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Soziales

„CoV verstärkt Spaltung der Gesellschaft“

Vor genau einem Jahr wurden die ersten CoV-Fälle in Österreich bekannt. Kaum jemand konnte sich Ende Februar 2020 vorstellen, wie sich diese Krise entwickelt, und wie die Lockdowns unsere Gesellschaft verändern. Immer mehr Menschen vertrauen der Politik nicht mehr, sagen Experten.

Helga Rabl-Stadler ist nicht nur Präsidentin der Salzburger Festspiele. Sie ist auch ein politischer Mensch, hat neben Jus auch Politikwissenschaft studiert.

„Europa-Gedanke bisher noch nie so schwach“

Ein Jahr Corona macht die international für Salzburg tätige Kulturmanagerin mehr als nachdenklich: „Mich beunruhigt es sehr, dass nach einem Jahr die Lage nicht entspannter ist. Im Gegenteil. Die meisten sind seelisch und finanziell angeschlagen. Das große Zusammengehörigkeitsgefühl, auf das so viele gesetzt haben, das sehe ich nicht. Das ist für eine Gemeinde genauso schlimm wie für den Europa-Gedanken. Der war noch nie so schwach wie derzeit.“

„Protestbewegungen könnten aufflammen“

Die CoV-Krise wirke wie ein Scheinwerfer oder Verstärker auf schon bestehende Zustände, sagen Psychologen. Veränderungen werden beschleunigt, Spaltungen in der Gesellschaft schonungslos aufgedeckt, betont der Soziologe Wolfgang Aschauer von der Universität Salzburg:

„Wenn die Krise durch Mutationen länger fortschreitet, wenn sich die ersehnte Normalität nicht einstellt, dann könnten die Spaltungslinien noch tiefer werden. Dann könnte das Vertrauen in die Regierungsarbeit noch weiter abnehmen. Die Gruppe der Corona-Skeptiker könnte größer werden. Protestbewegungen könnten aufflammen. Selbst sehe ich das als nicht sehr wahrscheinlich an, weil ich glaube, dass wir im Sommer eine Art neue Normalität bekommen. Wir sind aber im Stadium eines Scheideweges. Es werde soziale Folgen sichtbar, die werden aber in den nächsten Jahren noch deutlicher, ökonomisch und sozial.“

„Resignative und ausgelaugte Stimmung“

Unbefangenheit, Nähe, Lockerheit, das alles ist vielen Menschen verloren gegangen. Salzburgs Landeshauptmann Wilfried Haslauer (ÖVP) spricht von sozialer Distanz, wenn er die Gesellschaft vergleicht – heute und vor einem Jahr: „Wir sehen im Kleinen bemerkenswerte Zeichen der Hilfsbereitschaft. Aber diese große Klammer ist nicht mehr – wie beim ersten Lockdown. Da sagte ein ganzes Volk, da müssen wir nun zusammenstehen und uns an die Regeln halten. Mittlerweile ist dem eine etwas resignative und auch ausgelaugte Stimmung gewichen.“

Zunehmende Zweifel und Kritik an Politikern

Corona lege auch die Defizite der Politik schonungslos offen, ist der Politikwissenschafter Reinhard Heinisch von der Uni Salzburg überzeugt. Für die Zukunft ist er nicht unbedingt zuversichtlich:

„Am meisten habe ich Angst vor der weiteren Spaltung der Bevölkerung in den westlichen Demokratien – in Europa und in den USA. Sie zeigt sich im Wahlverhalten, in Einstellungen, und dass sich viele Menschen aus dem bisher üblichen Wahrnehmungsspektrum herauskippen und auf alternative Fakten setzen. Die Extremerfahrung der Pandemie verstärkt diesen Prozess eher. Es sagen noch mehr Leute, das sind die da oben, mit diesen Politikern will ich nichts zu tun haben. Wenn sich diese Menschen dann auskoppeln, dann fehlen ihre Beiträge. Und es gibt eine wechselseitige Radikalisierung. Man nimmt sich dann nicht mehr gegenseitig ernst. Das ist für die Demokratie insgesamt natürlich fatal.“

Einigkeit herrscht bei vielen in einem Punkt. Das Virus hat die ganze Gesellschaft verändert – von Grund auf und möglicherweise langfristig.