Atemschutzmasken
APA/HANS KLAUS TECHT
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Coronavirus

Studie: „Lockdown light bricht Infektionswelle nicht“

Selbst bei optimistischen Annahmen könne ein „weicher“ Lockdown die Ausbreitung von Covid-19 nicht brechen. Zu diesem Ergebnis kommt eine Arbeitsgruppe des Informatikers Robert Elsässer an der Uni Salzburg. Erst wenn mindestens 40 Prozent der Bevölkerung immunisiert seien, greife ein „Lockdown light“.

Das hätte das mathematische Modell gezeigt, so Elsässer. Und bis diese Immunisierung gegeben ist, seien zur effektiven Pandemiebekämpfung harte Maßnahmen inklusive Schulschließungen zielführend, folgern die Forscher. Elsässer und sein Team haben dazu in den ersten Jänner-Wochen eine große Anzahl von Simulationen mit unterschiedlichen Parametern durchgeführt.

Fokus auf Ansteckung in geschlossenen Räumen

Sie konzentrierten sich auf die Übertragung von Viren in geschlossenen Räumen, konkret an Schulen, am Arbeitsplatz und in den Familien. Variiert wurden etwa das Ausmaß von Distance-Learning, der Anteil von Homeoffice und die Übertragungswahrscheinlichkeiten zu Hause bzw. bei Kindern unter 14 Jahren.

„Wir haben dafür die einschlägige Fachliteratur bezüglich der Übertragungswahrscheinlichkeiten von SARS-CoV-2 über Tröpfchen und Aerosole herangezogen. Darauf aufbauend wurde ein mathematisches Modell entwickelt, das die Altersverteilung berücksichtigt und die Bewegung von Personen zwischen Schule, Arbeitsplatz und Familie zugrunde legt“, so Elsässer.

Optimistisches Modell „ernüchternd“

Gearbeitet wurde dabei mit sowohl optimistischen wie pessimistischen Annahmen. Bei den optimistischen Szenarien in der Arbeitswelt etwa gingen die Forscher davon aus, dass in den Büros die Infektion lediglich über Aerosole weitergegeben wird, eine Infektion über Tröpfchen aber mit Hilfe geeigneter Maßnahmen wie Trennglas zwischen den Arbeitsplätzen bzw. Masken unterbunden wird.

„Die Simulationsergebnisse deuten darauf hin, dass selbst bei Best-Case-Annahmen ein weicher Lockdown die Ausbreitungswelle nicht brechen kann – der Prozess wird lediglich verlangsamt“, resümiert Elsässer. „Um beispielsweise die Infektionsketten in Schulen zu unterbrechen, müssten im Falle einer nachgewiesenen Infektion die betroffene Klasse sowie alle K1-Kontakte der infizierten Person umgehend in Quarantäne wechseln.“

Problem: Kinder meist symptomfrei

Hier komme erschwerend hinzu, dass gerade Schülerinnen und Schüler oft keine oder nur sehr milde Symptome zeigen – laut einer Studie der London School of Hygiene & Tropical Medicine ist das bei etwa 79 Prozent der Zehn- bis 19-Jährigen der Fall –, aber das Virus dennoch weitergeben können. „Da diese Kinder in der Regel erst getestet werden, nachdem die Eltern sich infiziert haben, scheint sich die Epidemiewelle leider nur mit harten Maßnahmen brechen zu lassen – durch Distance-Learning und Homeoffice, wo nur möglich.“

Die Simulationen hätten eindeutig gezeigt, dass ein „weicher“ Lockdown die Infektionswelle erst brechen kann, wenn in etwa 40 Prozent der Population immunisiert wurden. „Davor sollte die Ausbreitung der Infektion mit harten Maßnahmen zusätzlich zu den weichen Maßnahmen wie Abstandhalten, Maskeverwenden und Händehygiene bekämpft werden“, sagte Elsässer.

Neue Mutation nicht berücksichtigt

Als Basis dienten den Informatikern in erster Linie Daten aus der Stadt Salzburg. Die Simulationen würden sich jedoch gut für andere geschlossene Bereiche in Österreich eignen – eben Städte wie Salzburg, Wien und Linz –, aber weniger gut für ländliche Regionen.

In den Modellen noch nicht berücksichtigt wurde die neue Virusmutation B.1.1.7 aus Großbritannien, die aufgrund der höheren Infektionswahrscheinlichkeit den Epidemieverlauf weiter verstärken könnte. Bis jetzt sei man auch von vollen Volksschul- und Unterstufenklassen ausgegangen. Darum sollen demnächst auch geteilte Klassen in die Simulationen miteinbezogen werden.