Fast täglicher Steinschlag und Muren im Obersulzbachtal bei Neukirchen (Pinzgau) bereitet Geologen einiges Kopfzerbrechen.  Fels und Geröll stammen aus dem abgelegenen Sattelkar, die Instabilität der Massen werfe  viele Fragen auf. Könnte auch das weit entfernte Salzachtal mit seiner dichten Besiedelung gefährdet sein?
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Wissenschaft

Massiver Felsrutsch in Hohen Tauern wirft Fragen auf

Fast täglicher Steinschlag und Muren im Obersulzbachtal bei Neukirchen (Pinzgau) bereiten Geologen einiges Kopfzerbrechen. Rund 400.000 Kubikmeter Fels und Geröll stürzten aus dem Sattelkar schon ins Tal. Die Instabilität durch auftauenden Permafrost wirft Fragen auf.

Vor 15 Jahren kam es am Sattelkar zu einem enormen Murenabgang. Seitdem sind die Geröllmassen ununterbrochen in Bewegung. Die Folgen des rutschenden Kars sind im Obersulzbachtal nicht zu übersehen: 400.000 Kubikmeter Geröll, Sedimente und Fels stürzten bereits auf den Talboden, am Berg liegt noch mehr Material. Das Sattelkar selbst liegt im Nationalpark Hohe Tauern – im hinteren Bereich des Obersulzbachtals, unweit der Kürsingerhütte (2.558 Meter), des Großvenedigers (3.657 Meter) und des Hohen Geigers (3.360 Meter).

Lage des Sattelkars im Obersulzbachtal am Satellitenfoto
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Die Lage des Sattelkars

Obwohl so abgelegen, ist das Sattelkar einerseits gefährlich und andererseits wissenschaftlich interessant ob seiner Instabilität: „Es passiert fast täglich, dass man die Rutschung hört. Es kommen Steine und Felsbrocken herunter“, sagt Nationalparkdirektor Wolfgang Urban. „Es ist natürlich unterschiedlich: einmal größere, einmal kleinere Felsbrocken. Aber es ist eine aktive Rutschung.“

„2003 fast noch eine Kuhweide, jetzt eine Mondlandschaft“

Zehn Meter pro Jahr bewegen sich die Geröllmassen aus dem Sattelkar talwärts. Das ist laut Fachleuten sehr schnell. Durch diese Geschwindigkeit der Veränderung sei das Sattelkar für das Bundesland Salzburg ein „einzigartiges Kar“, sagt der Geologe Markus Keuschnig. „2003 hat dieses Kar fast noch wie eine Kuhweide ausgeschaut. Jetzt schaut das Kar wie eine Mondlandschaft aus.“

