Jedes Jahr am 11. November um 9.00 Uhr erinnern die Gemeinde Kaprun und die Gletscherbahnen an die 155 Opfer des Brandunglücks – in der 2004 eröffneten Gedenkstätte bei der Talstation der Gletscherbahn Kaprun am Fuß des Kitzsteinhorns. Heuer ist diese Feier coronavirusbedingt besonders klein gehalten – ein Gottesdienst ohne Politikerreden, auch Medienvertreter sind nicht erwünscht. Mehr als sechs Personen gleichzeitig dürfen nicht in die Gedenkstätte. Auf Wunsch der Angehörigen der Toten wurde aber ein Gedenkbuch aufgelegt, in das jeder seine Gedanken oder Erinnerungen niederschreiben kann.
„Der 11. November ist ein schmerzvoller Tag für Kaprun – ganz besonders für die Angehörigen der Opfer, aber auch für alle Kaprunerinnen und Kapruner und alle, die an das Unglück denken“, sagt Norbert Karlsböck. Er war im Jahr 2000 Bürgermeister von Kaprun, heute ist er Vorstandschef der Gletscherbahnen Kaprun AG. „Besonders ist der Tag auch für das Unternehmen, weil auch wir haben Mitarbeiter bei dem Unglück verloren.“
„Dieses Unglück ist Teil unserer Geschichte“
Seit 20 Jahren leben die Kapruner mit der Erinnerung an den Brand: „Dieses Unglück ist Teil unserer Geschichte. Das gerät einfach nicht in Vergessenheit – das wird über Generationen weitervermittelt werden. Jeder hat Bekannte, Verwandte oder Freunde gehabt, die von diesem tragischen Unglück betroffen waren“, schildert der amtierende Bürgermeister der Pinzgauer Gemeinde, Manfred Gaßner (SPÖ), gegenüber Ö3-Reporter Peter Obermüller. „Wir werden auch stets unser klares Bekenntnis und unsere Verantwortung dafür tragen. Es wird im Ort Kaprun immer präsent sein.“
Rudolf Neumair verlor bei dem Unglück am 11. November 2000 seinen damals neun Jahre alten Sohn, der mit der Standseilbahn zum Skifahren auf das Kitzsteinhorn wollte: „Es ist damals sehr schwer gewesen für uns. Aber es muss weitergehen – und es ist auch weitergegangen. Wir schauen alle nach vorne, zurückschauen bringt nichts“, sagt Neumair heute. „Ich habe mir aber auch nie selbst einen Vorwurf gemacht, dass ich gesagt habe ‚Wieso schickst du ihn Ski fahren?‘ An das habe ich so nie gedacht.“
Tote aus acht Nationen
150 der 162 Passagiere kamen bei dem Feuer in der bergwärts fahrenden Standseilbahngarnitur ums Leben. Nur zwölf konnten sich retten. Zusätzlich starben noch zwei Personen im entgegenkommenden Zug und drei in der Bergstation der Gletscherbahn. Die Toten kamen aus acht Ländern – neben Österreichern und Deutschen waren unter anderen auch US-Amerikaner, Tschechen und Touristen aus Japan unter den Toten.
Ursache für das tödliche Feuer war Hydrauliköl, das aus einer Leitung auf einen in der talseitigen Führerkabine der Standseilbahn angebrachten Heizlüfter tropfte. Durch den Kamineffekt in dem engen Tunnel griff das Feuer von der Führerkabine der Standseilbahn rasch auf die gesamte Garnitur und die Menschen darin über. Aus Sicherheitsgründen waren zudem die Türen geschlossen – einige Fahrgäste schlugen daraufhin die Scheiben ein, um fliehen zu können. Aber nur jene, die in der Panik nach unten in Richtung des näher gelegenen Tunnelausgangs flüchteten, hatten eine Überlebenschance.
