrage von Seiten der Schülerinnen und Schüler oder der Eltern merken. Wir haben dafür auch extra eine Telefonhotline (0800 211320 – Anm.) eingerichtet, die bis 21.00 Uhr am Abend besetzt ist. Aber da gibt es keine vermehrten Anrufe im Vergleich zu Nicht-Corona-Zeiten.“

Experten gehen davon aus, dass rund zehn bis 15 Prozent aller Kinder misshandelt oder missbraucht werden.