Angeklagter vor Gericht bei Terrorprozess
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Chronik

Terrorvorwürfe: Zweiter Freispruch für 30-Jährigen

Am Salzburger Landesgericht ist am Mittwoch ein 30-Jähriger schon zum zweiten Mal vom Vorwurf der Mitgliedschaft in einer terroristischen Organisation freigesprochen worden. Die Anklage warf ihm diesmal vor, dass er für die Terrormiliz Islamischer Staat (IS) geworben haben soll.

Nach Ansicht der Staatsanwaltschaft soll der Marokkaner Mitglied einer terroristischen Organisation gewesen sein und versucht haben, andere zu verleiten. Während seiner Untersuchungshaft in der Justizanstalt Salzburg soll er versucht haben, zwei Mithäftlinge für den Islamischen Staat anzuwerben. Zudem soll er dessen grausame Taten und Morde mit dem Koran gerechtfertigt haben. Der Marokkaner saß zwischen 2016 und 2018 wegen Terrorvorwürfen in Untersuchungshaft.

Angeklagter: Mithäftlinge lügen

Der Verteidiger bezeichnete die aktuelle Anklage hingegen als Folge der „Wichtigtuerei“ zweier Häftlinge und plädierte für die Unschuld des Angeklagten. Der 30-Jährige sei kein gefährlicher Terrorist, schließlich sei er am Mittwoch auch freiwillig vor Gericht erschienen. Auch könne der Angeklagte mit einem der Belastungszeugen im Herbst 2018 gar nicht im Gefängnis zusammengetroffen sein, weil er die U-Haft im August 2018 verlassen hatte.

Der 30-Jährige betonte am Donnerstag ebenfalls seine Unschuld. Die ehemaligen Mithäftlinge würden lügen. Er habe niemanden überzeugen wollen, am Islamischen Staat mitzuwirken. Er habe „absolut nicht“ mit einem Mitinsassen über den Islam gesprochen. Er kenne weder die Strukturen des Islamischen Staates und sei auch „absolut gegen den IS“, übersetzte der Gerichtsdolmetscher. „Das sind Verbrecher und bringen unschuldige Menschen um.“

Urteil noch nicht rechtskräftig

Die Richterin sah am Mittwoch keine ausreichenden Beweise für den Vorwurf der Staatsanwaltschaft und sprach den 30-Jährigen frei. Das Urteil ist noch nicht rechtskräftig.

Werbung für IS in Haft? Terrorprozess

Terror-Verurteilung von 2017 aufgehoben

Für den Marokkaner war das der zweite Freispruch im dritten Terrorverfahren am Salzburger Landesgericht: Im Oktober 2017 wurde der Mann wegen der Mitgliedschaft in einer terroristischen Vereinigung zu sechs Jahren Haft verurteilt. Damals wurde ihm vorgeworfen, dass er den Attentätern vom November 2015 in Paris bei der Durchreise geholfen haben soll.

Doch der Oberste Gerichtshof hob diese Verurteilung der ersten Instanz im April 2018 auf. Beim zweiten Prozess in dieser Sache im August 2018 wurde der Mann dann vor einem Salzburger Schöffengericht im Zeifel freigesprochen. Mehr dazu in Terrorprozess: Freispruch im Zweifel (salzburg.ORF.at; 6.8.2018).

Schadenersatzforderung für 800 Tage U-Haft

Der Verteidiger des Marokkaners gab am Mittwoch an, dass der Mann für die rund 800 Tage, die er in Österreich zu Unrecht in Untersuchungshaft verbringen habe müssen, von der Republik in einem zivilrechtlichen Verfahren eine Entschädigung fordere. Die Schadensersatz-Klage in Höhe von rund 275.800 Euro ist am Landesgericht für Zivilrechtssachen Wien anhängig.

Der Marokkaner verließ im Jahr 2015 seine Heimat und kam in diesem Jahr erstmals nach Österreich, wo er in einem Flüchtlingscamp in Salzburg aufgenommen wurde. Derzeit lebt er in einem Flüchtlingslager in Österreich. Sein Asylantrag wurde seinen Angaben zufolge zwei Mal abgelehnt. „Vielleicht bekomme ich doch noch Asyl in Österreich“, sagte er am Mittwoch zur Richterin.

Islamismus bis zum Anschlag in Wien „kein großes Thema“

Das Gefängnis-Milieu gilt grundsätzlich als Nährboden für die Radikalisierung von Muslimen. Fälle wie den am Mittwoch verhandelten gebe es in Salzburg trotzdem relativ selten, sagt Johannes Bernegger vom Verein „Neustart“ in Salzburg: „In Salzburg war das bis zum Terroranschlag in Wien im November kein großes Thema, weil wir wenige oder gar keine Inhaftierte gehabt haben, die in Salzburg straffällig geworden sind, sondern aus anderen Justizanstalten gekommen sind. Seit dem Terroranschlag ist es natürlich ein Thema – wobei man dazusagen muss: Vorbereitet waren wir seit Jahren.“

Für Personen, die in Verbindung zum IS stehen, brauche es zusätzlich zur Haftstrafe auch eine entsprechende Betreuung, betont Bernegger: „Die Frage ist, welche Ressourcen die Justizanstalt jeweils hat, solche Menschen von anderen, die ansprechbar sind, zu isolieren. Generell ist es ein Problem in den Justizanstalten, es wird aber auch sehr genau darauf geschaut.“