Keine romantische Liebe im klassischen Sinn, viel Meditation, Yoga, täglich äußerst ausgiebiges Lauftraining und ein zölibatäres Leben als Mönch? Außerdem ernähren sich alle Teilnehmer vegetarisch (nicht vegan). Wo bleiben da die schönen und lustvollen Seiten des Lebens?
Keine klassischen Liebesbeziehungen
Sehen so die freudlosen Geheimtipps aus, wenn jemand solche Leistungen bringen will? Kommt darauf an, sagt Devabala Malits aus Zürich, gebürtiger Ungar, Yoga-Meister und ein sehr erfahrener Langstreckenläufer: „Es geht bei uns nicht vordergründig um die Hochleistung und extreme Ausdauer. Wir wollen uns geistig entwickeln mit Hilfe des Körpers. Und zum Thema Frauen: Sie verdienen sehr viel Hochachtung und Empathie, wenn wir mit ihnen leben. Und was wir als Sportler hier tun, das lässt wenig Raum für eine enge körperliche und geistige Beziehung, wie sie für ein gutes Paar wichtig wäre.“
„Ich lebe seit meinem 22. Lebensjahr so“, sagt der 48-jährige Malits und strahlt den ORF-Reporter an. Und es wirkt alles andere als gespielt. Gleiches gilt umgekehrt für die vielen Frauen dieser weltweit aktiven Yoga- und Laufbewegung, die von dem gebürtigen Inder Sri Chinmoy gegründet wurde. Wer jedoch beim ersten Kontakt mit den Meditationsgruppen schon verheiratet oder liiert ist, kann mit dem Partner zusammen bleiben.
5.000 Kilometer bzw. 3.100 Meilen in sieben Wochen
Beim Rennen in Salzburg ist Devabala Malits nun nicht als Athlet dabei. Er arbeitet ehrenamtlich als Mentor, Coach, Hobby-Psychologe und Ernährungsberater, um seine Yoga-Gefährten Andrea Marcato (gebürtiger Italiener aus der Region Venedig) und Ananda-Lahari Zuscin aus der Slowakei zu stärken und auch immer wieder spirituell aufzurichten. Seine beiden Freunde nehmen nun schon seit mehr als drei Wochen beim längsten Straßenlauf der Welt teil. Es werden dabei noch weitere Wochen bis Anfang November ins Land gehen.
Jeden Tag hundert Kilometer, 50 Tage lang
Heuer findet dieser Extremlauf nach 23 Jahren zum ersten Mal nicht im New Yorker Stadtteil Queens statt, sondern im kleinen Glanspitz-Park des Salzburger Stadtteiles Lehen. In den USA ging heuer wegen der CoV-Krise nichts. Gelaufen wird über ca. 50 Tage eine Gesamtstrecke von 5.000 Kilometern bzw. 3.100 Meilen. Viele Passanten, Interessierte und Newcomer müssen sich diese Zahlen mehrfach vorsagen oder aufschreiben, um sie in ihrer ganzen Härte zu erfassen. Der Rundkurs im Salzburger Park ist nur etwas mehr als einen Kilometer lang.
Tagtäglich von 6.00 bis 24.00 Uhr spulen die fünf Athleten hier nun ihre Runden ab: Pro Tag packt jeder etwa hundert Kilometer. Tag für Tag. Neben dem Italiener Marcato und dem Slowaken Zuscin sind der Salzburger Ushika Muckenhumer, der Nirbhasa Magee aus Irland und der Tscheche Milan Javornicky im Rennen.
Alle im Berufsleben
Keiner der Fünf ist Profisportler, alle stehen in Brotberufen. Marcato hat eine Anstellung bei einem Lebensmittelerzeuger in Zürich, der sich auf vegetarische und vegane Produkte spezialisiert hat. Der Ire Magee ist promovierter Physiker, lebt in Reykjavík (Island) und verdient sich seine Sojamilch als IT-Experte und Webmaster.
Gefährliche Sekte?
Sri Chinmoy (1931-2007) lebte in Indien und den USA. Er war Mentor und enger Freund des Leichtathletik-Superstars Carl Lewis. Auch Nelson Mandela gehörte zu seinem Freundeskreis. Chinmoys Yoga-Bewegung wurde von Teilen christlicher Kirchen immer wieder ideologisch angegriffen. 1995 gab es in Deutschland einen Gerichtsbeschluss, wonach Behörden des Bundes und der Länder von einer Aufnahme von Chinmoys Lauf- und Meditationsgruppen in die Liste gefährlicher „Jugendsekten und Psychogruppen" absehen sollen, weil es keinerlei Beweise für diese Kategorisierung gebe. Kritik gibt es laut Medienberichten immer wieder von Einzelpersonen. Bekannt ist auch das soziale Engagement der Bewegung in Ländern der Dritten Welt.
Muckenhumer verkauft Musikinstrumente in der Salzburger Innenstadt. Zuscin ist Lagerarbeiter und Zusteller, hat die slowakische Heimat auch für die Metropole Zürich hinter sich gelassen. Und Javornicky kümmert sich als Sozialarbeiter und Pädagoge in Prag um Kinder aus schwierigen Verhältnissen.
Im normalen Leben gehen sie ziemlich früh ins Bett, weil sie vor der Arbeit schon gegen 4.00 Uhr mit Meditation und Yoga beginnen.
Ritter der vegetarischen Tafelrunde
Wenn sie jeden Tag gegen Mitternacht auf ihrem Rundkurs den Hut draufhauen und ins Nachtquartier ins Salzburger Bahnhofsviertel gefahren werden wollen, dann warten nur ca. fünf Stunden Schlaf am Stück auf die Musketiere. „Du fällst nach dem Duschen um wie ein Stein und bekommst bis 5.30 Uhr nichts mehr mit“, sagt Muckenhumer. Fast alle setzen auch tagsüber auf „power naps“. Sie legen sich zwischendurch für fünf oder sieben Minuten auf das Behelfsbett im Sanitätszelt beim Start-Ziel-Gelände, fallen sofort in tiefen Schlaf, bis sie die Alarmfunktion auf der Sportuhr nach wenigen Minuten wieder brutal ins Diesseits holt: „Es ist unglaublich, wie gut und schnell du dich auf diese Art erholen kannst“, sagt Coach und Mentor Malits.
Es begann gegen den Jugoslawienkrieg
Die fünf Ritter der vegetarischen Tafelrunde bekommen sogar von Fans zu hören, dass sie wohl völlig verrückt seien. Das mag schon stimmen bis zu einem gewissen Grad, sagte uns dazu ein Insider: „Aber sie bringen auch etwas weiter, das vielleicht vielen Menschen nützt. Als diese Läufe vor mehr als 20 Jahren in New York auf Initiative des Yoga-Meisters und Extremläufers Sri Chinmoy begannen, da rannten die Athleten, um ihre spirituelle Energie auf ein wichtiges Ziel zu richten. Es ging darum, den Jugoslawienkrieg mit seinen bis heute unfassbaren Verbrechen vieler Seiten zu beenden. Solche Dinge darf man nicht nur den Politikern überlassen.“