Gericht stellte keine Schuldigen fest
Bei dem Prozess nach dem tödlichen Unglück mussten sich 16 Angeklagte wegen fahrlässiger Herbeiführung einer Feuersbrunst und fahrlässiger Gemeingefährdung verantworten – darunter auch Mitarbeiter der Gletscherbahnen Kaprun und der Firmen, die den Heizlüfter und die Hydraulikleitungen eingebaut hatten. Schuldsprüche gab es in dem Verfahren aber keine – alle Angeklagten wurden in allen Instanzen freigesprochen. Die Begründung: Alle damals gültigen Vorschriften seien eingehalten worden, der Heizlüfter habe einen Konstruktionsfehler gehabt.
Dieses Urteil löste vor allem unter Angehörigen der Toten heftige Kritik aus – für viele war es unverständlich, dass niemand an dem Tod der 155 Menschen schuld sein sollte.
Kaprun: Zurück ins Leben
Kaprun „steht zu seiner Verantwortung“
Dennoch habe sich die Gemeinde Kaprun immer um die Verbindung zu den Angehörigen der Toten gekümmert, betont Bürgermeister Gaßner. Der Ort „steht zu seiner Verantwortung. Wir versuchen immer, gegenüber den Angehörigen sehr, sehr bemüht und verantwortungsvoll aufzutreten, sie auch entsprechend zu unterstützen, wenn irgendwelche Anliegen vorliegen. Viele der Betroffenen kommen nicht nur zum Gedenktag, sondern Gott sei Dank auch als Gäste zu uns.“
In den 20 Jahren seit der Brandkatastrophe hat sich aber auch in der Gemeinde Kaprun viel getan: „Nach einer sehr, sehr schwierigen Zeit ist es doch gelungen, wieder zu einer Normalität zurückzufinden“, sagt der Bürgermeister. „Allerdings hat Kaprun auch sehr viel investiert, um das Vertrauen der Angehörigen und auch unserer Gäste zurückzugewinnen.“
Großinvestitionen veränderten den Ort
So wurden in den vergangenen Jahren mehr als 220 Millionen Euro – durchschnittlich elf Millionen Euro jährlich – in Seilbahnanlagen auf dem Kitzsteinhorn investiert. Die Standseilbahn wurde bereits 2001 durch eine Gondelbahn ersetzt. Auch die Verbindung vom Ort Kaprun auf das Kitzsteinhorn wurde Schritt für Schritt ausgebaut. Seit November 2019 gibt es eine zwölf Kilometer lange Seilbahnverbindung mit sechs Gondelbahnen – darunter auch eine Dreiseilumlaufbahn – von der Gemeinde über den Maiskogel hinauf bis zur Gipfelstation in 3.029 Metern Seehöhe. Der Tunnel der alten Standseilbahn ist schon lange verschlossen, das Portal ist zugewachsen. Die Zufahrtsrampe wurde 2012 abgebaut.
500 Mio. Euro für Kraftwerksgruppe
Und auch an anderer Stelle wurde in Kaprun in den vergangenen Jahre viel investiert: So entstand für beinahe 100 Millionen Euro mit dem Tauern Spa eine moderne Therme – sie ist seit 2010 in Betrieb. Dazu entstanden in Kaprun auch viele Appartements. Und der Verbund-Konzern investierte seit dem Jahr 2000 beinahe 500 Millionen Euro in Kraftwerksanlagen in Kaprun – etwa in das unterirdische Pumpspeicherkraftwerk Limberg II.
„Es hat sich sehr viel zum Positiven verändert“
Im Ort „geht’s auch gut weiter, es helfen alle zusammen“, schildert Neumair. Ein Symbol dafür sei die neugebaute Gondelbahn, die seit November 2019 den Maiskogel mit dem Gletscherskigebiet verbindet: „Man merkt einfach den Aufschwung überall – und es ist gut so, dass es so geht. Es hat sich in Kaprun sehr viel zum Positiven verändert – ich hoffe, dass es so weitergeht.“