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Fast täglicher Steinschlag und Muren im Obersulzbachtal bei Neukirchen (Pinzgau) bereitet Geologen einiges Kopfzerbrechen.  Fels und Geröll stammen aus dem abgelegenen Sattelkar, die Instabilität der Massen werfe  viele Fragen auf. Könnte auch das weit entfernte Salzachtal mit seiner dichten Besiedelung gefährdet sein?
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Das Geröll, das im Sattelkar abstürzt – aus der Luft gesehen
Fast täglicher Steinschlag und Muren im Obersulzbachtal bei Neukirchen (Pinzgau) bereitet Geologen einiges Kopfzerbrechen.  Fels und Geröll stammen aus dem abgelegenen Sattelkar, die Instabilität der Massen werfe  viele Fragen auf. Könnte auch das weit entfernte Salzachtal mit seiner dichten Besiedelung gefährdet sein?
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Geröllkante aus der Luft
Fast täglicher Steinschlag und Muren im Obersulzbachtal bei Neukirchen (Pinzgau) bereitet Geologen einiges Kopfzerbrechen.  Fels und Geröll stammen aus dem abgelegenen Sattelkar, die Instabilität der Massen werfe  viele Fragen auf. Könnte auch das weit entfernte Salzachtal mit seiner dichten Besiedelung gefährdet sein?
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Der Schuttkegel des riesigen Felssturzes im Obersulzbachtal
Fast täglicher Steinschlag und Muren im Obersulzbachtal bei Neukirchen (Pinzgau) bereitet Geologen einiges Kopfzerbrechen.  Fels und Geröll stammen aus dem abgelegenen Sattelkar, die Instabilität der Massen werfe  viele Fragen auf. Könnte auch das weit entfernte Salzachtal mit seiner dichten Besiedelung gefährdet sein?
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Der Schuttkegel des riesigen Felssturzes im Obersulzbachtal
Fast täglicher Steinschlag und Muren im Obersulzbachtal bei Neukirchen (Pinzgau) bereitet Geologen einiges Kopfzerbrechen.  Fels und Geröll stammen aus dem abgelegenen Sattelkar, die Instabilität der Massen werfe  viele Fragen auf. Könnte auch das weit entfernte Salzachtal mit seiner dichten Besiedelung gefährdet sein?
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Größere und kleinere Felsbrocken stürzen ins Tal
Fast täglicher Steinschlag und Muren im Obersulzbachtal bei Neukirchen (Pinzgau) bereitet Geologen einiges Kopfzerbrechen.  Fels und Geröll stammen aus dem abgelegenen Sattelkar, die Instabilität der Massen werfe  viele Fragen auf. Könnte auch das weit entfernte Salzachtal mit seiner dichten Besiedelung gefährdet sein?
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Schuttkegel im Sattelkar aus der Luft
3D Computermodell des Sattelkars und des Felsrutsches
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3D-Computermodell des Sattelkars und des Felsrutsches

Aufgetautes Permafrost-Eis als Schmiermittel

Interessant sei vor allem, den Grund für diese ungewöhnlich schnelle Veränderung zu finden, betont der Geologe. Klar scheint nur, dass aufgetautes Eis im Felsuntergrund wie ein Schmier- und Gleitmittel wirkt: „Dieses Sattelkar ist genau in einer Höhenlage, wo wir noch sporadische Permafrostvorkommen haben. Fleckenhaft gibt es noch immer irgendwo ein bisschen Permafrost, der sich über diese Zeit aufgelöst hat“, sagt Keuschnig. „Das heißt: Der Boden hat sich destabilisiert.“

Wenn dazu noch starke Niederschläge kommen – wie sie in den letzten zehn Jahren häufig gewesen seien –, „dann trifft dieser Niederschlag auf einen Untergrund, der schon geschwächt ist“, ergänzt der Geologe. Trotzdem sind die genauen Mechanismen, wie das passiert, noch unklar – trotz lückenloser Überwachung mit vielen Temperaturfühlern und seismischen Sensoren.

„Hundert Millionen Kubikmeter“ Fels als potenzielle Gefahr

Doch den Geologen geht es in Wahrheit nicht nur um dieses eine Kar. Auch in Nachbarkaren des Sattelkars seien große Gesteins-, Geröll- und Erdmassen labil, sagt Keuschnig: „Das jetzige Sattelkar ist eine Rutschung von 150.000 Quadratmeter mit etwa einer Million Kubikmeter Material. Das ist wirklich sehr, sehr viel. In den Nachbarkaren liegen noch einmal hundert Millionen Kubikmeter Material verstreut in der Gegend herum."

Nationalparkdirektor Urban sieht das ähnlich: „Wir wissen, dass in den nächsten drei Karen südlich des Sattelkars ähnliche Gesteinsmassen liegen, ähnliche Voraussetzungen gegeben sind. Und es könnten durchaus hier auch die gleichen Prozesse stattfinden.“

Monitoring soll weitergeführt werden

Wenn noch weitere Kare instabil werden, könnten hier Muren entstehen, die vom Bach bis hinunter ins besiedelte Salzachtal getragen werden könnten. Zwar läuft das aktuelle Forschungsprojekt zu dem Kar bald aus. Doch der Nationalparkdirektor geht wegen der Brianz der Lage davon aus, dass das Monitoringprojekt – gemeinsam mit dem hydrographischen und geologischen Dienst des Landes Salzburg – weitergeführt wird.